OGH 9Os137/79

OGH9Os137/7927.11.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.November 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Zehetmayer als Schriftführer in der Strafsache gegen Viktor A wegen des Verbrechens des schweren Betruges, begangen zum Teil als Beteiligter, nach §§ 146, 147 Abs. 3, 12 StGB. sowie einer anderen Straftat über die von der Staatsanwaltschaft erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3.Juli 1979, GZ. 6 a Vr 3804/79-34, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Pavich zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem freisprechenden Teil und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Viktor A ist weiters schuldig, am 23.Mai 1979

in Wien im Verfahren 6 a Vr 6225/78, Hv 186/78 des Landesgerichtes

für Strafsachen Wien als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur

Sache durch die Angabe 'Ich bleibe dabei, daß B seit 1972 bei mir

beschäftigt war ... ich war aber nicht mit ihm gemeinsam auf der

Bank ... B hat mich nie wegen S 5.000,- angesprochen ..... ich habe

nichts von dem Kredit erhalten' falsch ausgesagt.

Er hat hiedurch das Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB. begangen und wird hiefür und für das ihm laut dem aufrechten Schuldspruch zur Last liegende Verbrechen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB., begangen zum Teil als Beteiligter (§ 12 StGB.), nach §§ 28, 147 Abs. 3 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von 2 1/2 (zweieinhalb) Jahren und gemäß § 389 StPO.

zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft wird aus dem Ersturteil übernommen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9.Oktober 1933 geborene Kaufmann Viktor A des Verbrechens des schweren Betruges, zum Teil als Beteiligter, nach §§ 146, 147 Abs. 3, 12 StGB. schuldig erkannt, weil er in der Zeit vom 30.August 1976 bis Ende Jänner 1977 in Wien zum Teil als Mittäter des Rudolf B und zum Teil als Beteiligter mehreren Bankinstituten betrügerisch einen Schaden von insgesamt S 309.773,- zugefügt hatte. Von der weiters gegen ihn erhobenen Anklage, am 23.Mai 1979 in Wien im Verfahren 6 a Vr 6225/78, Hv 186/78 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Zeuge in der Hauptverhandlung bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt zu haben, wurde er jedoch gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Zum Freispruch stellte das Erstgericht fest, daß der Angeklagte in dem zur oben bezeichneten Aktenzahl gegen Rudolf B geführten Verfahren wegen eines Betruges, der zu dieser Zeit bereits Gegenstand des gegen ihn selbst gesondert geführten Strafverfahrens war (S. 275, 276, 451 d. A.), am 23.Mai 1979 in Bezug auf dieses mit Rudolf B gemeinsam verübte Delikt die aus dem Spruch ersichtlichen subjektiv und objektiv unrichtigen Angaben machte, nachdem er (ordnungsgemäß) darüber belehrt worden war, daß er gemäß § 153 StPO. von der Verbindlichkeit zur Ablegung einer Aussage befreit werden könne (S. 445, 451 d.A.). Bezüglich der von der Staatsanwaltschaft gleichfalls inkriminierten weiteren Aussage 'es ist nicht richtig, daß der ausbezahlte Kredit zwischen B und mir im Verhältnis 130.000 : 20.000 geteilt wurde' gelangte es jedoch zur Annahme, daß deren Unrichtigkeit nicht erweislich ist (S. 429, 448 d.A.). Zur Begründung des Freispruches des Angeklagten vom Vorwurf der falschen Beweisaussage vor Gericht führte das Schöffengericht in den Entscheidungsgründen an, daß sich der Angeklagte bezüglich des in Rede stehenden Betruges - dessen er erst mit dem vorliegenden Urteil schuldig befunden wurde - im Vorverfahren leugnend verantwortet habe, indem er behauptete, (von B) kein Geld bekommen und mit der Rückzahlung des Darlehens durch B gerechnet zu haben. Im wesentlichen die gleichen Angaben habe er als Zeuge im Verfahren gegen B gemacht. Hätte er (der Angeklagte) von dem ihm bekannten Recht nach § 153 StPO. Gebrauch gemacht, wäre dies sachlich nichts anderes gewesen, als das Eingeständnis, daß er sich unter Wahrheitspflicht nicht getraute, seine bisherige Verantwortung aufrecht zu erhalten.

Er habe damit rechnen müssen, seinen Standpunkt im eigenen Verfahren zu verschlechtern, weil ja für diesen Fall zu befürchten war, es werde der Umstand, daß er sich seinerzeit - gemeint im Verfahren gegen B - der Aussage entschlug, bei der Würdigung seiner Aussage in dem gegen ihn anhängigen Strafverfahren herangezogen. Er habe demnach den Befreiungsgrund nicht offenbaren und nur so die schon aus der Offenbarung drohenden Folgen abwenden können und dürfe daher § 290 Abs. 1 Z. 2 StGB. für sich in Anspruch nehmen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der sie sich primär gegen die Annahme eines Aussagenotstandes nach § 290 Abs. 1 Z. 2 StGB. durch das Gericht trotz der gemäß § 153 StPO. erfolgten Belehrung des Angeklagten wendet und im übrigen auch geltendmacht, daß sich der Angeklagte gar nicht in Richtung eines Aussagenotstandes verantwortet habe, sondern damit, daß seine Aussage richtig sei. Der Schuldspruch wegen Betruges blieb unangefochten; der Strafausspruch wird von beiden Parteien mit Berufung bekämpft. Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Nach § 290 Abs. 1 StGB. ist unter anderem nicht zu bestrafen, wer eine falsche Beweisaussage ablegt, um von sich die Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung abzuwenden, wenn er von der Verbindlichkeit zur Ablegung des Zeugnisses befreit hätte werden können und wenn er 1) nicht wußte, daß dies der Fall war, 2) den Befreiungsgrund nicht geoffenbart hat, um die schon aus der Offenbarung drohenden Folgen der bezeichneten Art abzuwenden, oder

3) zur Ablegung der Aussage zu Unrecht verhalten worden ist. Daraus ergibt sich zum einen, daß ein Aussagenotstand im Sinne der zitierten Gesetzesstelle nicht gegeben ist, wenn kein Entschlagungsgrund vorliegt (so schon 10 Os 175/76; vgl. auch Leukauf-Steininger2 1499), zum anderen aber auch, daß Aussagenotstand nicht angenommen werden kann, wenn die Möglichkeit zur Aussageverweigerung unter Bekanntgabe eines Befreiungsgrundes besteht, aus dessen Offenbarung keine Folgen der oben bezeichneten Art drohen (vgl. EvBl. 1976/27). Solche Nachteile können einem Zeugen, der sich nach entsprechender Belehrung in Anbetracht eines gegen ihn beim selben Gericht bereits anhängigen und diesem bekannten Strafverfahrens unter Berufung auf § 153 StPO. der Aussage entschlägt, entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes nicht entstehen, weil die Tatsache der Zeugnisentschlagung kein für die Beweiswürdigung verwertbarer Beweisumstand ist (RZ. 1976/7).

Vorliegend wußte nun der Angeklagte, der nach den Urteilsannahmen über das Entschlagungsrecht nach § 153 StPO.

belehrt worden war, daß er wegen des gegen ihn anhängigen (dasselbe Delikt betreffende) Strafverfahrens von der Verbindlichkeit zur Aussage befreit werden könnte (S. 451 d. A.), ohne weitere Gründe für seine Zeugnisverweigerung angeben zu müssen (EvBl. 1978/61). Er kann sich daher nicht auf Aussagenotstand berufen. Vielmehr haftet er, wenn er sich trotzdem nicht der Aussage entschlug und vorsätzlich - aus welchem Grund immer - falsche Angaben machte, strafrechtlich für die von ihm abgelegte falsche Aussage (so schon EvBl. 1978/61; vgl. dazu auch Leukauf-Steininger2 1500).

Da es sohin der von der Beschwerdeführerin vermißten Feststellung (aus welchen Gründen der Angeklagte den Befreiungstatbestand des § 153 StPO. nicht in Anspruch nahm und in welcher Absicht er falsch aussagte) gar nicht bedarf und die vom Angeklagten nur im Vorverfahren (S. 194, 431) begehrte Vernehmung des Zeugen Gerhard C (zum Nachweis dafür, daß Alfred D heimlich falsche Lohnbestätigungen unter der Firmenzeichnung des Angeklagten ausstellte) nicht erforderlich ist, weil der Angeklagte niemals in Abrede gestellt hatte, die gegenständliche Lohnbestätigung selbst verfaßt zu haben, konnte der Oberste Gerichtshof in der Sache selbst - wie aus dem Spruch ersichtlich - erkennen.

Bei der sohin erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe wurden die Wiederholung der Betrugshandlungen, die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen mehrerer Straftaten als erschwerend gewertet. Mildernd waren hingegen das Teilgeständnis des Angeklagten und der Umstand, daß er zum Teil zu den Straftaten angestiftet wurde und in diesen Fällen nur als Beitragstäter wirkte. Der vom Erstgericht angenommene Milderungsgrund einer teilweisen Schadensgutmachung konnte dem Angeklagten nicht zugute gehalten werden, da die als Rückzahlung geleisteten Beträge bei der Berechnung der Schadenshöhe (als Abzugsposten) berücksichtigt worden sind und sohin nicht Gegenstand des Schuldspruches waren. Bei den gegebenen Strafzumessungsgründen ist die aus dem Spruch ersichtliche Freiheitsstrafe schuld- und tatangemessen. Der Ausspruch über die Anrechnung über die Vorhaft war - im Hinblick auf das Verbot der reformatio in peius, das mangels Anfechtung dieses Teiles der Entscheidung durch die Staatsanwaltschaft zum Tragen kommt - aus dem Ersturteil zu übernehmen, obwohl die dort angeführten Vorhaftzeiten zum Teil - zugunsten des Angeklagten - unzutreffend sind (siehe dazu die Seiten 17, 23, 47, 115 d.A.). Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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