OGH 9Os168/79

OGH9Os168/798.1.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Jänner 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Zehetmayr als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois A wegen des Verbrechens des Raubes als Mitschuldiger nach §§ 5, 190, 194 StG. und anderer strafbarer Handlungen über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 20. Juni 1979, GZ. 20 m Vr 9620/77-484, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Scheed und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem in Ansehung seiner Person in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 20. März 1970, GZ. 20 Vr 1579/69-173, war unter anderen der am 6.Juli 1938 geborene Fleischhauer Alois A auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen des Verbrechens des Raubes als Mitschuldiger nach §§ 5, 190, 194 StG. (Punkt B/ des Urteilssatzes), des Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit durch Erpressung nach § 98 lit. a (richtig: 'lit. b') StG.

(Punkt E/ des Urteilssatzes), des Verbrechens der versuchten Verleitung zum (Verbrechen des) Diebstahl(s) nach §§ 9, 171, 173, 174 I lit. d und II lit. b StG. (Punkt F/ des Urteilssatzes) und der Übertretung nach § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG. (Punkt G/ des Urteilssatzes) schuldig erkannt und hiefür nach § 194 StG. unter Anwendung der §§ 34 und 35 StG. zur Strafe des schweren (verschärften) Kerkers in der Dauer von zehn Jahren verurteilt worden.

Mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.Mai 1976, GZ. 20 Vr 1579/64-364, wurde dieses Urteil in der Folge in teilweiser Stattgebung von Wiederaufnahmeanträgen des Verurteilten Alois A im Schuldspruch zu Punkt E/ (: Verbrechen der öffentlichen Gewalttätigkeit nach § 98 lit. a (b) StG.) und im Strafausspruch aufgehoben. Am 1.September 1976 erklärte sodann die Staatsanwaltschaft, daß zur weiteren Verfolgung des Alois A wegen dieses (wiederaufgenommenen) Faktums kein Grund gefunden werde (§ 109 StPO.) und beantragte gleichzeitig die Anberaumung einer Hauptverhandlung zur Straffestsetzung wegen der rechtskräftig abgeurteilten Fakten zu Punkt B/, F/ und G/ des Urteils vom 20.März 1970 (vgl. ON. 371). Späteren, die Schuldspruchfakten B/ und F/ betreffenden Wiederaufnahmsanträgen des Alois A blieb der Erfolg versagt (ON. 447, 457).

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil verhängte ein Geschwornengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien über Alois A in Festsetzung der Strafe zu den von der seinerzeit bewilligten Wiederaufnahme nicht betroffenen, rechtskräftigen Schuldsprüchen zu Punkt B/, F/ und G/ des eingangs zitierten Urteils, unter Anwendung der §§ 28 und 41 Abs. 1 Z. 1 StGB., nach § 194 StG. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Jahren. Auf diese Strafe wurde gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB. die Verwahrungs- und Untersuchungshaft vom 20.Februar 1969, 12 Uhr 45, bis 17.Februar 1970, 12 Uhr; vom 17.August 1970, 12 Uhr, bis 23. November 1970, 12 Uhr; vom 23.Mai 1971, 12 Uhr, bis 21.Mai 1976, 12 Uhr, und vom 21.August 1977, 12 Uhr, bis 20.Juni 1979, 15 Uhr 40, angerechnet.

Gemäß § 389 Abs. 1 StPO. wurde Alois A auch zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil des Geschwornengerichtes vom Angeklagten Alois A mit ziffernmäßiger Beziehung auf '§ 281 Z. 4, 5, 9 und 11 StPO.' erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt. Voranzustellen ist, daß mit dem angefochtenen Urteil allein die Straf-(neu)bemessung zu den von der seinerzeitigen Wiederaufnahme nicht betroffenen und sohin materiell in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüchen wegen des Verbrechens des Raubes und des Diebstahls sowie wegen der Übertretung nach § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG. (Punkte B, F und G des geschwornengerichtlichen Urteils vom 20.März 1970) erfolgte, weshalb eine Neuaufrollung der Schuldfrage in diesen Fällen und eine Wiederholung der Schuldsprüche im angefochtenen Urteil ebensowenig in Betracht kam wie in verfahrensmäßiger Hinsicht die Anwendung der Bestimmung des § 359 Abs. 2 StPO., auf die sich der Beschwerdeführer irrigerweise bezieht, weil diese Gesetzesstelle, wie ihrem ersten Absatz zu entnehmen ist, nur für jene neue Hauptverhandlung gilt, die zu dem - die Schuldfrage neu lösenden - judicium rescissorium führt. Das angefochtene Urteil ist demgegenüber bloß als Ergänzungsurteil in Ansehung des Strafausspruches zu den rechtskräftigen Schuldsprüchen des Urteils vom 20.März 1970 anzusehen (vgl. SSt. 3/20; 9 Os 193/66), was im Urteilsspruch zutreffend zum Ausdruck kommt.

Damit erledigen sich aber nicht nur alle Beschwerdeausführungen, soweit sie - unter welchem Nichtigkeitsgrund immer - die Schuldfrage bekämpfen, sondern erweist sich auch die vom Beschwerdeführer der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 4 des § 345 Abs. 1 StPO. mit Beziehung auf § 260 Abs. 1 Z. 1 bzw. Z. 2 StPO. behauptete Gesetzesverletzung, im bekämpften Urteil fehlten Tat- und Deliktsbezeichnung, in Wahrheit als nicht gegeben.

Soweit der Beschwerdeführer dem Ersturteil Verfahrensund Begründungsmängel im Zusammenhang mit dem Grad seines Verschuldens und dem Gewicht und der Art der angenommenen Strafzumessungsgründe zum Vorwurf macht, genügt es ihm entgegenzuhalten, daß er damit - abgesehen davon, daß eine Urteilsanfechtung aus einem der Bestimmung des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. entsprechenden Grund im geschwornengerichtlichen Verfahren überhaupt ausgeschlossen ist - keinen der im § 345 Abs. 1 StPO. taxativ angeführten Nichtigkeitsgründe zur gesetzmäßigen Darstellung bringt.

Mangels einer formellen Grundlage nicht erörterungsbedürftig ist das (ziffernmäßig die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 9 des § 281 Abs. 1 StPO. relevierende) Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde ferner auch insoweit, als damit der erstgerichtliche Kostenausspruch (der Angeklagte habe gemäß § 389 StPO. die Kosten des Strafverfahrens zu ersetzen) bekämpft wird, weil die urteilsmäßige Entscheidung über die Ersatzpflicht des Verurteilten hinsichtlich der Prozeßkosten nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde (oder mit Berufung), sondern allein mit Kostenbeschwerde (§ 392 StPO.) angefochten werden kann (vgl. Roeder, Lehrbuch2, 342; SSt. 30/63), wobei in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der die Grundlage der Kostenersatzpflicht bildende Schuldspruch auf gesetzmäßige Weise nicht mehr bekämpfbar ist, die Entscheidung im Kostenpunkt also unmittelbar und nicht in ihren im urteilsmäßigen Ausspruch über die Schuld beruhenden Voraussetzungen angegriffen wird, die Zuständigkeit dem Gerichtshof zweiter Instanz zufällt (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer, E.Nr. 21 - 23 zu § 392 StPO.).

Gesetzmäßig ausgeführt ist die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten lediglich insoweit, als sie (inhaltlich mit dem Nichtigkeitsgrund der Z. 13 des § 345 Abs. 1 StPO.) den Umstand bekämpft, daß die Strafbemessung durch das Erstgericht gemäß § 194 StG. und nicht - wie der Beschwerdeführer es für richtig hält - nach § 143 StGB. erfolgte, und darin die Nichtanrechnung der Haft vom 23. November 1970

bis 23.Mai 1971 moniert wird; in der Sache geht die Beschwerde jedoch fehl.

Strafbestimmend im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB. (bzw. der §§ 34, 35 StG.) war vorliegend beim Beschwerdeführer das ihm unter anderem schuldspruchmäßig (: Punkt B/ des Urteils vom 20.März 1970) als Mitschuldiger im Sinne des § 5 StG. zur Last liegende, im § 194 StG. mit schwerem verschärften Kerker in der Dauer von 10 bis 20 Jahren strafbedroht gewesene Verbrechen des Raubes nach §§ 190, 194 StG. Zutreffend bemaß das Erstgericht daher die Strafe nach der letztzitierten Bestimmung und nicht nach der - allerdings milderen - korrespondierenden (ersten) Strafnorm des § 143 StGB. Eine Mischung von altem (StG.-) Recht in Ansehung des Schuldspruchs und neuem (StGB.-) Recht in Ansehung der anzuwendenden Strafdrohung ist nämlich - auch unter dem Gesichtspunkt der §§ 61 und 323 Abs. 2 StGB.

unzulässig, weshalb die Festsetzung der Strafe für einen rechtskräftigen Schuldspruch wegen Mitwirkung an einem nach StG.- Recht beurteilten Raubverbrechen stets nach StG.-Recht vorzunehmen ist (vgl. hiezu SSt. 46/35, RZ. 1975/31 u.a.).

Die vorliegend erfolgte Strafverhängung nach § 194

StG. - im übrigen unter Berücksichtigung der Regelung des § 323 Abs. 1 StGB. richtig unter Zitierung der §§ 28

und 41 StGB. - entsprach mithin dem Gesetz.

Was aber die angeblich unrichtige Nichtanrechnung von 'Untersuchungshaftzeiten' des Beschwerdeführers (vom 23.November 1970 bis 23.Mai 1971) anlangt, so ergibt sich aus dem (übrigens durchaus im Einklang mit dem vom Beschwerdeführer bezogenen Bericht der Strafvollzugsanstalt Stein vom 27.Juni 1978 /ON. 399 / stehenden) Strafantrittsbericht der Gefangenenhausdirektion I des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.November 1970, ON. 204, daß Alois A während dieses in Rede stehenden Zeitraumes eine über ihn im Verfahren 15 b E Vr 279/70 mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20.März 1970

verhängte sechsmonatige schwere verschärfte Kerkerstrafe verbüßte. Diese Haftzeit kam daher für eine Vorhaftanrechnung im vorliegenden Verfahren im Sinne des § 38 Abs. 1

StGB. nicht (mehr) in Betracht, worüber der Beschwerdeführer zuletzt durch die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 16.Mai 1979, ON. 472, informiert worden war (s. Bd. V, S. 345 unten d.A.).

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war mithin zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28, 41 Abs. 1 Z. 1 StGB. und 194 StG. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 9 Jahren. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art, die einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall, während es als mildernd den Umstand in Betracht zog, daß es bei einem Faktum beim Versuch geblieben sei.

Dagegen richten sich die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten, wobei die Anklagebehörde eine Erhöhung, der Angeklagte hingegen eine Reduzierung des Strafausmaßes anstreben. Keine der beiden Berufungen ist begründet.

Ausgehend nämlich davon, daß von einem 'raschen Rückfall' nicht gesprochen werden kann (im Zeitpunkt der Taten - August 1968 - lag die letzte einschlägige Vorverurteilung mehr als fünf Jahre zurück), die Beteiligung des Angeklagten am Verbrechen des Raubes eher gering war und es bezüglich des Diebstahls beim Versuch geblieben ist, erscheint - zumal mit dem Verbrechen der öffentlichen Gewalttätigkeit durch Erpressung nach § 98 lit. b StG. doch ein sehr gravierendes Faktum in Wegfall gelangt ist - das vom Erstgericht gefundene Strafmaß (auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß bei der Strafbemessung auf die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4.September 1969, AZ. 15 c E Vr 557/69, und vom 9. September 1970, AZ. 15 b E Vr 279/70, womit über den Angeklagten Freiheitsstrafen von je sechs Monaten verhängt wurden, gemäß §§ 31, 40 StGB. Bedacht zu nehmen gewesen wäre) der Persönlichkeit des Angeklagten und dem Schuld- und Unrechtsgehalt der von ihm gesetzten Verfehlungen durchaus angemessen, weshalb weder eine Erhöhung noch eine Herabsetzung der Strafe in Betracht kam.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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