OGH 13Os136/79

OGH13Os136/798.11.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.November 1979

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Böhm-Hiller als Schriftführers in der Strafsache gegen Kurt A und andere wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 StGB.

über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Gerhard B und die Berufung des Angeklagten Kurt A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 6. Juli 1979, GZ. 20 t Vr 1.251/79-59, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Kubicek und Dr. Mittermayer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird Folge gegeben und die über den Angeklagten Gerhard B verhängte Freiheitsstrafe auf 5 (fünf) Jahre, die über den Angeklagten Kurt A verhängte auf 3 (drei) Jahre herabgesetzt. Gemäß dem § 390 a StPO. fallen den beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien wurden der Staplerfahrer Gerhard B ebenso wie die beiden Mitangeklagten Kurt A und Edith C des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 StGB. schuldig erkannt. Nach dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Schuldspruch liegt ihnen zur Last, am 24.Jänner 1979 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB.) dem Gottfried D mit Gewalt gegen dessen Person und durch (gefährliche) Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB.) fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Edith C im Sinn vorheriger Absprache mit Gottfried D die Parkanlage des Johann Nepomuk-Vogel-Platzes aufsuchte, sodann Gerhard B dem Gottfried D einen Faustschlag in das Gesicht versetzte, auf ihn einschlug, eintrat und äußerte, sollte D nicht ruhig sein, so werde er nochmals hinhauen, Kurt A den Gottfried D am Mantel festhielt und ihn gemeinsam mit Gerhard B hinter einen Verkaufsstand zerrte und ein Etui mit etwa 4.300 S Bargeld und Vorverkaufsscheinen an sich nahm. Die Geschwornen hatten die im Sinn der Anklage wegen Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 (erster Deliktsfall) StGB. an sie gesondert nach den drei Angeklagten gerichteten Hauptfragen I, II und III jeweils stimmeneinhellig bejaht und demgemäß die beiden den Angeklagten Gerhard B betreffenden und nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage II wegen Raubes in Richtung des Vergehens der Körperverletzung (nach dem § 83 Abs. 1 StGB.) und des Verbrechens der Hehlerei (nach dem § 164 Abs. 1 Z. 2, Abs. 3 /letzter Deliktsfall / StGB.) gestellten Eventualfragen a) und b) unbeantwortet gelassen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 6 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO.

gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard B.

Rechtliche Beurteilung

Von der Rechtsauffassung ausgehend, daß zur Annahme der - von ihm der Sache nach allein bekämpften - Qualifikation nach dem § 143 (erster Deliktsfall) StGB. (Verübung des Raubes in Gesellschaft eines oder mehrerer Beteiligten; § 12 StGB.) zwischen den Tatbeteiligten schon vor Begehung der Tat, sohin schon bei der Planung oder Verabredung Übereinstimmung über eine allfällige Gewaltanwendung gegen das Opfer oder über eine Bedrohung (mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) bestehen müsse, erblickt der Beschwerdeführer in der Unterlassung einer weiteren, seiner Meinung nach durch die Verfahrensergebnisse indizierten, nur auf das Verbrechen des Raubes nach dem § 143 Abs. 1 StGB. eingeschränkten Eventualfrage (gemeint: 'unechten' Zusatzfrage im Sinn des § 316 StPO.) an die Geschwornen eine Verletzung der Bestimmung des § 314 Abs. 1 StPO. und somit den Nichtigkeitsgrund der Z. 6 des § 345 Abs. 1

StPO. Darüber hinaus hält er die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung, die bei Erläuterung des ihm nach dem Anklagevorwurf zur Last gelegten schweren Raubes nach dem § 143 (erster Deliktsfall) StGB. nähere, seiner vorerwähnten Auffassung Rechnung tragende Ausführungen zu dem Begriff der Begehung des Raubes in Gesellschaft eines oder mehrerer Beteiligten vermissen lasse, aus diesem Grund auch für derart unvollständig, daß diese - zu Mißverständnissen bei den Geschwornen über die Qualifikation der Tat als schwerer Raub nach der vorzitierten Gesetzesstelle Anlaß gebende - Unvollständigkeit die Rechtsbelehrung in diesem Punkt zu einer unrichtigen mache.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Denn entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Meinung erfordert die Qualifikation des Raubes nach dem § 143 (erster Deliktsfall) StGB. durch Begehung in Gesellschaft eines oder mehrerer Beteiligten (§ 12 StGB.), wie die Generalprokuratur richtig ausführt, keine der Raubtat vorangehende Vereinbarung zur Anwendung von Gewalt oder Drohung gegenüber dem in Aussicht genommenen Opfer; es genügt vielmehr zur Annahme dieser Qualifikation auch ein erst bei der Tatausführung vorgelegenes - oder erst in diesem Zeitpunkt einsetzendes - Einverständnis der zur Tatzeit am Tatort anwesenden Tatbeteiligten über eine Sachwegnahme unter Anwendung der Mittel der Gewalt oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, wobei es letztlich gleichgültig ist, ob dieses Einverständnis bei der Tatbegehung ausdrücklich oder stillschweigend (durch konkludente Handlungen) erzielt wird (vgl. die Judikatur zu dem hier gleichbedeutenden Begriff des Gesellschaftsdiebstahls nach dem § 127 Abs. 2 Z. 1 StGB.; ÖJZ-LSK. 1977/141, Foregger-Serini2 zu § 127 StGB., S. 237). Daraus erhellt, daß die vom Beschwerdeführer zur Qualifikation des Raubes nach dem § 143 (erster Deliktsfall) StGB. vertretene Rechtsauffassung unzutreffend ist. Die von ihm angestrebte Aufnahme der weiteren, nach seiner Meinung hiezu zusätzlich erforderlichen rechtlichen Erläuterungen in die gemäß dem § 321 StPO. den Geschwornen vom Vorsitzenden erteilte schriftliche Rechtsbelehrung kam darum nicht in Betracht.

Der vom Beschwerdeführer behauptete Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO. liegt somit nicht vor.

Dem Beschwerdevorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z. 6 der vorerwähnten Gesetzesstelle ist entgegenzuhalten, daß es den Geschwornen auf Grund der ihnen gemäß dem § 330 Abs. 2 StPO. eingeräumten und in der ihnen erteilten schriftlichen Rechtsbelehrung erwähnten Möglichkeit der nur teilweisen Bejahung einer Frage offengestanden wäre, die - den Beschwerdeführer betreffende - Hauptfrage, in die grundsätzlich die gesamte unter Anklage gestellte Tat einschließlich ihrer in der Anklageschrift angeführten Qualifikationen aufzunehmen ist, nur einschränkend im Grunddelikt (nach dem § 142 Abs. 1 StGB.) zu bejahen und auf diese Weise die in der Hauptfrage aufgenommene Qualifikation der Raubtat nach dem § 143 (erster Deliktsfall) StGB. auszuklammern, sodaß von einer vom Beschwerdeführer behaupteten Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (§§ 312 bis 317 StPO.) keine Rede sein kann.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard B

war darum zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte gemäß dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. den Angeklagten Gerhard B zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren und den Angeklagten Kurt A unter Anwendung des § 41 Abs. 1 Z. 3 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren. Bei der Strafbemessung waren im Fall des Angeklagten Gerhard B erschwerend der Umstand, daß dieser Angeklagte schon dreimal wegen der Übertretung nach dem § 411 StG. und zweimal wegen Straftaten wider fremdes Eigentum verurteilt wurde, der rasche Rückfall nach der Verurteilung vom 5.Dezember 1978, ferner daß er an der Straftat führend beteiligt war und daß Gottfried D hauptsächlich infolge der Gewaltanwendung dieses Angeklagten leicht verletzt wurde, mildernd hingegen die Selbststellung, die teilweise Schadensgutmachung durch Sicherstellung und Rückgabe von rund 2.000 S, ein vor der Polizei abgelegtes (wenngleich später wieder zurückgenommenes) Geständnis, im Fall des Angeklagten Kurt A erschwerend, daß dieser Angeklagte schon einmal wegen des Verbrechens des Einbruchsdiebstahls verurteilt wurde, wobei diese Vorstrafe allerdings schon länger als fünf Jahre zurückliegt, die führende Tatbeteiligung, die Bestimmung der Mitangeklagten Edith C zur Tat und die leichte Verletzung des Gottfried D, mildernd ein vor Polizei, Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung abgelegtes reumütiges Geständnis sowie die teilweise Schadensgutmachung durch Sicherstellung und Rückgabe von rund 2.000 S.

Die Angeklagten B und A bekämpfen mit ihren Berufungen lediglich das Strafausmaß.

Die beiden Berufungen sind begründet.

Abgesehen davon, daß die Vorverurteilung des Angeklagten A aus dem Jahr 1974 offenbar bereits getilgt sein müßte, sodaß hier der Erschwerungsgrund der einschlägigen Vorstrafe entfällt, der Milderungsumstand des bisherigen untadelhaften Lebenswandels aber neu hinzutritt, wurden die gegebenen Strafzumessungsgründe in erster Instanz zwar im wesentlichen richtig und vollzählig erfaßt und festgestellt, jedoch im Ergebnis nicht zutreffend gewürdigt, wenngleich entgegen der Auffassung der Verteidigung von einer besonders verlockenden Gelegenheit, die als Milderungsgrund in Betracht zu ziehen wäre, nach Lagerung des Falles keineswegs gesprochen werden kann. Die in erster Instanz zuerkannten Freiheitsstrafen waren darum nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes auf das im Spruch ersichtliche, sowohl dem Verschuldensgrad der beiden Angeklagten als auch dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen gerecht werdende Ausmaß zu reduzieren. Für eine weiterreichende Strafherabsetzung bestand vorliegend - angesichts der hohen gesetzlichen Strafdrohung des § 143 StGB. - kein Raum mehr.

Aus diesen Erwägungen war den Berufungen der Angeklagten Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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