OGH 9Os170/79

OGH9Os170/7911.12.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Dezember 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Zehetmayr als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hubert A wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB. über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 20. Februar 1978, GZ. 29 E Vr 2901/77-12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Durch den Schuldspruch gemäß Punkt 1. des Urteils des Landesgerichtes Linz vom 20.Februar 1978, GZ. 29 E Vr 2901/77-12, wurde das Gesetz in dem sich aus dem XX. Hauptstück der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft verletzt.

Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im bezeichneten Schuldspruch, im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) und in der Verurteilung des Angeklagten zur Bezahlung von 7.787 S an die Firma Hans B sowie alle darauf beruhenden gerichtlichen Beschlüsse und Verfügungen, insbesondere die Endverfügung vom 30.August 1978 sowie die Beschlüsse vom 5. Oktober 1978 und vom 3.Juli 1979, GZ. 29 E Vr 2901/77-17, 19 und 29 (30) des Landesgerichtes Linz, werden aufgehoben und es wird gemäß §§ 292, 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. im Umfang der Urteilsaufhebung in der Sache selbst erkannt:

 

Spruch:

Hubert A wird von der (weiteren) Anklage, er habe am 13.Mai 1977 in Linz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der Firma Hans B durch Täuschung über Tatsachen, und zwar durch die Vorgabe seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, zur Vermietung eines PKWs. der Marke BMW 2002 mit dem polizeilichen Kennzeichen L 3545 und damit zu einer Handlung verleitet, welche die genannte Firma an ihrem Vermögen um 7.787 S schädigte, und er habe (auch) hiedurch das Vergehen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB.

begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Für das ihm nach dem aufrecht bleibenden Schuldspruch gemäß Punkt 2. des Urteilssatzes (weiterhin) zur Last fallende Vergehen des schweren Betruges nach §§ 146, 147

Abs. 2 StGB. wird Hubert A gemäß § 147 Abs. 1 StGB. zu 2 (zwei) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB. wird ihm die Verwahrungsund Untersuchungshaft vom 11.Februar 1978, 12 Uhr, bis zum 20.Februar 1978, 12 Uhr, auf diese Strafe angerechnet.

Gemäß § 366 Abs. 1 StPO. wird die Privatbeteiligte Firma '1.Linzer Autoverleih, Inh. Hans B' mit ihren Entschädigungsansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem im Jänner 1978 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 1.Dezember 1977, GZ. 20 U 1179/77-10, wurde Hubert A des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB. schuldig erkannt, weil er am 13.Mai 1977 in Linz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Hans B durch Täuschung über Tatsachen, und zwar durch die Vorgabe seiner Zahlungswilligkeit, zum Verleih eines PKWs. BMW 2002 und damit zu einer Handlung verleitet hatte, die den Genannten an seinem Vermögen um 4.000 S schädigte.

Wegen derselben Tat, jedoch mit der Annahme, daß daraus ein strafrechtlich relevanter Schaden in der Höhe von 7.787 S entstand, wurde Hubert A mit dem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 20. Februar 1978, GZ. 29 E Vr 2901/77-12, unter Punkt 1. des Urteilssatzes neuerlich (des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB.) schuldig erkannt; auch dieses Urteil wurde rechtskräftig. Die damit gewährte bedingte Nachsicht der wegen des vorerwähnten und eines weiteren Betruges (Punkt 2. des Urteilssatzes) über Hubert A verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten wurde inzwischen (mit Beschluß vom 5.Oktober 1978, ON. 19 d.A.) rechtskräftig widerrufen, Strafaufschubsgesuche des Verurteilten wurden (mit Beschluß vom 3.Juli 1979, ON. 29 (30) d. A., abgewiesen.

Durch die neuerliche Verurteilung des Hubert A wegen des am 13.Mai 1977 begangenen Betruges zum Nachteil der Firma Hans B mit dem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 20.Februar 1978, GZ. 29 E Vr 2901/77-12, wurde das Gesetz in dem sich aus den Bestimmungen des XX. Hauptstückes der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft ('ne bis in idem') - nach dem ein rechtskräftig beendetes Strafverfahren nur unter den dort bezeichneten Voraussetzungen und Verfahrensmodalitäten wieder aufgenommen werden darf - verletzt, weil diese Tat ungeachtet des (gemäß § 356 StPO. auch nicht eine Wiederaufnahme des ersten Verfahrens rechtfertigenden) Umstands, daß das in Rede stehende (zweite) Urteil die Herbeiführung eines höheren Schadens erfaßte, bereits Gegenstand des eingangs bezeichneten rechtskräftigen Urteils des Bezirksgerichtes Linz vom 1.Dezember 1977, GZ. 20 U 1179/77-10, gewesen war.

Rechtliche Beurteilung

In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war diese den Verurteilten benachteiligende Gesetzesverletzung festzustellen und einschließlich aller darauf beruhenden weiteren gerichtlichen Anordnungen, insbesondere des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche (vgl. hiezu Pallin in 'Hundert Jahre österreichische Strafprozeßordnung', 1973, S. 181 ff., EvBl. 1976/164, 1973/128, SSt. 37/29 u.a.), im Sinn des § 292 letzter Satz StPO.

wie im Spruch zu beheben.

Bei der Strafneubemessung wegen des dem Hubert A nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch gemäß Punkt 2. des Urteils des Landesgerichtes Linz vom 20.Februar 1978, GZ. 29 E Vr 2901/77-12, weiterhin zur Last fallenden Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB. (zum Nachteil der Autoverleihfirma D mit einem Schaden in der Höhe von 11.899,48 S) waren die (eine) einschlägige Vorverurteilung des Angeklagten (zur Tatzeit) und sein rascher Rückfall als erschwerend, sein Geständnis dagegen als mildernd zu werten.

Eine Bedachtnahme auf die nach der Begehung dieser Tat (am 15. Oktober 1977) gegen den Angeklagten gefällten Strafurteile gemäß § 31 StGB. kam jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil alle diese Urteile in ihren Aussprüchen über die Strafe durch das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 19.September 1979, GZ. 29 E Vr 102/79-15, ihrerseits gemäß §§ 31, 40 StGB. (unter Abstandnahme von der Verhängung einer Zusatzstrafe) untrennbar miteinander und mit dem Strafausspruch in dem (bereits vor der Tatzeit im vorliegenden Verfahren, also vor dem 15.Oktober 1977, gefällten) Urteil des Bezirksgerichtes Leonfelden vom 20.Juli 1977, GZ. U 65/77-5, verknüpft sind und die hier urteilsgegenständliche Tat nach der Zeit ihrer Begehung nicht (auch) schon in jenem Verfahren hätte abgeurteilt werden können, sodaß die Voraussetzungen des § 31 StGB. dementsprechend in keinem Fall gegeben sind (vgl. 13 Os 144/79). Die verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten wird der Tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB.) gerecht.

Für die Gewährung bedingter Strafnachsicht war aus Gründen der Spezialprävention (§ 43 Abs. 1 StGB.) kein Raum; das Verschlimmerungsverbot (§ 290 Abs. 2 StPO.) steht dem nicht entgegen, weil bei konkreten Maßnahmen nach § 292

letzter Satz StPO. in Ansehung der Frage, ob sie dem Angeklagten zum Vorteil gereichen, nicht bloß auf das davon betroffene Urteil allein abzustellen ist, sondern auf die gesamte darauf beruhende, zur Zeit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes bestehende Rechtslage, im vorliegenden Fall also darauf, daß die seinerzeit gewährte bedingte Strafnachsicht inzwischen (ohne Zusammenhang mit der zu behebenden Gesetzesverletzung) rechtskräftig widerrufen worden ist (vgl. SSt. 34/2).

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