OGH 7Ob51/79

OGH7Ob51/7922.11.1979

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick, Dr. Petrasch, Dr. Wurz und Dr. Jensik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****-KG, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Wolf, Rechtsanwalt in Reutte, wider die beklagte Partei E*****-AG, *****, vertreten durch Dr. Peter Murschetz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 381.200 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. Mai 1979, GZ 1 R 131/79-22, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 26. Februar 1979, GZ 15 Cg 410/77-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 10.634,64 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen 960 S, Umsatzsteuer 716,64 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Friedrich Z***** betrieb auf der in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft EZ 466/II, KG *****, das Hotel „B*****“. Für die Zeit vom 20. 2. 1973 bis 1. 1. 1984 schloss er mit der Beklagten eine Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung mit einer Gesamtversicherungssumme von 800.000 S ab. Mit dem am 16. 6. bzw 21. 6. 1976 abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag (Beilage ./2) errichteten Willi U***** und Friedrich Z***** eine Kommanditgesellschaft mit der Firma „W*****-KG und dem Sitz in *****. Gegenstand dieser Kommanditgesellschaft, die bereits seit dem 1. 1. 1976 besteht und deren Eintragung in das Handelsregister des Landesgerichts Innsbruck am 11. 8. 1976 zu HRA ***** erfolgte, ist der Betrieb des Hotels „B*****“. Willi U***** ist Komplementär der Kommanditgesellschaft, Friedrich Z***** deren Kommanditist. Zum Geschäftsführer wurde Willi U***** bestellt. Friedrich Z***** ist von der Geschäftsführung und Vertretung der Kommanditgesellschaft ausgeschlossen. Punkt 7. lit b) des Gesellschaftsvertrags vom 16. bzw 21. 6. 1976 (Beilage ./2) lautet wie folgt:

„Herr Friedrich Z***** leistet eine Pflichteinlage von 450.000 S, die auf ein festes (fixes) Kapitalkonto zu buchen ist und die Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft feststellt.

Die Hafteinlage von Herrn Friedrich Z***** als Kommanditist beträgt 100.000 S. Die Hafteinlage ist auf die Pflichteinlage anzurechnen. Herr Friedrich Z***** bringt in Anrechnung auf seine Pflichteinlage seinen Gewerbebetrieb Hotel 'B*****', *****, mit allen Aktiven und Passiven einschließlich der Liegenschaft EZ 466/II KG *****, mit Stichtag 1. 1. 1976 in die Gesellschaft ein ... .“

Am 8. 2. 1977 brach im Hotel „B*****“ ein Brand aus, der einen Betriebsunterbrechungsschaden von über 1.000.000 S verursachte. Eine zweite Betriebsunterbrechungsversicherung bestand bei der T*****. Im Falle ihrer Leistungspflicht hätte die Beklagte einen Betriebsunterbrechungsschaden von 381.200 S zu decken.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung des vorgenannten Betrags samt 4 % Zinsen seit 7. 5. 1977. Eine Veräußerung der versicherten Sache sei nicht erfolgt. Friedrich Z***** sei nämlich trotz Einbringung seines Hotelbetriebs in die Kommanditgesellschaft (Klägerin) nach wie vor dessen Gesamthandeigentümer und außerdem noch grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ 466/II, KG *****. Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und behauptet, sie sei nach § 71 Abs 1 VersVG leistungsfrei. Bei ihr sei nicht die Liegenschaft, sondern der Hotelbetrieb des Friedrich Z***** versichert gewesen, der an die Klägerin veräußert worden sei. Von der Veräußerung des Hotelbetriebs sei die Beklagte nicht unverzüglich verständigt worden; sie habe hievon vielmehr erst durch die Schadensmeldung Kenntnis erlangt. Außerdem sei vom neuen Eigentümer die Betriebsunterbrechungsversicherung rückwirkend zum 31. 12. 1975 aufgekündigt worden. Diese Kündigung habe die Beklagte zur Kenntnis genommen.

Das Erstgericht sprach die Beklagte schuldig, der Klägerin 381.200 S samt 4 % Zinsen seit 29. 8. 1977 zu zahlen, und wies das Zinsenmehrbegehren ab. Nach seinen Feststellungen erlangte die Beklagte erst durch die über ein Jahr nach Beginn der Kommanditgesellschaft erstattete Schadensmeldung von der Einbringung des Hotelbetriebs „B*****“ durch Friedrich Z***** in die Gesellschaft (Klägerin) Kenntnis. Das Erstgericht war der Ansicht, dass die Einbringung des Hotelbetriebs „B*****“ in die W*****-KG (Klägerin) keine Veräußerung im Sinne des § 69 VersVG darstelle, weil im Zeitpunkt des Brandes das Interesse des Friedrich Z***** an der Fortdauer der Versicherung bestanden habe. Im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls sei daher noch Friedrich Z***** Versicherungsnehmer gewesen. Weder die Klägerin noch Willi U***** seien daher zur Aufkündigung der Betriebsunterbrechungsversicherung legitimiert gewesen. Die Kündigung vom 27. 4. 1977 (Beilage ./7) sei außerdem nur für den Fall ausgesprochen worden, dass die Beklagte tatsächlich leistungsfrei sein sollte. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es war der Auffassung, dass eine Veräußerung der versicherten Sache im Sinne des § 69 VersVG auch dann vorliege, wenn ein Einzelkaufmann die in seinem Eigentum stehende versicherte Sache in eine Offene Handelsgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft einbringe. Die Anzeige der erfolgten Veräußerung des Hotelbetriebs „B*****“ sei schuldhaft unterlassen worden. Die Beklagte sei daher nach § 71 Abs 1 VersVG leistungsfrei.

Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichts mit Revision aus dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO. Sie beantragt, das bekämpfte Urteil dahin abzuändern, dass ihrem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin beharrt auf ihrer Ansicht, in der Einbringung des Hotelbetriebs „B*****“ durch Friedrich Z***** in die mit Willi U***** gegründete Kommanditgesellschaft sei keine Veräußerung der versicherten Sache im Sinne des § 69 VersVG zu erblicken. Zur Stützung ihrer Auffassung beruft sich die Revisionswerberin auf die Ausführungen Ehrenzweigs in „Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht“, der dort (S 228) die Ansicht vertritt, dass eine Veräußerung der versicherten Sache dann nicht vorliege, wenn ein (in eine Gesellschaft) eintretender Gesellschafter versicherte Sachen einbringt, die gemeinschaftliches Eigentum der Gesellschafter werden. Diese Ausführungen Ehrenzweigs schließen an den von ihm gleich beurteilten Fall des Entstehens einer Offenen Handelsgesellschaft durch den Eintritt eines Gesellschafters in das versicherte Unternehmen eines Einzelkaufmanns an. Sie gehen daher ebenfalls von der Einbringung der versicherten Sache eines Einzelkaufmanns in eine Offene Handelsgesellschaft aus. Die von Ehrenzweig zur Stützung seiner Rechtsansicht zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs SZ 14/211 betraf jedoch das Ausscheiden sämtlicher Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft. Diese Entscheidung erging überdies noch zu § 67 (österr.) VersVG 1917, dessen Wortlaut (bei Veräußerung einer versicherten Sache erlischt das Versicherungsverhältnis mit dem Ausscheiden der Sache aus der Gewahrsame des Veräußerers) von der nunmehrigen Regelung des § 69 VersVG erheblich abweicht. Außerdem bejahte der Oberste Gerichtshof die behauptete Veräußerung der versicherten Sache, sodass seine Ausführungen von der bloßen „Umbildung in der Person des Geschäftsinhabers“ obiter dicta darstellen.

Hier brachte Friedrich Z***** seinen Hotelbetrieb nicht in eine Offene Handelsgesellschaft, sondern in die mit Willi U***** gegründete Kommanditgesellschaft ein, in der er als Kommanditist von der Geschäftsführung und der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen ist (§§ 164, 170 HGB; Punkte 9. und 10. des Gesellschaftsvertrags, Beilage ./2). Allerdings steht auch das in eine Kommanditgesellschaft eingebrachte Vermögen im Gesamthandelseigentum der Komplementäre und der Kommanditisten (Schlegelberger, Kommentar zum HGB4, II, S 1338; RGR Komm zum HGB³, II/2, S 123; Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechtes², S 97; Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht³, II, S 147 f; 7 Ob 36/79). Zu Verfügungen über das Gesellschaftsvermögen sind jedoch nur die Komplementäre der Kommanditgesellschaft berechtigt, die diese Befugnis durch die mit der Vertretung der Gesellschaft befugten Gesellschafter ausüben. Die Bestimmungen der §§ 69-70 VersVG räumen im Falle eines Wechsels in der Person des Versicherten durch Veräußerung der versicherten Sache bei vorläufig fortdauernder Deckung dem Erwerber und dem Versicherer das Recht ein, das Versicherungsverhältnis aufzukündigen. Dem Versicherer kann nämlich der ihm aufgezwungene Versicherungsnehmer bedenklich erscheinen, während der Erwerber der versicherten Sache einen anderen Versicherer vorziehen will oder möglicherweise keinen Versicherungsschutz mehr wünscht (VersSlg 26). Gründet ein Einzelkaufmann mit einem anderen eine Kommanditgesellschaft und bringt in diese als Kommanditist ein versichertes Unternehmen ein, so ist die Rechtslage für den Versicherer nicht anders, als wenn das Unternehmen verkauft wird. Auch in diesem Falle tritt die Kommanditgesellschaft in das Versicherungsverhältnis nach § 69 VersVG an Stelle des bisherigen Versicherungsnehmers ein, dem als Kommanditisten keinerlei Verfügungsrechte über das versicherte Unternehmen mehr zustehen. Durch diese Transaktion wird dem Versicherer ebenfalls ein neuer Versicherungsnehmer aufgezwungen, den er im Hinblick auf die Regelung des § 70 VersVG nicht akzeptieren muss.

Der Oberste Gerichtshof folgt daher der im Schrifttum und in der Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland vertretenen Auffassung, dass unter Veräußerung der versicherten Sache jede Eigentumsübertragung durch rechtsgeschäftliche Einzelrechtsnachfolge zu verstehen ist (Bruck/Möller/Sieg, Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz8, II, S 843; Böhme: „Die Veräußerung versicherter Sachen“ in der Zeitschrift „Der Betriebsberater“ 1957, S 167; Prölss/Martin, VersVG21, S 391; RGZ 117, 270, 144, 395 uam). Darunter fällt aber auch die Einbringung einer versicherten Sache durch einen Kommanditisten in eine neu gegründete Kommanditgesellschaft (Bruck/Möller/Sieg aaO S 843; Prölss/Martin aaO S 392; Böhme: „Der Betriebsberater“ aaO S 167). Ob diese auch bei der Einbringung einer versicherten Sache in eine Offene Handelsgesellschaft durch einen Gesellschafter gilt, braucht hier nicht untersucht zu werden.

Grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ 466/II, KG *****, ist allerdings noch Friedrich Z*****. Objekt der Betriebsunterbrechungsversicherung ist aber nicht diese Liegenschaft, sondern der von Friedrich Z***** seinerzeit geführte Hotelbetrieb „B*****“, der als Unternehmen durch Einräumung der Unternehmerstellung (an die Revisionswerberin) übertragen wurde. Zur Übertragung des Eigentums an den zum Unternehmen gehörigen Einzelsachen bedarf es hingegen der hiefür vorgeschriebenen Rechtsakte (Klang², II, S 40; Koziol/Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes5, II, S 14 f; JBl 1975, 208). Hier ist die Einräumung der Unternehmerstellung an die Revisionswerberin bereits mit dem Zeitpunkt der vereinbarten Wirksamkeit der Kommanditgesellschaft (1. 1. 1976) eingetreten.

Nach § 71 Abs 1 VersVG ist die Veräußerung der versicherten Sache dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Wird die Anzeige weder vom Erwerber noch vom Veräußerer erstattet, so ist der Versicherer von der Leistung frei, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen. Die Beklagte erhielt erst durch die Schadensmeldung von der Gründung der Kommanditgesellschaft Kenntnis (Revisionswerberin). Im Zeitpunkt des Eintritts des Schadensfalls am 8. 2. 1977 war daher die einmonatige Frist des § 71 Abs 1 VersVG längst abgelaufen. Mit Recht bejahte daher das Berufungsgericht die von der Beklagten behauptete Leistungsfreiheit nach § 71 Abs 1 VersVG.

Der Revision der Klägerin war somit nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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