Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 7.April 1940 geborene Kellnerin Irmgard A des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB. und des Vergehens der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach § 289 StGB. schuldig erkannt. Nach den Urteilsannahmen hat sie in Wien (ihren geschiedenen Ehegatten) Norbert B am 15.September 1978 in einer an das Bezirkspolizeikommissariat Landstraße gerichteten Anzeige und am 20. Oktober 1978 anläßlich ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme vor diesem Bezirkspolizeikommissariat zu dieser Anzeige durch die Behauptung, ihre auf dem von Norbert B über einen Betrag von 95.000 S ausgestellten und zum Inkasso weitergegebenen Wechsel aufscheinende Unterschrift als Akzeptantin stamme nicht von ihrer Hand, somit durch die wissentlich falsche Verdächtigung wegen einer von Amts wegen zu verfolgenden , mit (einer ein Jahr übersteigenden) Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 StGB., der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt und überdies am 20.Oktober 1978 als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache vor dem Bezirkspolizeikommissariat Landstraße durch die Angabe, den vorerwähnten Wechsel niemals angenommen und einen solchen nie unterschrieben zu haben, falsch ausgesagt. Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte mit einer auf die Z. 4, 5, 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Mit dem Vorbringen zum erstangeführten Nichtigkeitsgrund, das Erstgericht hätte im Interesse der Wahrheitsfindung nicht die - in der Hauptverhandlung zur Verlesung gebrachten - Angaben des Norbert B als Beschuldigter vor der Polizei dem Schuldspruch zugrundelegen und sich auch mit der Entschlagung dieses Zeugen von der Aussage in der Hauptverhandlung nicht zufriedengeben dürfen, bringt die Beschwerdeführerin weder den angerufenen noch einen anderen der in der Strafprozeßordnung (§§ 281 und 281 a) erschöpfend aufgezählten Nichtigkeitsgründe zur Darstellung. Ein Verfahrensmangel in der Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 4 des § 281 Abs. 1 StPO. kommt hier schon mangels der zur Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes erforderlichen formellen Voraussetzung einer diesen Zeugen oder dessen Aussage betreffende Antragstellung der Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung nicht in Betracht. Da es sich bei diesem Zeugen um den geschiedenen Ehegatten der Angeklagten handelt, dem die hier maßgebliche Bestimmung des § 152 Abs. 1 Z. 1 StPO. ausdrücklich ein unbedingtes und von den Voraussetzungen des § 153
StPO. unabhängiges Entschlagungsrecht einräumt, von dem er als eine nur ihn (nicht aber die Angeklagte) begünstigende Rechtswohltat ohne nähere Angabe der Gründe Gebrauch machen durfte, scheidet auch der Nichtigkeitsgrund der Z. 3 des § 281 Abs. 1 StPO. aus. Die Nichtigkeitssanktion des § 152 Abs. 3 StPO. erstreckt sich nur auf den hier nicht in Betracht kommenden Fall der Aussage eines Zeugen, der auf sein Recht, sich des Zeugnisses zu entschlagen, nicht ausdrücklich verzichtet hat. Hingegen stand der Umstand, daß der Zeuge B in der Hauptverhandlung von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch gemacht hatte, der Verlesung seiner vor der Polizei als Beschuldigter gemachten Angaben nicht entgegen (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer, E.Nr. 44 a zu § 152 StPO.); deren Verlesung in der Hauptverhandlung war vielmehr gemäß § 252 StPO. geboten. Die Bezugnahme im Ersturteil auf diese in der Hauptverhandlung verlesenen Angaben, die Norbert B vor der Polizei als Beschuldigter gemacht hatte, findet entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung in der Bestimmung des § 258 Abs. 1 StPO. volle Deckung.
Berechtigt ist hingegen die Beschwerde soweit mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO. die Abweisung des vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Beiziehung eines weiteren (ständig beeideten) Schriftsachverständigen durch das Erstgericht gerügt wird. Mit diesem Beweisantrag sollte dargetan werden, daß die Urheberschaft einer anderen (von der Beschwerdeführerin verschiedenen) Person an der strittigen Wechselunterschrift nicht ausgeschlossen werden könne.
Nach § 118 Abs. 2 StPO. ist ein zweiter Sachverständiger (nur dann) beizuziehen, wenn es wegen der Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung erforderlich ist.
Der vorliegende Schuldspruch gründet sich im wesentlichen auf die (in der Hauptverhandlung verlesene) Verantwortung des Norbert B im Vorverfahren, vor allem aber auf das Gutachten des graphologischen Sachverständigen. Dem Sachverständigen lag zur Begutachtung jedoch nur eine aus wenigen Buchstaben bestehende Schrift ('B Irmgard') auf dem Originalwechsel vom 1.September 1976 vor.
Diese Aufgabe muß als schwierig bezeichnet werden, da die Unterschrift eine zweite, schwach eingefärbte Strichspur zeigt und unmotivierte Bewegungsunterbrechungen im Zunamen sowie Bewegungsunsicherheiten aufweist, Störungen, die nach den Ausführungen des Sachverständigen (S. 57) ihre Ursache in einem Verstellungs- oder Nachahmungsstreben haben können. Die Schwierigkeit der Begutachtung erfordert somit im vorliegenden Fall die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen. Durch die Abweisung des in dieser Richtung zielenden Beweisantrages des Verteidigers wurden somit Verteidigungsrechte der Angeklagten verletzt.
Der auf § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO. gegründeten Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen, ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren geltend gemachten Nichtigkeitsgründe bedurfte.
Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Im neuen Verfahren wird das Erstgericht den Originalwechsel beizuschaffen und den Akten anzuschließen haben.
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