OGH 13Os133/79

OGH13Os133/7915.11.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.November 1979

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Böhm-Hiller als Schriftführers in der Strafsache gegen Gerhard Helmut Josef A wegen Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 1 und 2 StGB. und eines anderen Deliktes über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengerichts vom 9.Juli 1979, GZ. 22 Vr 61/79-10, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Keul und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches nur in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Gerhard Helmut Josef A wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe im Juli 1978 in Ansfelden beziehungsweise Linz dadurch, daß er

1.) einen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses auf den Namen seiner Ehefrau Rita A stellte und die Unterschrift fälschte und so bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land einbrachte, eine falsche Urkunde mit dem Vorsatz hergestellt, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweise eines Rechtes beziehungsweise einer Tatsache gebraucht werde und diese falsche Urkunde im Rechtsverkehr zu diesem Zweck gebraucht; 2.) den zu 1.) genannten falschen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land einbrachte und diesem Antrag das Paßfoto der Renate B beischloß, bewirkt, daß gutgläubig ein Recht beziehungsweise eine Tatsache, nämlich die Identität der Rita A in einer inländischen öffentlichen Urkunde unrichtig beurkundet werde, wobei er mit dem Vorsatz handelte, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis des Rechtes beziehungsweise der Tatsache gebraucht werde, und hiedurch zu 1.) das Vergehen der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 1 und 2 StGB. und zu 2.) das Vergehen der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach dem § 228 Abs. 1 StGB. begangen, gemäß dem § 259 Z. 4 StPO. freigesprochen. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengerichtes wurde der Angeklagte Gerhard Helmut Josef A des Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 1 und 2 StGB. sowie des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach dem § 228 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen faßte der Angeklagte Mitte des Jahres 1978 den Plan, sich einen neuen Reisepaß zu verschaffen, der auf den Namen seiner damaligen Ehefrau Rita A lauten, aber mit dem Lichtbild seiner damaligen Freundin Renate B (die er inzwischen nach Scheidung von Rita A am 4.April 1979 am 19. Mai 1979 geheiratet hat) versehen sein sollte, damit er dieses Mädchen nach Saudi-Arabien, das die Einreise mit einer anderen Frau als der eigenen Ehegattin nicht gestattet, mitnehmen könne. Zu diesem Zweck beantragte er die Ausstellung eines neuen Reisepasses auf den Namen Rita A, wobei er die Unterschrift seiner Ehefrau auf dem Antragsformular nachmachte und diesen Antrag, mit einem Lichtbild der Renate B versehen und unter Anschluß des bisherigen Reisepasses der Rita A, bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land einreichte.

Die Behörde stellte daraufhin am 11.Juli 1978 einen Reisepaß auf den Namen Rita A, versehen mit dem Foto der Renate B, aus. Diesen Paß holte die Mutter des Angeklagten im August 1978 von selbst ab und verwahrte ihn bis zur vorläufigen polizeilichen Beschlagnahme am 27. August 1978 in ihrer Wohnung.

Gegen diesen Schuldspruch wendet sich der Angeklagte mit einer den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. anrufenden Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er das Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 StGB. und - nur zum Vergehen nach dem § 228 Abs. 1 StGB. - tätige Reue nach dem § 226 Abs. 1 (in Verbindung mit dem § 228 Abs. 3) StGB behauptet.

Rechtliche Beurteilung

Vorausgeschickt sei, daß die Verurteilung des Angeklagten nach dem § 223 Abs. 1 und Abs. 2 StGB. nicht dem Gesetz entspricht. Denn die Vorschrift des § 223 Abs. 1

StGB. stellt eine selbständig vertypte Vorbereitungshandlung zur Straftat nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle dar (vgl. Kienapfel in JBl. 1973, S. 498), deren selbständige Strafbarkeit jedoch erlischt, wenn derselbe Täter darnach von der falschen Urkunde entsprechend seinem vorgefaßten Vorsatz selbst Gebrauch macht und deswegen nach dem § 223 Abs. 2 StGB. strafbar wird. In diesem Falle reduziert sich die Herstellung der falschen Urkunde auf eine 'nachbestrafte und daher straflose Vortat'.

Der im Schrifttum vertretenen gegenteiligen Ansicht (nur Unterstellung unter § 223 Abs. 1 StGB.: vgl. Reissig-Kunst2, Anm. 4 zu § 223 StGB.; Mayerhofer-Rieder, Anm. 6 zu § 223 StGB., bzw. - wie vorliegend vom Erstgericht angenommen - Unterstellung unter § 223 Abs. 1 und 2 StGB.:

Foregger-Serini, Anm. V zu § 223 StGB., Wegscheider in RZ. 1976, 172 ff.) vermag sich der Oberste Gerichtshof unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung nicht anzuschließen (vgl. ÖJZ-LSK. 1977/299; EvBl. 1978/187 u.a.):

Der Fälscher, der - wie der Angeklagte nach Meinung des Erstgerichtes - die von ihm hergestellte falsche (oder auch verfälschte) Urkunde selbst im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht, haftet nur nach Abs. 2 des § 223 StGB.

Es kann darüber hinaus aber dahingestellt bleiben, ob das in Rede stehende schlichte Antragsformular überhaupt 'im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache' gebraucht und der Angeklagte demgemäß rechtsrichtig - auch - des Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 2 StGB.

schuldig erkannt wurde: Denn es liegen hier jedenfalls die Voraussetzungen der Norm des § 42 Abs. 1 StGB. vor, und zwar aus folgenden Gründen:

Ein - wie hier - mit nicht mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohtes Offizialdelikt ist nicht strafbar, wenn 1. die Schuld des Täters gering ist, 2. die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies 3. eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Täter von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Von geringer Schuld in der Bedeutung der Bestimmung des § 42 Abs. 1 Z. 1 StGB. kann (nur) dann gesprochen werden, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters erheblich hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsund Schuldgehalt zurückbleibt, sich also von der Untergrenze der Strafwürdigkeit bloß unwesentlich entfernt. Dies trifft vorliegend zu. Wenn man das Tatmotiv und den Umstand in Betracht zieht, daß der ausgestellte Reisepaß dem ihm zugedachten Verwendungszweck gar nicht zugeführt wurde, weil dem Angeklagten (bzw. seiner Mutter) der Aktenlage nach offenbar Bedenken aufstiegen, sodaß das Dokument nicht von ihm, sondern von seiner Mutter abgeholt und verwahrt wurde, ist nach den besonderen Gegebenheiten dieses Falles tatsächlich 'geringe Schuld' zu bejahen, wenngleich dies beim Delikt der Urkundenfälschung nur ausnahmsweise zutreffen mag. Angesichts des in erster Instanz festgestellten Sachverhaltes läßt sich aber auch nicht sagen, daß die Tat andere als unbedeutende Folgen nach sich zog (§ 42 Abs. 1 Z. 2 StGB.). Des weiteren ist eine Bestrafung - aus spezialpräventiven Erwägungen - ersichtlich nicht geboten, weil der Angeklagte reumütig geständig und vollkommen unbescholten ist und schon die näheren Tatumstände gegen Rückfallsgefahr sprechen. Die Besonderheiten dieses Falles erfordern schließlich auch aus generalpräventiven Überlegungen keine Bestrafung (§ 42 Abs. 1 Z. 3 StGB.), weshalb alle Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 StGB. erfüllt sind.

Das Ersturteil leidet darum an Nichtigkeit gemäß dem § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO., weil durch den Ausspruch über die Frage, ob die Voraussetzungen des § 42 StGB. gegeben seien, ein Gesetz unrichtig angewendet wurde.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war der Angeklagte folglich unter Aufhebung des erstinstanzlichen Schuldspruchs gemäß dem § 259 Z. 4 StPO. freizusprechen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte