OGH 9Os110/79

OGH9Os110/7927.11.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. November 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Zehetmayr als Schriftführer in der Strafsache gegen Renate A wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. April 1979, GZ. 1 b Vr 4166/78-33, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Bernhauser und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem zu Punkt 2) des Schuldspruchs enthaltenen Ausspruch, wonach die Angeklagte zur Täuschung eine falsche Urkunde benützt hat, und in der rechtlichen Unterstellung des der Angeklagten im Punkt 2) des Schuldspruchs als Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB zur Last liegenden Verhaltens auch unter § 147 Abs. 1 Z 1 StGB sowie demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Renate A wird für die ihr nach den unberührt bleibenden Teilen des Schuldspruchs zur Last fallenden Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB (Punkt 1) und des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB (Punkt 2) nach § 147 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 28 StGB sowie gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 11. Jänner 1977, ProzeßNr. 775/1976, in Verbindung mit dem Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 20. Juni 1977, I. Str. K. Nr. 75/77, zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 (vier) Monaten sowie gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird diese Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihrer Berufung gegen den Strafausspruch wird die Angeklagte auf die vorstehende Entscheidung verwiesen; ihrer Berufung gegen den Zuspruch eines Betrages von 60.000 S an die Privatbeteiligte Landeshypothekenbank für Niederösterreich wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 22. Mai 1949 (in der Urteilsausfertigung unrichtig: 1959) geborene Angestellte Renate A der Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (Punkt 1) des Schuldspruchs) und des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB (Punkt 2) des Schuldspruchs) schuldig erkannt und zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe sowie gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Bezahlung eines Betrages von 60.000 S an die Privatbeteiligte Landeshypothekenbank für Niederösterreich verurteilt.

Sie bekämpft dieses Urteil lediglich im Punkt 2) des Schuldspruchs mit einer auf § 281 Abs 1 Z 9 lit. a und 10

StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, während sie sich mit ihrer Berufung sowohl gegen das Strafausmaß als auch gegen den Zuspruch von 60.000 S an die Privatbeteiligte wendet.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise Berechtigung zu. Nach den zum bekämpften Schuldspruch getroffenen wesentlichen Feststellungen benötigte der abgesondert verfolgte Emmerich B, welcher gleich der Angeklagten im 'Drogenmilieu' verkehrte und einen 'entsprechend unsteten' Lebenswandel führte, im Jänner 1976 zum Ankauf von Rauschgift einen größeren Bargeldbetrag. Da er nicht in der Lage war, anläßlich der beabsichtigten Kreditaufnahme eine Lohnbestätigung beizubringen, stellte die Angeklagte, die aushilfsweise bei der Werbeagentur C tätig war, am 14. Juni 1976 B eine inhaltlich falsche Bestätigung aus, wonach der Genannte seit 4. August 1975 mit einem Monatseinkommen von 12.000 S bei dem genannten Unternehmen beschäftigt sei. B legte hierauf diese Bestätigung seinem Kreditansuchen an die Landeshypothekenbank für Niederösterreich bei, die hierauf ihrerseits an die Firma C GesmbH & Co KG das Formular einer Bestätigung übersandte, worin diese u. a. zur Kenntnis nimmt, daß der 'Obgenannte' (ersichtlich gemeint: Emmerich B) sämtliche pfändbaren (ihm angeblich gegen die Fa. C zustehenden) Gehaltsansprüche an die genannte Bank abgetreten hat. Auch diese Bestätigung wurde von der Angeklagten namens der Fa. C unterschrieben (S. 25 d. A.). Nach ihrem Rücklangen an die Landeshypothekenbank für Niederösterreich zahlte diese am 21. Juni 1976 den in 60 Monatsraten zu 1.560 S ab dem 1. August 1976 rückzuzahlenden Kreditbetrag von 60.000 S an Emmerich B aus. B wurde in der Folge (am 12. Juli 1976) in Algeciras wegen Rauschgiftschmuggels verhaftet und schließlich zu 11 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Er befindet sich zwar wieder auf freiem Fuß, hat jedoch, zumal er (von vornherein) - ungeachtet seiner Verhaftung - infolge seiner 'unklaren Lebens- und Einkommensverhältnisse' hiezu (gar) nicht in der Lage war, keinerlei Rückzahlungsraten geleistet. Die Angeklagte, die inzwischen (am 22. Oktober 1976) in Zürich als Mitglied einer Bande wegen der Einfuhr von Suchtgift in die Schweiz festgenommen und deshalb vom Bezirksgericht Zürich zu einer (im Berufungsverfahren auf zwei Jahre herabgesetzten) Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, war ihrerseits, weil sie bei der Firma C nur aushilfsweise tätig und dann wieder ohne Beschäftigung war, zu einer Rückzahlung des Darlehens nicht in der Lage. Sie hat (zur Tatzeit) eine Schädigung der Bank (in Ansehung des an B gewährten Kredits) erwogen und sich damit billigend abgefunden (S. 250 d. A.).

Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO wendet die Angeklagte ein, das angefochtene Urteil sei hinsichtlich der 'Bereicherungsabsicht' und der 'Schädigungsabsicht' mit Feststellungsmängeln behaftet. Die 'im Urteilstenor getroffene Feststellung', die Angeklagte habe sich unrechtmäßig bereichern wollen, sei durch die Entscheidungsgründe nicht gedeckt, weil allein B der Kreditnehmer gewesen sei. Unter Berücksichtigung dieser Umstände und der Tatsache, daß die Angeklagte, der von B die Darlehensrückzahlung zugesichert worden sei, einerseits von dem Kredit nichts bekommen, andererseits nicht habe wissen können, daß B seiner Verpflichtung nicht nachkomme, hätte es auch in Ansehung der 'Schädigungsabsicht' weiterer Feststellungen bedurft. Diese Rüge versagt.

Der subjektive Tatbestand des Betrugs verlangt - neben dem Täuschungsvorsatz - den Vorsatz, durch die Täuschung eine Vermögensverfügung eines anderen und dadurch eine unmittelbare Vermögensschädigung hervorzurufen (Schädigungsvorsatz), und den (weiteren) Vorsatz, dadurch sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern (Bereicherungsvorsatz), wobei jeweils bedingter Vorsatz genügt; Absicht im Sinne des § 5 Abs 2 StGB ist - entgegen der offenbaren Meinung der Beschwerdeführerin -

in keinem Fall erforderlich.

Soweit die Beschwerdeführerin hinreichende Feststellungen über ihren Schädigungsvorsatz vermißt, so läßt sie die ausdrückliche Konstatierung des Erstgerichts außer acht, wonach die Angeklagte in Ansehung des gegenständlichen, an B ausbezahlten Kredits eine Schädigung der kreditgewährenden Bank erwogen und sich damit (billigend) abgefunden hat (S. 250 d. A.). Damit ist der Schädigungsvorsatz der Angeklagten eindeutig und unmißverständlich festgestellt. Steht der Schädigungsvorsatz aber fest, dann verschlägt es bei der konkreten Fallgestaltung der Subsumtion des Tatverhaltens der Beschwerdeführerin unter den Tatbestand des (gemeinsam mit B begangenen) Betrugs nichts, daß die Urteilsgründe keine gesonderten Konstatierungen zum Bereicherungsvorsatz enthalten, zumal im Urteilsspruch - der insoweit mit den Urteilsgründen eine Einheit bildet - ohnedies bei der unrechtmäßigen Bereicherung auch auf Emmerich B als Mittäter der Angeklagten abgestellt wird und es genügt, wenn der Täter durch das von ihm bewirkte Verhalten des Opfers entweder sein eigenes faktisches Vermögen oder jenes eines Dritten (unrechtmäßig) vermehren will, wobei diese beiden Varianten einander gleichwertig und mithin frei vertauschbar sind. Die Bereicherung, auf die der Tätervorsatz gerichtet ist, stellt das Korrelat zur Schadenszufügung dar und ist gleichsam die Kehrseite des vom Täter zugefügten Schadens, wenngleich sie (grundsätzlich) nicht unbedingt den gleichen Geldwert haben muß (Foregger-Serini MKK2 268; Leukauf-Steininger2 § 146 RN 45

und die dort jeweils zitierte Judikatur und Literatur). Das vom Erstgericht festgestellte, von der Beschwerdeführerin mit Schädigungsvorsatz gesetzte Tatverhalten (Ausstellen der falschen Lohnbestätigung und Bestätigung der Entgegennahme der Erklärung über die Abtretung von gar nicht existenten Lohnansprüchen BS, damit dieser das Darlehen zugezählt erhält, das ihm andernfalls nicht zugezählt worden wäre) impliziert aber schon als solches auch die Annahme, daß die Beschwerdeführerin damit zugleich (auch) eine (unrechtmäßige) günstigere Vermögenslage des B gewollt hat, somit mit dem Vorsatz, den Beteiligten B (unrechtmäßig) zu bereichern, gehandelt hat.

Mithin haften dem Ersturteil Nichtigkeit im Sinne der Z 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO bewirkende Feststellungsmängel zum subjektiven Tatbestand des Betrugs nicht an.

Berechtigt ist die Rechtsrüge jedoch insofern, als aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO die Unterstellung des Betrugs unter die Bestimmung des § 147 Abs 1 Z 1

StGB bekämpft wird.

Schweren Betrug nach der angeführten Qualifikationsnorm begeht u. a., wer zum Zwecke der Täuschung eine falsche oder eine verfälschte Urkunde benützt. Der Fall der verfälschten Urkunde scheidet vorliegend von vornherein aus. Falsch ist eine Urkunde, wenn sie unecht ist, d. h. nicht von demjenigen ausgestellt wurde, der scheinbar ihr Aussteller ist; eine (bloße) Falschbeurkundung (d. i. die Herstellung einer echten Urkunde mit unwahrem Inhalt) ist demnach nicht Herstellung einer falschen Urkunde (ÖJZ-LSK 1978/347 u. a.).

Vorliegend hat die Beschwerdeführerin sowohl die (inhaltlich falsche) Gehaltsbestätigung als auch die Bestätigung der sogenannten Gehaltsabtretung jeweils mit ihrem Namen unterfertigt (vgl. S 23 und 25 d. A.). Beide Urkunden sind mithin echt, woran nichts ändert, daß die Beschwerdeführerin als Angestellte der Firma C im Innenverhältnis zu ihrer Ausstellung nicht berechtigt war. Da die Beschwerdeführerin somit zur Täuschung zwar inhaltlich unrichtige, nicht aber falsche (in der Bedeutung von unechte) Urkunden benützt hat, wurde die in Rede stehende Qualifikationsnorm vom Erstgericht zu Unrecht angenommen, weshalb sie in (teilweiser) Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde auszuschalten war. Bei der hiedurch erforderlichen Strafneubemessung konnte im wesentlichen von den bereits vom Erstgericht festgestellten Strafzumessungsgründen ausgegangen werden, wobei allerdings weiters als mildernd zu berücksichtigen war, daß die Angeklagte zur Tatzeit in ihrer Kritik- und Hemmfähigkeit erheblich eingeschränkt war (vgl. S. 69 d. A.), und daß sie aus der Betrugsstraftat keinen vermögensrechtlichen Vorteil für sich selbst erlangt hat. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist eine Zusatz-Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten schuld- und tatangemessen. Diese Strafe war - wie dies bereits das Erstgericht ausgesprochen hat - gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen.

Mit ihrer Strafberufung war die Angeklagte auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Soweit sich die Angeklagte mit ihrer Berufung aber auch gegen den Zuspruch eines Betrages von 60.000 S an die Privatbeteiligte Landeshypothekenbank für Niederösterreich wendet, wozu sie vorbringt, daß dieser Zuspruch unzulässig gewesen sei, weil die Schadenshöhe nicht feststehe, zumal nicht bekannt sei, welche Beträge Emmerich B mittlerweile bereits bezahlt habe, und im übrigen ein Anerkenntnis der Angeklagten nicht vorliege, ist sie nicht im Recht.

Gemäß § 366 Abs. 2 StPO (nF) hat der Gerichtshof, wenn der Beschuldigte (Angeklagte) verurteilt wird, in der Regel zugleich über die privatrechtlichen Ansprüche des Geschädigten zu entscheiden, wobei eine Verweisung auf den Zivilrechtsweg nur zulässig ist, wenn die Ergebnisse des Strafverfahrens weder an sich noch nach Durchführung einfacher zusätzlicher Erhebungen ausreichen, um auf Grund ihrer über die Ersatzansprüche verläßlich urteilen zu können. Im Falle einer zuzuerkennenden Schadloshaltung muß sowohl der Betrag (seiner Höhe nach) als auch die Person, der er zusteht, mit Zuverlässigkeit beurteilt werden können (§ 369 Abs. 1 StPO). Vorliegend steht jedenfalls ein Betrag von 60.000 S, welcher der Privatbeteiligten gebührt, zuverlässig als Schadloshaltung aus dem betrügerischen Kreditgeschäft eindeutig fest. Das Schöffengericht geht bei dem bekämpften Ausspruch von der - in der Aktenlage, vor allem der Ausage des Zeugen Dr. D gedeckten - Annahme aus, daß auf den Kredit vom Juni 1976 keine Rückzahlungen geleistet wurden, sohin der gesamte Darlehensbetrag im Zeitpunkt der Urteilsfällung unberichtigt aushaftete. Damit ist aber die Höhe des von der Angeklagten zu leistenden Ersatzes - für welchen sie gemeinsam mit B gemäß § 1302 ABGB solidarisch haftet -

mit 60.000 S zuverlässig festgestellt; mit ihrem Mehrbegehren wurde die Privatbeteiligte ohnedies auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Daß ein Zuspruch nur zulässig wäre, wenn ein Anerkenntnis vorliegt, entbehrt einer gesetzlichen Grundlage; das Fehlen eines solchen Anerkenntnisses steht somit dem Zuspruch nicht entgegen. Im aufgezeigten Umfang war mithin der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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