OGH 13Os113/79

OGH13Os113/798.11.1979

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Zehetmayr als Schriftführers in der Strafsache gegen Josefine A wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1, 2. Fall, StGB. mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems a.d. Donau als Schöffengerichtes vom 17.Mai 1979, GZ. 9 Vr 260/79-9, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Josefine A wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Gastwirtin Josefine A des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1, 2. Fall, StGB. schuldig erkannt.

Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes betreibt die Angeklagte in Thunau, Bezirk Horn, ein Gasthaus, in welchem auch der 'Erste Sparverein Thunau am Kamp und Umgebung' seinen Sitz hat. Sie übernahm am Samstag, den 10.Februar 1979 von Funktionären dieses Vereines Spargelder in der Höhe von 10.070 S zur abgesonderten Verwahrung und Einzahlung bei der Raiffeisenkasse am nächstfolgenden Werktag. Weil sie aber dringend Bargeld zur Bezahlung einer Steuerschuld benötigte, verwendete sie das in Verwahrung genommene Geld hiefür und erstattete am 12.Februar 1979 über einen angeblichen Diebstahl des Geldes eine Anzeige gegen unbekannte Täter beim Gendarmeriepostenkommando Gars am Kamp. Auf Frage des Gendarmeriebeamten Lorenz B, ob sie ihrem Ehegatten Johann A, der als Polier eines Bauunternehmens auswärts arbeitet und jeweils nur zum Wochenende nach Thunau zurückkehrt, die Tat zutraue, antwortete sie:

'Lassen wir das, Sie kennen meinen Mann. Sie wissen ohnehin, wie es bei meinem Mann mit Geld steht'. Sie spielte damit auf den auch dem Gendarmeriebeamten bekannten Umstand an, daß Johann A bei Geldbedarf diesen aus der Kassenlade des Gasthauses seiner Frau zu decken pflegte.

Ferner wies sie den Beamten darauf hin, daß ihr Ehegatte sich an diesem Wochenende entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten nicht mit Geld aus der Geschäftskasse eingedeckt habe. Als sich der genannte Gendarmeriebeamte in der Folge anschickte, den Ehemann der Angeklagten an seinem Arbeitsplatz in Werfen durch den dort zuständigen Gendarmerieposten befragen zu lassen, bemühte sich die Angeklagte wiederholt, die Anzeige zurückzuziehen und gestand schließlich am 16.Februar 1979, wissentlich eine falsche Anzeige erstattet und das Geld - welches sie dann wieder ersetzte - selbst verbraucht zu haben.

Ausgehend von diesen Feststellungen erachtete das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht, daß die Angeklagte sohin einem zur Erhebung, Aufklärung und Anzeige strafbarer Handlungen bei den Justizbehörden berufenen Gendarmeriebeamten einen Sachverhalt anzeigte, der dem Tatbild des Vergehens des (richtig: schweren) Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. entspricht und hiebei durch dahin zielende Äußerungen ihren Ehemann in den Verdacht der Täterschaft brachte, obwohl sie wußte, daß er nicht der Täter war. Da sie durch ihr Verhalten alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1, 2. Fall, StGB. erfüllt habe, sei der eingangs erwähnte Schuldspruch gerechtfertigt.

Dagegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sie in Ausführung ihrer den erstgenannten Nichtigkeitsgrund relevierenden Mängelrüge dem Erstgericht vorwirft, es habe sich insoweit nicht mit der Aussage des Zeugen Lorenz B auseinandergesetzt, als dieser bekundete, sie habe 'die' - gemeint:

alle - im Haus wohnenden oder tätigen Personen als mögliche Täter des angezeigten angeblichen Diebstahls genannt, die ihren Mann betreffenden Äußerungen erst auf Befragen dieses Zeugen gemacht und damit im übrigen ohne konkreten Hinweis nur die Frage beantwortet, ob sie in abstracto ihrem Mann einen Diebstahl 'zutraue', kommt diesem Vorbringen allerdings keine Berechtigung zu:

Denn daß die Angeklagte zunächst alle im Hause aufhältigen Personen aufzählte, ändert nichts daran, daß sie anschließend die inkriminierten Äußerungen in bezug auf ihren Mann machte und damit - was bei Verwirklichung der übrigen Tatbestandsmerkmale für die rechtliche Annahme einer Verleumdung völlig hinreicht (vgl. 11 Os

108/78 =

ÖJZ-LSK. 1978/375, 9 Os 90/75 = ÖJZ-LSK. 1976/181) -

den vom erhebenden Gendarmeriebeamten offensichtlich bereits gefaßten und in seiner Frage zum Ausdruck kommenden Verdacht zufolge des besonderen, dem Beamten ebenfalls bewußten Sinngehaltes ihrer Worte bestärkte. Ob diese Äußerung spontan erfolgte oder auf Befragen des erhebenden Beamten, ist aber rechtlich unerheblich, und von einer bloß theoretischen Erwägung, ob die Angeklagte ihrem Mann 'einen' Diebstahl zutraue, kann angesichts der konkreten Ereignisbezogenheit ihrer Äußerung keine Rede sein. Ebensowenig vermag aber auch der Inhalt ihres späteren Vorbringens gegenüber der Behörde am belastenden Charakter der in Rede stehenden Äußerung über ihren Ehemann etwas zu ändern. Es ist daher entgegen den weiteren Beschwerdeausführungen auch unbeachtlich, ob die Angeklagte zwei Tage nach der Anzeige der Gendarmerie mitteilte, ihr Mann 'habe das Geld und werde es am Wochenende wieder zurückbringen' (S. 47) oder ob sie - wie der Anzeige S. 6 entnommen werden könnte - nur 'andeutete', daß ihr Gatte, 'sollte er das Geld haben', dieses möglicherweise am Wochenende zurückbringen könnte.

Das Erstgericht hatte folglich keine Veranlassung, sich mit den vorerwähnten Beweisergebnissen im einzelnen auseinanderzusetzen, weshalb der Vorwurf der mangelhaften Begründung entscheidungswesentlicher Tatsachen insoweit nicht durchzuschlagen vermag.

Die vom Erstgericht im Urteilsspruch gewählte Formulierung schließlich, die Angeklagte habe behauptet, es komme auf Grund der Sachlage ihr Gatte Johann A, welcher wisse, daß es sich bei dem Betrag um Sparvereinsgelder handle, als Täter in Frage, stellt bloß die Beschreibung des rechtlich erheblichen Sinngehaltes der von der Angeklagten mit anderen Worten gemachten Äußerung dar, und findet sowohl in den vom Erstgericht übernommenen (S. 46) Bekundungen des Zeugen Lorenz B (vgl. S. 40 oben), als auch in der Aussage der Beschwerdeführerin vor der Gendarmerie ' ... zumal auf Grund der Sachlage mein Gatte als Täter in Frage kommen kann' (S. 12) - worauf in der Beschwerdeausführung Bezug genommen wird -

volle Deckung. Von einer 'Aktenwidrigkeit' (gemeint wohl: einem Widerspruch zwischen Urteilsspruch und Urteilsgründen) kann daher diesbezüglich keine Rede sein.

Hingegen ist die Rüge berechtigt, soweit sie sich gegen die - für die Beurteilung des allfälligen Vorliegens der Voraussetzungen des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue nach dem § 297 Abs. 2 StGB. relevante - Feststellung des Schöffengerichtes richtet, der Gendarmeriebeamte Lorenz B habe 'sich angeschickt', den Ehemann der Angeklagten an seinem Arbeitsplatz (in Werfen) durch den dort zuständigen Gendarmerieposten befragen zu lassen (S. 46). Die Verwendung der in der Folge nicht näher erläuterten Worte 'sich angeschickt' läßt nämlich nicht erkennen, ob der Beamte einen solchen Erhebungsschritt bloß vorhatte oder ob sein Entschluß hiezu bereits einen Niederschlag in nach außen hin wirksamen - wenngleich noch nicht zielführenden - Veranlassungen gefunden hatte und sohin davon gesprochen werden kann, daß eine Behörde etwas zur Verfolgung des Verdächtigen 'unternommen' hat (wobei auch eine Beschuldigtenabhörung durch ein Gendarmerieorgan genügt), ehe die Angeklagte am 16.Februar 1979

die Unrichtigkeit ihrer Anzeige und damit auch der ihren Mann belastenden Äußerungen eingestand. Die zitierte, nach dem Gesagten entscheidungswesentliche Feststellung des Erstgerichtes erweist sich sohin als 'undeutlich' im Sinne des angezogenen Nichtigkeitsgrundes. Ausgehend hievon und im Zusammenhalt damit, daß das Urteil außer dieser - mit dem Nichtigkeitsgrund der Z. 5

des § 281 Abs. 1 StPO. behafteten und daher mangelhaften - Feststellung auch sonst keinerlei Feststellungen darüber enthält, ob und inwiefern eine Behörde etwas zur Verfolgung des Verdächtigen Johann Bauer 'unternommen' hat, bevor die Angeklagte durch ihr Geständnis vom 16.Februar 1979 freiwillig die Gefahr einer behördlichen Verfolgung des Genannten beseitigte, ist das angefochtene Urteil aber auch mit Feststellungsmängeln im Sinne des von der Angeklagten ebenfalls angezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. behaftet.

Da diese Mängel vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden können und daher die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war sohin mit Zustimmung der Generalprokuratur (§ 285 e StPO.) der Nichtigkeitsbeschwerde in nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen.

Im erneuerten Rechtsgang wird es dem Erstgericht aber nicht nur obliegen, hinreichend begründete Feststellungen zu treffen, welche eine richtige Beurteilung des allfälligen Vorliegens der Voraussetzungen des § 297 Abs. 2 StGB. ermöglichen. Es wird vielmehr auch - da es am subjektiven Tatbestand der Verleumdung mangelt, wenn der Täterwille nicht auf eine Gefährdung des Verleumdeten gerichtet ist (vgl. 10 Os 151/75 = ÖJZ-LSK. 1976/98) -

festzustellen haben, ob der objektiv nach Lage des Falles zweifellos gegebene Umstand, daß der Verdächtigte Johann A durch die ihn belastenden Äußerungen der Angeklagten der konkreten Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt wurde (vgl. 10 Os 64/75 = ÖJZ-LSK.

1975/144, 13 Os 144/78 = ÖJZ-LSK. 1979/72 und 13 Os 194/78 = ÖJZ-LSK. 1979/127) vom zumindest bedingten Vorsatz der Angeklagten umfaßt war, in welchem Zusammenhang das Erstgericht auch die Verantwortung der Angeklagten, sie habe eine Vernehmung ihres Mannes durch die Gendarmerie verhindern wollen (S. 14 und S. 37), in den Kreis seiner Erwägungen einzubeziehen haben wird.

Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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