OGH 12Os93/79

OGH12Os93/7922.11.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.November 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Lehmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Gustav A wegen des Vergehens der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG. über die vom Angeklagten und der Staatsanwaltschaft Steyr gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 24.Mai 1978, GZ. 7 b Vr 108/78-9, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Vlasek, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13.Jänner 1928 geborene Industriekaufmann und Techniker Gustav A des Vergehens der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG. schuldig erkannt, weil er in den Jahren 1975 und 1976 vorsätzlich unter Verletzung seiner Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG. 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer im Gesamtbetrag von 633.021 S dadurch (zu bewirken) versuchte, daß er seinen Steuerberater Dr. Wolfgang B nur mangelhaft mit Buchhaltungsunterlagen versorgte, wodurch die Abschlußrechnungen für die Baustellen Brauerei C und D mit Gesamtbeträgen von 2,193.765 S und 1,683.898 S in den jeweils fälligen monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen nicht erwähnt wurden.

Von der weiteren Anklage, er habe in der Zeit vom Jänner 1975 bis zum 8.Februar 1977 in Kirchdorf überdies dadurch, daß er keine Umsatzsteuerjahreserklärung 1975

abgab und die im Schuldspruch angeführten Beträge überdies auch nicht in seiner Berufung vom 27.Jänner 1977

gegen den Umsatzsteuerbescheid des Finanzamtes Kirchdorf für das Jahr 1975 erklärte, eine Verkürzung der Umsatzsteuer zu bewirken versucht und hiedurch das Vergehen der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs. 1

FinStrG. begangen, wurde Gustav A gemäß § 259 Z. 3

StPO. freigesprochen.

Gegen dieses Urteil erhoben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen. Während der Angeklagte seinen Schuldspruch ohne ziffernmäßige Anführung eines Nichtigkeitsgrundes, der Sache nach jedoch aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. bekämpft, ficht die Staatsanwaltschaft das Urteil seinem gesamten Inhalt nach unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit. a und 10 der zitierten Gesetzesstelle an.

Rechtliche Beurteilung

Beiden Nichtigkeitsbeschwerden kommt Berechtigung zu.

§ 33 FinStrG. normiert in den Abs. 1 und 2 (beide ergänzt durch Abs. 3 und 4) verschiedene Tatbestände, die unter der gemeinsamen Bezeichnung 'Abgabenhinterziehung' zusammengefaßt sind. Während sich nach § 33 Abs. 1

FinStrG. der Abgabenhinterziehung schuldig macht, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt, setzt der Spezialtatbestand nach Abs. 2 lit. a leg. cit. (bzw. jener bis zum Inkrafttreten der Finanzstrafgesetznovelle 1975 geltende des § 33 a FinStrG. alte Fassung /i.d.F. des Art. V Z. 4 EGUStG., BGBl. 224/1972 /) voraus, daß der Täter vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG. 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hält (wider besseres Wissen handelt). Eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer ist demnach nur bei Wissentlichkeit des Täters (im Sinne des § 5 Abs. 3 StGB.) nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. gerichtlich strafbar, wogegen ein Handeln mit bloß bedingtem Vorsatz bei diesem Hinterziehungstatbestand - anders als bei Bewirken einer Umsatzsteuerverkürzung gemäß § 33 Abs. 1

FinStrG. - keine gerichtlich strafbare Handlung, sondern nur allenfalls eine Finanzordnungswidrigkeit (§ 49 Abs. 1 FinStrG.) begründet.

Wie vom Angeklagten und von der Staatsanwaltschaft - von jener insoweit zugunsten des Angeklagten - zutreffend als Urteilsnichtigkeit im Sinne der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. geltend gemacht wird, ging das Erstgericht demgegenüber von der rechtsirrigen Auffassung aus, daß bei Bewirken einer Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG. 1972 entsprechenden Voranmeldungen schon dolus eventualis genüge, denn es legte seiner Entscheidung die Annahme zugrunde, der Angeklagte habe, indem er seinem Steuerberater Dr. Wolfgang B die Buchhaltungsunterlagen über die Bauprojekte Brauerei C und D nicht weitergab, und dadurch bewirkte, daß die Abschlußrechnungen für diese Baustellen in den jeweils fälligen monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen nicht erwähnt wurden, zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt (vgl. S. 89, 93 f. und 96 d. A.). Zur Verwirklichung des Finanzvergehens der (versuchten) Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. reicht aber nicht aus, daß der Täter die Herbeiführung des tatbildmäßigen Erfolges bloß ernstlich für möglich hält und sich mit ihm abfindet. Um das inkriminierte Tatverhalten diesem Tatbestand unterstellen zu können, hätte es somit positiver Feststellungen darüber bedurft, ob der Angeklagte - was vom Erstgericht aber auch nicht mit hinreichender Deutlichkeit ausgeschlossen wurde - mit Bestimmtheit mit einer Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer als Folge seiner Unterlassung rechnete, den Eintritt dieses Erfolges somit für gewiß hielt.

Berechtigt ist ferner der auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. gestützte Beschwerdeeinwand der Staatsanwaltschaft, das Urteil sei im Ausspruch über entscheidende Tatsachen mangelhaft begründet, weil das Erstgericht zwar einerseits annahm, der Angeklagte habe bei Übergabe der Bauten an die Brauerei C und an die Firma D im Laufe des Jahres 1975 oder 1976 gewußt, daß diese Geschäftsfälle in den übernächsten monatlichen Umsatzvoranmeldungen als Umsätze zu erklären seien, andererseits aber offenließ, ob er seiner Informationspflicht gegenüber seinem Steuerberater dolo principali oder dolo eventuali nicht zeitgerecht und nicht vollständig nachgekommen sei, und ob ihm tatsächlich klar war (und nicht nur 'klar sein mußte' - vgl. S. 93 d.A.), daß es hiedurch zwangsläufig zu Verkürzungen von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer kommen werde.

Zufolge der aufgezeigten Feststellungs- und Begründungsmängel war daher der Schuldspruch des Angeklagten in Stattgebung beider Nichtigkeitsbeschwerden aufzuheben.

Eine Urteilsaufhebung erweist sich überdies auch in Ansehung des von der Staatsanwaltschaft bekämpften Freispruchs als unvermeidlich. Mit Recht wendet sich diese in Ausführung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO.

zunächst gegen die Auffassung des Erstgerichtes, daß zwischen der Unterlassung der Abgabe der Umsatzsteuererklärung 1975 und der unrichtigen Ausführung der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid des Finanzamtes Kirchdorf einerseits und der Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. deren Unterlassung andererseits Tateinheit bestünde, erstere sohin nicht einer gesonderten strafrechtlichen Beurteilung unterlägen.

Zwar treten selbständig strafbare Vorbereitungshandlungen zu einem Delikt hinter dem Versuch und umsomehr hinter der Vollendung eben dieses Deliktes zurück (Leukauf-Steininger2 Anm. 63 bis 65 zu § 28 StGB.). Diese stillschweigende Subsidiarität umfaßt allerdings lediglich Vorbereitungshandlungen im technischen Sinn. Die Straflosigkeit tritt aber nur ein, wenn die Bedeutung des betreffenden selbständigen Deliktes sich wirklich in der Vorbereitung des dann versuchten bzw. vollendeten Deliktes erschöpft (Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl. 1978 S. 401). Bei der Begehungsform der Abgabenhinterziehung des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. sind Tatobjekt und geschütztes Rechtsgut die Umsatzsteuervorauszahlung, also nur die Beeinträchtigung der Umsatzsteuer im Voranmeldungsstadium, während die Vorschrift des § 33 Abs. 1 FinStrG. dem Schutz (unter anderem) der bescheidmäßig festzusetzenden Umsatzsteuer selbst dient (siehe Fellner, Komm. zum FinStrG. Anm. 43 und 45 zu § 33; siehe auch § 33 Abs. 2 FinStrG.:

'Der Abgabenhinterziehung macht sich weiters schuldig, ...'). Eine Steuereinnahme wird nicht nur dann verkürzt, wenn sie überhaupt nicht eingeht, sondern auch dann, wenn sie ganz oder teilweise, dem Steuergläubiger nicht in dem Zeitpunkt zukommt, in dem er darauf gesetzlich Anspruch hat (Sommergruber, Das Finanzstrafgesetz S. 207).

Abgesehen vom bereits erwähnten Unterschied in der Schuldform, § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. setzt Wissentlichkeit voraus, während nach § 33 Abs. 1 FinStrG. Vorsatz, auch in der Form des bedingten Vorsatzes, genügt, erschöpft sich die Bedeutung der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. nicht in der Vorbereitung der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG. Denn durch die Verletzung der Verpflichtung zur Umsatzsteuervorauszahlung ist bereits die Abgabenverkürzung nach § 33 Abs. 2

lit. a FinStrG. eingetreten. Die Abgabenverkürzung nach § 33 Abs. 1 FinStrG. wird hingegen in der Regel bedeutend später bewirkt. Das Erstgericht stellt zwar fest, daß der Angeklagte die Umsatzsteuerjahreserklärung 1975 und die Einbekennung der aus den Abschlußrechnungen für die Baustellen Brauerei C und Firma D resultierenden Beträge als umsatzsteuerpflichtig nicht vorsätzlich unterließ (vgl. S. 94, 95, 98 d.A.). Andererseits kommt es aber zu der Feststellung, daß der Angeklagte zumindest mit bedingtem Vorsatz durch die Nichtweitergabe der Buchhaltungsbelege an Dr. B in Kauf genommen hat, daß die Beträge der Baustellen C und D mit den Summen von 2,193.765 S bzw. 1,683.898 S als Umsätze in den Jahren 1975 bzw. 1976 in den Umsatzsteuervoranmeldungen nicht einbekannt wurden (S. 83 und 89 d. A.). Das Erstgericht unterläßt eine Feststellung, ob der Vorsatz des Angeklagten bei der Nichtweitergabe der Buchungsbelege an seinen Steuerberater ausschließlich auf eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer oder aber darüber hinaus auch auf eine Verkürzung der Umsatzsteuer selbst gerichtet war. Auch wenn dabei mangels Ausführungsnähe des Tatverhaltens zum tatbestandmäßigen Erfolg nach § 33 Abs. 1 FinStrG. das Verhalten des Angeklagten noch im Vorbereitungsstadium gelegen ist, hätte sich doch aus dem inneren Vorhaben des Angeklagten bei der Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen unter Umständen auch Rückschlüsse auf das Vorliegen eines (zumindest bedingten) Vorsatzes in Bezug auf eine Verkürzung der Umsatzsteuer selbst, durch Unterlassung der Abgabe der Umsatzsteuerklärung für das Jahr 1975 und die unrichtige Ausführung in der Berufung vom 27.Jänner 1977, ziehen lassen. Das Erstgericht hat mit dem bloß allgemein gehaltenen Hinweis auf die Nachlässigkeit und Schlampigkeit des Angeklagten seine Überzeugung nur unzureichend begründet, daß der Angeklagte durch Unterlassung der Umsatzsteuerjahreserklärung 1975 und bei Unterzeichnung der Berufung vom 27.Jänner 1977 das Vergehen der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs. 1 FinStrG. nicht begangen hat. Die Beurteilung der inneren Tatseite in Ansehung der Verkürzung einer Umsatzsteuervorauszahlung und der versuchten Verkürzung der Umsatzsteuer selbst, steht so gesehen beweismäßig in einem so engen Zusammenhang, daß eine Aufhebung des Schuldspruchs auch eine Urteilsaufhebung im freisprechenden Teil nach sich ziehen muß. Es war sohin, ohne daß es eines Eingehens auf die von der Staatsanwaltschaft vorgebrachten weiteren Beschwerdepunkte bedurfte, spruchgemäß zu erkennen und die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen. Im neuen Verfahren wird das Erstgericht mängelfrei begründete Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu treffen haben. In rechtlicher Hinsicht wird zu beachten sein, daß die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. vollendet ist, sobald die Abgabe ganz oder teilweise nicht entrichtet (abgeführt) wurde, denn damit ist die Abgabenverkürzung bewirkt (§ 33 Abs. 3 lit. b FinStrG.).

Durch die vorsätzliche Verletzung der Abgabe von, dem Umsatzsteuergesetz (§ 21) entsprechenden Voranmeldungen liegt bei Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen das Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. vor, nicht aber gleichzeitig das der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG. Denn bei der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG. geht dem Bewirken der Abgabenverkürzung unmittelbar die Einreichung der Steuererklärung voraus (Sommergruber, Das Finanzstrafgesetz S. 80). Die unrichtige Führung von Büchern und Aufzeichnungen bzw. die mangelnde Versorgung des Steuerberaters mit Buchhaltungsunterlagen ist bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben selbst bei Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen noch nicht als versuchte Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG. zu beurteilen. Es handelt sich vielmehr um eine Vorbereitungshandlung und keine der Ausführung unmittelbar vorausgehenden Handlung im Sinne des § 13 Abs. 2 FinStrG. (siehe Fellner, Komm. zum FinstrG. Anm. 10 zu §§ 13 und 14 FinStrG., Leukauf-Steininger2 Anm. 6 bis 11, 15, 16 zu § 15 StGB.; EvBl. 1975/282, SSt. 46/51 u.a.).

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