Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 1 (ein) Jahr erhöht wird.
Der Angeklagte wird mit seiner Berufung, soweit sie sich gegen das Strafausmaß richtet, auf diese Entscheidung verwiesen. Im übrigen wird der Berufung des Angeklagten nicht Folge gegeben. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 5.August 1941 geborene Barbesitzer Erhard A zu A) des Verbrechens des versuchten Menschenhandels (in bezug auf Sonja B) nach den §§ 15, 217 Abs. 1 StGB, zu B) des Vergehens der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht (hinsichtlich Sonja B und Irene C) nach dem § 215
StGB und zu C) des Vergehens der Zuhälterei (bezüglich Irene C) nach dem § 216 StGB schuldig erkannt.
Vom weiteren Anklagevorwurf in der Richtung der an Irene C verübten Verbrechen des Menschenhandels nach dem § 217 Abs. 1 StGB und der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 2 und 3 StGB sowie des Vergehens der Zuhälterei nach dem § 216 StGB (auch) bezüglich Sonja B (Punkte A, B 1 und 2 sowie C des freisprechenden Teiles des erstgerichtlichen Urteils) wurde Erhard A gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Dieses Urteil wird im Schuldspruch vom Angeklagten und im Freispruch von der Staatsanwaltschaft, jeweils unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO, mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erhard A:
Keine entscheidungswesentliche Tatsache betrifft die mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1
StPO behauptete Aktenwidrigkeit der den Schuldspruch wegen Zuhälterei nach dem § 216 StGB betreffenden, ersichtlich nur als Annäherungswert aufzufassenden Urteilsannahme (S 352 d.A) einer dreimonatigen Ausbeutung der vom Angeklagten der gewerbsmäßigen Unzucht 'in der Zeit von Juli bis September 1978' in Feldkirch zugeführten Irene C (vgl. hiezu deren diesbezügliche Angaben laut S 13
und S 31/32 in ON 2 d.A), weil auch der vom Beschwerdeführer - exakter - ermittelte Zeitraum vom 25.Juli bis in die letzte Septemberwoche 1978 mit dem Urteilsspruch vereinbar ist. Ähnliches gilt auch für die weitere vom Beschwerdeführer in seiner Mängelrüge relevierte Frage, ob Irene C ihre gesamten, während dieses Zeitraumes durch Ausübung der Gewerbsunzucht ins Verdienen gebrachten - von ihr mit ca. 150.000 S bezifferten - Einkünfte an den Angeklagten abführte (so übrigens auch die Zeugenaussage der Johanna D, S 141 d.A), oder aber ob der Angeklagte entsprechend dem Beschwerdevorbringen hievon (nur) ca. 120.000 S erhielt. Denn auch der behauptete geringere Betrag umfaßte vom Schandlohn den weitaus überwiegenden Teil, dessen Herausgabe an den Angeklagten, selbst wenn mit Zustimmung der Irene C geschehen, für die Annahme einer Ausbeutung im Sinn des § 216 StGB ausreicht (9 Os 89/79; Leukauf-Steininger, StGB2, RN 6 und 7 zu § 216 /S 1282/1283 /). Im übrigen ist zu dieser Frage aus der in der Nichtigkeitsbeschwerde zitierten Zeugenaussage des Rudolf E (ON 39 und S 317 d.A), entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, nichts Wesentliches zu gewinnen.
Dem Schuldspruch Punkt C haften mithin insoweit weder Begründungsmängel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO an noch nahm das Schöffengericht - wie dies die Beschwerde außerdem aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO geltend macht - rechtsirrig an, daß der Angeklagte seinen Unterhalt ganz oder zum Teil aus der in der Zeit von Juli bis September 1978 von Irene C, über seine Veranlassung ausgeübten gewerbsmäßigen Unzucht durch Ausbeutung zu gewinnen suchte.
Gegen den Schuldspruch wegen des an der damals noch nicht siebzehnjährigen Sonja B verübten Verbrechens des versuchten Menschenhandels nach den §§ 15, 217 Abs. 1
StGB (: Punkt A) bringt der Beschwerdeführer mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1
StPO vor, daß angesichts der sich aus der Zeugenaussage der Sonja B (S 315 d.A) ergebenden, vom Erstgericht jedoch nicht festgestellten Aufforderung des Angeklagten an B, sie könne für ihn auf den Strich gehen, ein 'Zuführen' zur Unzucht (im Ausland), wie dies für das Delikt des Menschenhandels nach dem § 217 Abs. 1 StGB erforderlich ist, nicht angenommen werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Dem ist zu erwidern, daß damit die bezogene Deposition der Zeugin Sonja B sinnwidrig aus dem gegebenen Zusammenhang (laut Protokollierung auf S 313 und 315 d.A) gelöst wurde und die inhaltlich dieser Zeugenaussage an die zitierte Aufforderung unmittelbar anschließende drohende Äußerung des Angeklagten, ... oder B 'dürfe sich in Feldkirch nicht mehr sehen lassen', unberücksichtigt blieb, womit aber für die vom Beschwerdeführer angestrebte Deutung dieser Worte i.S eines 'bloßen Ratens oder Aufforderns' kein Raum bleibt. Im übrigen ist das vom Erstgericht im Einklang mit den Verfahrensergebnissen außerdem festgestellte Anmieten eines zur Ausübung der Gewerbsunzucht bestimmten Zimmers in Liechtenstein, das Verbringen des minderjährigen Mädchens dorthin, um es der Kontrolle seiner Mutter zu entziehen und es (nunmehr dort) zur Ausübung der Prostitution, zum finanziellen Vorteil des Angeklagten, zu verhalten, wobei der Angeklagte die Sonja B in der Nähe der österreichischen Grenze auf den Straßenstrich schickte (s. S 349 d.A), insgesamt bereits ein Tätigwerden (vgl. LSK 1979/191; 262), das darauf abgestellt war, Sonja B zur Ausübung der gewerbsmäßigen Prostitution im Ausland zu veranlassen, und das demgemäß vom Erstgericht ohne Rechtsirrtum als (versuchtes) Zuführen im Sinn des § 217 Abs. 1 StGB beurteilt wurde (vgl. EvBl. 1977/198; 1978/135; 9 Os 89/79; Leukauf-Steininger, StGB2, RN 5 zu § 217 /S 1285/1286 / und RN 4 und 5 zu § 215 /S 1280 /).
Soweit das Erstgericht die von den eingangs bezeichneten Schuldsprüchen erfaßten Tathandlungen des Angeklagten insofern auf Aussagen der Irene C im Vorverfahren gründet, als sie durch das Teilgeständnis des Angeklagten vor Gericht (vgl. S 38 s ff. und S 303 d.A) und durch die Aussage seiner Lebensgefährtin Johanna D (ON 16) gestützt werden, hingegen dort, wo die den Angeklagten (gleichfalls) belastenden und in der Hauptverhandlung gemäß dem § 252 Abs. 1 Z 1 StPO verlesenen Angaben der Irene C (S 341 d.A) nicht durch zusätzliche Verfahrensergebnisse entscheidend gestützt wurden, diesen Teil der Zeugenaussage nicht als ausreichende Feststellungsgrundlage wertete und demgemäß zu Freisprüchen gelangte, handelt es sich um eine ausschließlich in den Bereich der freien Beweiswürdigung des Schöffengerichtes (§ 258 Abs. 2 StPO) fallende Entscheidung, der entgegen dem Beschwerdevorbringen ein innerer Widerspruch nicht anhaftet (vgl. EvBl. 1972/36) und gegen die anzukämpfen dem Beschwerdeführer im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof verwehrt ist.
In Anbetracht des mehrfach erwähnten Geständnisses des Angeklagten im Sinn der Anklagepunkte in der Richtung der §§ 215 und 216 StGB bewirkte auch das Unterbleiben einer Würdigung des Widerrufes der seinerzeitigen Anzeige der Irene C bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch (laut Schreiben vom 6.Februar 1979) sowie des Inhaltes des von der Verteidigung bezogenen Schreibens des Rechtsanwaltes Dr. F vom 10.Juli 1979 (s. Beilage A, S 312 d.A) keinen Begründungsmangel des Urteils im Rahmen der Schuldsprüche in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z 5
StPO, zumal sich der relevierte Widerruf vor allem ('insbesondere') auf von Irene C in ihrer Anzeige behauptete Bedrohungen des Angeklagten bezog (s. ON 2, S 21), in welcher Richtung ohnedies das Erstgericht mit Freisprüchen vorging und hiebei auch das in Rede stehende anwaltliche Schreiben berücksichtigte (vgl. S 357 d.A).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Der Freispruch des Angeklagten Erhard A vom Anklagevorwurf der Zuhälterei in bezug auf Sonja B (Punkt C), und zwar wegen Nichtannahme einer Ausbeutung, ist durch die vom Erstgericht auch im übrigen (bei den Schuldsprüchen A und B 2) als Feststellungsgrundlage herangezogene Zeugenaussage der Sonja B in der Hauptverhandlung, wonach sie (nur) während etwa zehn Tagen für den Angeklagten (in Feldkirch) auf den Straßenstrich ging und den hiebei vereinnahmten Schandlohn (insgesamt ca. 22.000 S /s. S 314 d. A /, laut Darstellung des Angeklagten 15.000 S /s. S 303 d.A /) an Erhard A abführte, von ihm aber, neben freier Unterkunft und Verpflegung sowie Bereitstellung von Garderobe und Kosmetika (S 313 ff.), doch 'ab und zu einen Hunderter' erhielt (s. S 315 d.A) und von dem sie 'alles bekommen hätte können, wenn sie etwas von ihm gewollt hätte' (S 316 oben d.A), zunächst in tatsächlicher Hinsicht gedeckt.
In rechtlicher Beziehung hinwieder ist die bekämpfte Beurteilung deshalb vertretbar, weil das Wesen der Ausbeutung im Sinn des § 216 StGB einerseits im - nach Lage des gegebenen Falles beim Angeklagten A unzweifelhaft gegebenen - 'Schmarotzertum' (im Sinn einer rücksichtslosen Ausnützung der Prostituierten) auf Seiten des Zuhälters besteht, zusätzlich aber auf Seiten der Prostituierten eine (vom Tätervorsatz umfaßte) fühlbare Einschränkung in der Lebensführung (wenn auch nicht unbedingt im Sinn einer wirtschaftlichen Notlage oder Bedrängnis /vgl.
LSK 1979/192, 264 /) erforderlich ist (EvBl. 1978/135). Die Annahme letzterer Deliktsvoraussetzung konnte aber das Erstgericht unter Zugrundelegung der Verfahrensergebnisse verneinen und solcherart frei von Rechtsirrtum zu einem Freispruch gelangen. Mit dem weiteren, gegen den freisprechenden Teil des erstgerichtlichen Urteils, Punkte A und B, gerichteten und auf den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1
StPO gestützten, sich inhaltlich jedoch im wesentlichen in Erörterungen über den nach Meinung der Staatsanwaltschaft unterschiedlichen Aussagewert einzelner Beweismittel erschöpfenden Vorbringen bekämpft die Anklagebehörde - unzulässigerweise - lediglich die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes, das im Einklang mit forensischen Erfahrungen deshalb, weil Irene C ihrer Ladung zum erkennenden Gericht (unentschuldigt) nicht Folge leistete und daher mit dem (diese Fakten) leugnenden Angeklagten und dessen (ihn insoweit entlastenden) Lebensgefährtin Johanna D nicht gegenübergestellt werden konnte, die Depositionen der Irene C im Vorverfahren nicht für verläßlich genug erachtete, um darauf Schuldsprüche im Sinn der Anklage zu gründen. Hinzu kommt noch, daß die in der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft bezogenen Zeugen zu den hier entscheidenden Fragen, ob nämlich Irene C im September 1978 vom Angeklagten zwecks Ausübung der gewerbsmäßigen Prostitution im Ausland nach Fribourg in der französischen Schweiz gebracht worden sei, wo der Angeklagte schon eine Absteige beschafft und Irene C und Johanna D an zwei Abenden auf den Straßenstrich geschickt habe (s. Freispruch, Punkt A);
weiters, ob der Angeklagte die Irene C durch wiederholte Mißhandlungen und qualifizierte Drohungen zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht von Juli bis September 1978 in Feldkirch bestimmt und sie sodann am 6.Februar 1979 in Staad durch weitere Drohungen zum Widerruf ihrer am 3.Februar 1979 bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch erstatteten Anzeige genötigt habe (Freisprüche, Punkt B 1 und 2), keine konkreten Angaben machten, wogegen die leugnende Verantwortung des Angeklagten durch die Zeugenaussagen Johanna D (s. S 141 und 165 ff. d.A), Karl G (S 182/183 d.A) und Josef H (S 209 und 318/
319 d.A) immerhin eine gewisse Stütze erfuhr.
Nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt schließlich wurde der geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO, weil die Anklagebehörde bei ihrer damit erhobenen Forderung nach anklagekonformer Verurteilung des Angeklagten von einem urteilsfremden Sachverhalt und von einem vorweggenommenen - ihr jedoch versagten - Erfolg der ergriffenen Mängelrüge ausgeht. Das bezügliche Beschwerdevorbringen kann deshalb keine Beachtung finden.
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 217 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen verschiedener Art sowie die Begehung des Vergehens nach dem § 215 StGB mit zwei Frauenspersonen und die Fortsetzung des strafbaren Verhaltens durch verhältnismäßig lange Zeit; als mildernd die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten, dessen teilweises Geständnis und den Umstand, daß es beim Delikt des Menschenhandels beim Versuch blieb.
Mit ihren Berufungen streben die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung des Strafausmaßes, der Angeklagte hingegen dessen Herabsetzung, in eventu die Gewährung bedingter Strafnachsicht und die Umwandlung der Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe an.
Nur der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu. Die Erschwerungsumstände bedürfen insoferne einer Ergänzung, als auch die Tatsache, daß es sich beim Tatopfer Sonja B um eine Jugendliche handelte, dem Angeklagten besonders zur Last fällt. Eine richtige Wertung der - sonst vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend angeführten - Strafzumessungsgründe verlangt die Erhöhung des Strafausmaßes auf ein Jahr. Erst in solcher Höhe entspricht die Strafe dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schwere der Schuld des Täters.
Bei der sozialschädlichen Grundhaltung des Angeklagten, auf die auch das Zusammentreffen mehrerer artverwandter Delikte hinweist, kommt eine bedingte strafnachsicht insbes.
aus spezialpräventiven Gründen nicht in Betracht.
Für eine Anwendung des § 37 StGB fehlt es schon an dem Primärerfordernis einer sechs Monate nicht übersteigenden Freiheitsstrafe als angemessener Sanktion.
Aus all diesen Gründen war insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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