OGH 13Os159/79

OGH13Os159/7913.12.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 1979 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Böhm-Hiller als Schriftführers in der Strafsache gegen Gerhard Alois A und andere wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten Gerhard Alois A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengerichtes vom 13. September 1979, GZ. 4 Vr 1831/79-27, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwaltes Dr. Zaufal, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird

a) in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde in Punkt 1) (richtig: I 1) des Schuldspruches des Angeklagten Gerhard Alois A (wegen Diebstahls eines Motorfahrrades der Marke Yamaha zum Nachteil des Josef B am 9. Mai 1979 in Gratwein durch ihn und den Angeklagten Helmut C in Gesellschaft als Beteiligte), ferner in der durch diesen Schuldspruch bedingten rechtlichen Unterstellung auch der dem Angeklagten Gerhard Alois A weiters zur Last liegenden Diebstähle (Punkt 2, richtig: I 2 des Schuldspruches) unter die Bestimmungen des § 127 Abs. 2 Z. 1 und des § 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. sowie demgemäß in dem diesen Angeklagten betreffenden Ausspruch nach dem § 13 Abs. 1 JGG. 1961 und b) aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. in Ansehung des Angeklagten Helmut C zur Gänze aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.

Im übrigen aber wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard Alois A verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 17. April 1964 geborene Schüler Gerhard Alois A der Vergehen des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. sowie des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB., der am 14. März 1964 geborene Schüler Helmut C des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. und der am 12.März 1964 geborene Schüler Harald Stefan D des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Dieses Urteil bekämpft allein der Angeklagte Gerhard Alois A in Ansehung seines Schuldspruches wegen des Vergehens des schweren Diebstahls mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit. a (der Sache nach lit. b) und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Unter Anrufung der Nichtigkeitsgründe der Z. 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. - damit der Sache nach im Ergebnis jedoch den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. b der genannten Gesetzesstelle zur Darstellung bringend - vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, das Erstgericht habe die zu Punkt I) 2) a und b des Schuldspruches näher umschriebenen Tathandlungen, nämlich die Wegnahme einer Musikkassette im Werte von 99 S zum Nachteil des Heinz E im September 1978 in Gratwein sowie einer Sonnenbrille im Werte von 200 S zum Nachteil des Thomas F im März 1979 in Graz, zu Unrecht als Diebstahl beurteilt, da es sich bei den Tatobjekten um Sachen geringen Wertes gehandelt habe und ihm 'bei vollständiger rechtlicher Wertung' - womit der Beschwerdeführer ersichtlich die Zubilligung eines Handelns 'zur Befriedigung eines Gelüstes' meint - diese Straftaten bloß als Vergehen der Entwendung nach § 141 Abs. 1 StGB. zuzurechnen seien. Da der Täter wegen dieses Deliktes aber gemäß dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle nur mit Ermächtigung des Verletzten zu verfolgen ist, solche Ermächtigungen bezüglich der genannten Tathandlungen jedoch nicht vorliegen, hätte das Erstgericht rechtsrichtig mit einem Freispruch vorgehen müssen.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Vorbringen kann jedoch deshalb nicht gefolgt werden, weil die 'Befriedigung eines Gelüstes' voraussetzt, daß der Täter ein im Tatzeitpunkt bei ihm gegenwärtiges Bedürfnis sofort oder doch zumindest alsbald befriedigen will (vgl. 9 0s 193/77 = ÖJZ-LSK. 1978/168) und es daher grundsätzlich nicht genügt, daß mit dem entzogenen Gut (auch) ein späterer oder ein längere Zeit hindurch wirksamer Bedarf gedeckt werden soll (vgl. SSt. 16/2, 10 0s 79/75 = ÖJZ-LSK. 1975/233;

Leukauf-Steininger, Kommentar, 2. Auflage, S. 951). Daß es sich vorliegend um Gegenstände handelt, die sich schon ihrer Art nach - im Gegensatz etwa zu Lebens- oder Genußmitteln - weder zum alsbaldigen Verbrauch eignen noch hiezu vorgesehen, sondern zu fortgesetztem Gebrauch während einer längeren Zeitspanne bestimmt sind, stünde an sich noch nicht der Annahme einer Sachentziehung 'zur Befriedigung eines Gelüstes' entgegen, doch ist durch die Verfahrensergebnisse eine so motivierte Sachwegnahme schon deshalb nicht indiziert, weil der Angeklagte A die Sonnenbrille etwa zur Verwendung während des Schikurses geradezu gezielt gesucht hatte (S. 85 und 92). Daß der Beschwerdeführer in diesen Fällen auch nicht etwa 'aus Unbesonnenheit' deliktisch tätig geworden ist, hat das Erstgericht mit zutreffender Begründung ausgesprochen und wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Ein Handeln 'aus Not' schließlich behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht und es liegen hiefür auch keine objektiven Anhaltspunkte vor. Ungeachtet des Umstandes, daß es sich bei beiden Tatobjekten - deren Wert unter dem Gesichtspunkt einer allfälligen Beurteilung nach dem § 141 Abs. 1 StGB. mangels eines fortgesetzten Angriffes keiner Zusammenrechnung im Sinne des § 29 StGB. unterliegen würde (vgl. 11 0s 29/79 = ÖJZ-LSK. 1979/225) - tatsächlich um solche 'geringen Wertes' handelt, waren die dem Beschwerdeführer zu Punkt I) 2) a und b des Schuldspruches angelasteten deliktischen Vorgangsweisen sohin mangels Vorliegens einer der vom Gesetz (alternativ) geforderten weiteren Voraussetzungen nicht dem § 141 Abs. 1 StGB. zu unterstellen; das Erstgericht hat sie vielmehr ohne Rechtsirrtum als Diebstahl beurteilt.

Diesbezüglich kommt der Beschwerde des Angeklagten Gerhard Alois A daher keine Berechtigung zu.

Begründet ist seine Beschwerde hingegen insoweit, als er unter Relevierung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. die Feststellung des Erstgerichtes, er habe eingestanden, zusammen mit Helmut C am 9. Mai 1979

das beim Bahnhof Gratwein abgestellte Motorfahrrad des Josef B mit dem Vorsatz, es für weitere Fahrten auf unbestimmte Dauer für sich zu behalten, gestohlen und es deshalb unter einem Gestrüpp verborgen zu haben, um es jederzeit zur Durchführung beabsichtigter weiterer Fahrten aufzufinden, als aktenwidrig bekämpft. Ein derartiger Vorsatz des Beschwerdeführers (und seines Mitangeklagten C) ergibt sich nämlich weder aus seiner eigenen Verantwortung, noch aus anderen Beweisergebnissen. Vielmehr hat der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung durch die Gendarmerie (S. 7 und 8, Verlesung in der Hauptverhandlung siehe S. 87) hiezu bloß angegeben, daß er und C mit dem widerrechtlich in Betrieb genommenen Fahrzeug in Richtung Hundsdorf fuhren und es 'schließlich im Wald abstellten', worauf er sich am folgenden Tag zusammen mit Harald Stefan D neuerlich zu dem versteckten Fahrzeug begab und beide damit im Wald umherfuhren und noch am selben Tag (nach der unbefugten Ingebrauchnahme eines anderen Motorfahrrades zusammen mit D und wieder in Begleitung des Letztgenannten) nochmals zu dem eingangs erwähnten Fahrzeug zurückkehrten und dann neuerlich die beiden genannten Angeklagten - der Beschwerdeführer mit dem Motorfahrrad Marke Yamaha und D mit dem anderen Motorfahrrad - im Wald umherfuhren, bis am Fahrzeug des D der Treibstoff ausging und beide auf der 'Yamaha' nach Gratwein zurückfuhren und das Fahrzeug dort in einem Fichtenwäldchen abstellten. Harald Stefan D machte vor der Gendarmerie inhaltlich gleichlautende Angaben (S. 9, Verlesung siehe S. 87), und auch der Mittäter Helmut C bestätigte den vom Beschwerdeführer dargelegten Hergang der Ereignisse vom 9. Mai 1979 mit dem Beifügen, daß der Beschwerdeführer vor dem Verstecken des Motorfahrrades dessen Kennzeichen abmontierte (S. 11). In der Hauptverhandlung erklärte der Beschwerdeführer ausdrücklich (S. 85, 86), er habe mit dem Moped nur einmal fahren wollen und es deshalb im Wald abgestellt, weil er sich damit nicht mehr zurückzufahren traute, und auch der Angeklagte C beschränkte im übrigen sein Geständnis in der Hauptverhandlung darauf, er und A hätten mit dem Fahrzeug bloß eine 'Spritztour' unternehmen und es - falls es vorher nicht gefunden würde - auch noch am nächsten Tag zu einer Spazierfahrt benützen wollen. Angesichts der sich aus dem Gesagten ergebenden Aktenwidrigkeit der erstgerichtlichen Feststellung, A und C hätten eingestanden, mit dem Vorsatz gehandelt zu haben, das Fahrzeug 'auf unbestimmre Dauer für sich zu behalten', kann allerdings entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht schon darüber abgesprochen werden, ob das in Rede stehende Täterverhalten allenfalls nur als dauernde Sachentziehung im Sinne des § 135 Abs. 1 StGB. zu beurteilen ist. Denn es fehlt sohin überhaupt jegliche mängelfreie Feststellung zur subjektiven Tatseite. Es erweist sich demnach als erforderlich, das angefochtene Urteil hinsichtlich des Angeklagten Gerhard Alois A in teilweiser Stattgebung seiner Nichtigkeitsbeschwerde im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Da dieselben Gründe, auf denen die zu Gunsten des Beschwerdeführers zu treffende Verfügung beruht, aber auch dem Mitangeklagten Helmut C zustatten kommen, der die Nichtigkeitsbeschwerde nicht ergriffen hat, war gemäß § 290 Abs. 1

StPO. von Amts wegen so vorzugehen, als wäre der Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. in der gleichen Richtung auch von diesem Angeklagten geltend gemacht worden, und hat sich sohin die vorzunehmende Aufhebung in gleicher Weise auch auf diesen Angeklagten - dem überhaupt nur dieses Faktum zur Last liegt - zu erstrecken.

Es wird Sache des Erstgerichtes sein, im zweiten Rechtsgang mängelfrei begründete Feststellungen dahingehend zu treffen, ob die Angeklagten A und C bei Wegnahme des Motorfahrrades Marke 'Yamaha' zum Nachteil des Josef B den Vorsatz hatten, dieses nicht bloß vorübergehend, sondern auf unbegrenzte Zeit für sich zu behalten und es damit in ihr Vermögen (oder das eines Dritten) überzuführen (mögen sie auch später den Entschluß gefaßt haben, es wieder stehen zu lassen) (vgl. 13 0s 2/77 = ÖJZ-LSK. 1977/163, 13 0s 24/75 = ÖJZ-LSK. 1975/54) - in welchem Fall die Tat als Diebstahl zu beurteilen wäre - oder ob sich ihr Vorsatz darauf beschränkte, das widerrechtlich entzogene Fahrzeug nur vorübergehend zu benützen und sich seiner dann auf eine Weise zu entledigen, die nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ihre Erwartung gerechtfertigt erscheinen lassen mußte, daß der Geschädigte es nicht zurückerhalten werde, ohne es aber sich oder einem Dritten zuzueignen - was als dauernde Sachentziehung im Sinne des § 135 Abs. 1 StGB. zu beurteilen wäre (vgl. hiezu auch 13 0s 151/75 = ÖJZ-LSK. 1976/54, 13 0s 153/77 = ÖJZ-LSK. 1978/61, 13 0s 163/75 = ÖJZ-LSK. 1976/46). Eine Beurteilung der Tat als Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1 StGB. wäre nur dann gerechtfertigt, wenn angenommen werden kann, daß der Vorsatz der Täter auch nicht auf eine Schädigung des Berechtigten durch dauernden Gewahrsamsentzug gerichtet war, sondern bloß auf den (kurzfristigen) unbefugten Gebrauch mit anschließender Vorsorge für die konkrete Möglichkeit der Wiedererlangung des Fahrzeuges durch den Berechtigten.

Es war sohin wie im Spruch zu entscheiden.

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