OGH 9Os171/79

OGH9Os171/7927.11.1979

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Zehetmayr als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl Ludwig A wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 6 Abs. 1 SGG und eines anderen Deliktes nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 5. Oktober 1979, GZ. 13 a Vr 126/79-14, den Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Das Landesgericht Feldkirch als Schöffengericht verurteilte den am 8. März 1955 geborenen beschäftigungslosen Karl Ludwig A in der Hauptverhandlung vom 20. September 1979

wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 6 Abs 1 SGG und des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 bis 3 StGB. zu einer Freiheitsstrafe und zu einer Wertersatzstrafe sowie zum Kostenersatz. Nach der Urteilsverkündung erteilte der Vorsitzende dem Angeklagten Rechtsmittelbelehrung, wobei er ihn auf die nach dem Gesetz bestehenden Möglichkeiten einer sofortigen Rechtsmittelerklärung oder des Vorbehaltes einer Bedenkzeit verwies. Nachdem der Angeklagte mit den Worten 'Ich nehm' s an' (schlüssig) und der Staatsanwalt ausdrücklich auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet hatten, verwies der Verteidiger den Angeklagten nochmals auf die ihm in Ansehung der Rechtsmittelerklärung zustehenden Rechte, worauf dieser auf die ihm vom Verteidiger gestellte Frage 'Was meinten Sie damit' (ersichtlich gemeint mit den Worten 'Ich nehm' s an') erwiderte, er möchte Bedenkzeit nehmen. Diese Erklärung des Angeklagten wurde, wie sich aus einem vom Obersten Gerichtshof eingeholten aufklärenden Bericht des Vorsitzenden ergibt, nach einem Disput zwischen dem Verteidiger, dem Staatsanwalt und dem richterlichen Beisitzer (gleichfalls) zu Protokoll genommen.

Mit Schriftsatz vom 21. September 1979 (ON 13 d. A.), meldete der Verteidiger das Rechtsmittel der 'Berufung punkto Nichtigkeit und Strafe' an, das das Erstgericht in Ansehung der wegen Nichtigkeit erhobenen Berufung als Nichtigkeitsbeschwerde behandelte und mit Beschluß vom 5. Oktober 1979

(ON 14 d. A.) - entgegen der Vorschrift des § 285 b Abs. 1 StPO. in einer Versammlung von drei Richtern (vgl. dazu 9 Os 179/78) - gemäß § 285 a Z. 1 StPO. als unzulässig zurückwies. In der gegen diesen Beschluß erhobenen Beschwerde behauptet der Verteidiger - dem Sinne nach -, daß der vom Angeklagten abgegebene Rechtsmittelverzicht unwirksam sei, weil er nicht nur unter dem Schock der Verurteilung, sondern auch ohne Beratung mit dem Verteidiger erklärt worden sei. Richtigerweise hätte sich der Vorsitzende wegen der Abgabe einer Rechtsmittelerklärung an ihn als den allein hiezu berechtigten Verteidiger wenden müssen und den Angeklagten nicht zur Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes 'drängen' dürfen.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Abgesehen davon, daß das Vorbringen des Verteidigers, der Angeklagte sei zur Abgabe einer sofortigen Rechtsmittelerklärung (in Richtung eines Rechtsmittelverzichtes) 'gedrängt' worden, sowohl nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles, das als öffentliche Urkunde vollen Beweis über das darin Bekundete macht, als auch nach dem aufklärenden Bericht des Vorsitzenden unzutreffend ist, weshalb der auf die Entscheidung SSt 22/76 gestützte Einwand einer aus diesem Grund gegebenen Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichtes unberechtigt ist, übersieht der Beschwerdeführer, daß eine nach außen hin nicht zum Ausdruck kommende Motivation für eine prozessuale Erklärung, etwa das von ihm behauptete Mißverständnis über eine richtige Rechtsmittelbelehrung infolge Aufregung, für deren Rechtswirksamkeit ohne Belang ist (so schon 13 Os 25/78). Zudem ist unrichtig, daß nur der Verteidiger und nicht auch der Angeklagte eine rechtswirksame Rechtsmittelerklärung abgeben kann. Wohl ist der Verteidiger berechtigt, von sich aus, also ohne besondere Aufträge des Angeklagten, Rechtsmittel zu ergreifen; keinesfalls aber - auch nicht in den Fällen der notwendigen Verteidigung - ist er befugt, Rechtsmittel gegen den ausgesprochenen Willen des Angeklagten anzumelden und/oder auszuführen (EvBl. 1975/40 u. v. a.). Denn er ist der Herr über die Prozeßerklärung und nicht der Verteidiger, der ihn diesbezüglich lediglich zu beraten hat. Aus diesem Grund hat demnach das Gericht zwar den Angeklagten wegen einer allfälligen Rechtsmittelerklärung zu befragen, ihm aber - über sein oder seines Verteidigers Verlangen - die Möglichkeit zu einer Beratung darüber zu gewähren. Ein darauf abzielendes Begehren aber wurde - selbst nach dem Beschwerdevorbringen - vor der vom Angeklagten aus freien Stücken abgegebenen Erklärung - welche ihrem Sinn nach als Rechtsmittelverzicht zu werten ist - nicht gestellt, weshalb der Beschwerde, auch unter diesem Blickwinkel betrachtet, im Hinblick auf die Unwiderruflichkeit des vom Angeklagten abgegebenen Rechtsmittelverzichtes ein Erfolg zu versagen war.

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