Spruch:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde wird verweigert.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Der Angeklagte Friedrich A, der sich nach der Urteilsverkündung Bedenkzeit vorbehalten hatte, meldete am 16. Juli 1979, sohin innerhalb offener Frist, durch seinen bevollmächtigten Verteidiger (Dr. Konrad B) gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Juli 1979, mit dem er wegen des Verbrechens der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach §§ 15, 209 StGB.
zu einer (gemäß § 43 Abs. 1 StGB. auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden war, das Rechtsmittel der Berufung an (vgl. ON. 11). Nach Urteilszustellung (am 23. Juli 1979) brachte der Verteidiger am 1. August 1979 nicht nur die angemeldete Berufung zur fristgerechten Ausführung, sondern unter dem Titel 'Berufungsausführung' auch eine (auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 4 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützte) Nichtigkeitsbeschwerde (vgl. ON. 13).
Mit dem angefochtenen Beschluß hat hierauf der zuständige Senatsvorsitzende des Landesgerichtes für Strafsachen Wien die Nichtigkeitsbeschwerde als verspätet angemeldet gemäß § 285 a Z. 1 StPO. zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten dagegen erhobene Beschwerde, in der er im wesentlichen vorbringt, die Bezeichnung des von ihm angemeldeten Rechtsmittels als 'Berufung' vermöchte ihm als bloßes Vergreifen in der Benennung nicht zu schaden, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde als rechtzeitig angemeldet anzusehen sei, ist nicht begründet:
Wohl hängt die Beurteilung, welches Rechtsmittel ein Angeklagter angemeldet hat, nicht vom Wortlaut seiner Erklärung, sondern von deren Sinn ab (SSt. 31/105), und kann demgemäß auch ein als 'Berufung' bezeichnetes Rechtsmittel unter Umständen als Nichtigkeitsbeschwerde zu behandeln sein;
dies aber nur dann, wenn bei der Rechtsmittelanmeldung eine Nichtigkeit behauptet wird (vgl. EvBl. 1947 Nr. 40). Da nun im gegenständlichen Fall der Verteidiger den betreffenden Schriftsatz ausdrücklich als 'Berufungsanmeldung' bezeichnete und darin zudem ausführte, innerhalb offener Frist gegen das Urteil 'Berufung' anzumelden, kann von einem bloßen Vergreifen in der Bezeichnung keine Rede sein. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wurde daher zu Recht als verspätet zurückgewiesen.
Ebenso unbegründet wie die Beschwerde erweist sich aber auch der Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten:
Denn angesichts dessen, daß der (sonst nicht mit derartigen Agenden befaßten: vgl. S. 81) Kanzleileiterin Brigitte C schon insofern ein Versehen unterlaufen war, als sie, entgegen der ausdrücklichen Weisung des Verteidigers (vgl. S. 76), lediglich eine Berufungsanmeldung und nicht auch eine solche der Nichtigkeitsbeschwerde vorbereitet hatte, durfte es der Verteidiger - wenn er schon den nach seinen Intentionen unvollständigen Schriftsatz vor dessen Ergänzung unterfertigte - nicht bei einem bloßen Korrekturauftrag an die Angestellte bewenden lassen, sondern wäre er unter diesen Umständen gehalten gewesen, persönlich nach dem Rechten zu sehen, d.h. also, die Rechtsmittelanmeldung zu überprüfen, bevor sie zur Post gegeben wurde.
Da es mithin dem Angeklagten nicht gelungen ist, unabwendbare Umstände, aus welchen ohne sein bzw. seines Vertreters Verschulden die rechtzeitige Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde unterblieb, darzutun, war spruchgemäß zu entscheiden.
Über die rechtzeitig ausgeführte Berufung des Angeklagten wird der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu erkennen haben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)