OGH 9Os131/79

OGH9Os131/7912.10.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Oktober 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Dr. Simetzberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Felix A wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 3, 128 Abs. 1 Z. 4, 131 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22.Mai 1979, GZ. 8 a Vr 8778/78-51, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Angerer, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3.Mai 1934 geborene Glasschleifer Felix A des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 3, 128 Abs. 1 Z. 4 und 131 StGB. schuldig erkannt, weil er in Wien fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert anderen mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar 1.) am 5.September 1978 der Konsumfiliale B eine Flasche Weinbrand im Wert von 133,50 S und eine Flasche Bauernschnaps im Wert von 152,50 S, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat dadurch, daß er der Kassierin Gabriele C, die ihn festhielt, einen Stoß versetzte, sodaß sie zurücktaumelte, sowie gegen den Körper der Angestellten Roswitha D einen Einkaufswagen schob, nachdem diese sich ihm in den Weg gestellt und gegen den Einkaufswagen gestemmt hatte, wodurch D zurückweichen mußte, Gewalt gegen Personen angewendet hat, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten;

2.) am 3.November 1978 unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit geschaffen worden ist, nämlich als angemieteter Transportarbeiter der Spedition E F, zum Nachteil des Auftraggebers der genannten Spedition, nämlich des Francisco G, einen Perserteppich 'Ghum' im Werte von ca. 30.000 S. Lediglich die Annahme einer Gewaltanwendung im Sinne des § 131 StGB. /beim Diebstahlsfaktum 1.) / bekämpft der Angeklagte in seiner auf die Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO.

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Diese ist unbegründet.

Beim Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach § 131 StGB. wendet der auf frischer Tat betretene Dieb (bezüglich Warenhausdiebstähle vgl. hiezu SSt. 46/9 und LSK. 1979/109) gegen eine Person, welche die von ihm ergriffenen Sachen dem Berechtigten vor der (endgültigen) Wegnahme durch den Dieb sichern will, Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben an, um sich im Besitz der (noch nicht sichergestellten) Beute zu erhalten. Für das vorliegend allein in Betracht kommende Mittel der Gewalt genügt die in der vorerwähnten Absicht erfolgende Anwendung physischer Kraft, die nach den Umständen des jeweiligen Falls, auch nach den Vorstellungen des Täters, geeignet ist, allfälligen Aktivitäten des Angegriffenen, die dessen (zu erwartenden) Besitzbehauptungswillen entsprechen, wirkungsvoll vorzubeugen oder zu begegnen und ihn solcherart daran zu hindern, das Fortschaffen des Diebsgutes durch den Täter zu unterbinden und dieses für den Berechtigten zu sichern. Daß der den Dieb auf frischer Tat Betretende bereits tatsächlich Anstalten machte, sich wieder in den Besitz der widerrechtlich entzogenen Sachen zu setzen, ist nicht entscheidend; genug daran, daß der Täter einem von ihm vermuteten Rückgewinnungsversuch des anderen zuvorkommen wollte (RZ. 1976/6; 10 Os 75/78). Ebensowenig kommt es - der Meinung des Beschwerdeführers zuwider -

darauf an, ob der Dieb die Gewalt als erster anwendet oder ob er erst im Zuge einer Gegenwehr oder bei einem Ausreißversuch gegen denjenigen gewaltsam vorgeht, der ihn mit der Beute beim Diebstahl betritt und festzuhalten sucht;

maßgeblich ist nur, daß der Täter die Gewalt zumindest auch in der Absicht ausübt, sich den Gewahrsam an der Beute zu erhalten (LSK. 1978/167).

Im Gegenstandsfall hatte nun der Angeklagte den Urteilskonstatierungen zufolge die Weinbrandflasche und die Schnapsflasche - mit Diebstahlsvorsatz - im Selbstbedienungsgeschäft der Konsumfiliale B unbemerkt an sich genommen, in der Innentasche seines Sakkos versteckt, damit unbeanstandet die Kassen passiert und bereits den unmittelbaren Kassenbereich in Richtung Geschäftsausgang verlassen, als die Kassierin Gabriele C (zufällig) eine dieser Flaschen entdeckte und den Angeklagten am Oberarm erfaßte, um ihn am Weitergehen - und damit am Wegschaffen der Diebsbeute - zu hindern. Aus diesem Griff befreite sich der Angeklagte in der Absicht, sich im Besitz der beiden unrechtmäßig erlangten Flaschen mit alkoholischen Getränken zu erhalten, dadurch, daß er seinen (gestreckten) Arm nach rückwärts gegen den Oberkörper der Gabriele C schwang, wodurch diese zurücktaumelte ('ziemlich strauchelte' /siehe S. 222 und 233 d.A. /) und hiebei den Arm des Angeklagten losließ. Bereits in diesem Verhalten des Angeklagten ist die Ausübung einer gegen eine andere Person gerichteten Gewalt im dargelegten Sinne zu erblicken, die - auch objektiv - geeignet war, den Widerstand der Betroffenen zu beseitigen, ohne daß hiefür eine regelrechte Überwältigung (vis absoluta) erforderlich gewesen wäre (12 Os 68/78).

Aber auch die anschließende, nunmehr gegen die Konsumangestellte Roswitha D gerichtete Vorgangsweise des Angeklagten wurde vom Erstgericht zutreffend als eine solche Gewaltanwendung im Sinne des § 131 StGB.

beurteilt. D war den Urteilsfeststellungen zufolge auf den letztgeschilderten Vorgang aufmerksam geworden und unternahm nun ihrerseits den Versuch, den (mit den beiden Flaschen) dem Geschäftsausgang zustrebenden Angeklagten, der einen Einkaufswagen vor sich herschob, am Verlassen der Konsumfiliale dadurch zu hindern, daß sie sich gegen den vom Angeklagten geschobenen Einkaufswagen stemmte. Der Angeklagte hinwiederum wollte, um sich weiterhin den Besitz der weggenommenen Flaschen zu erhalten, sich durch heftiges weiteres Vorwärtsschieben des Einkaufswagens freien Weg zu schaffen. Dem von ihm dabei gegen D (über den Einkaufswagen) ausgeübten Druck vermochte diese nicht standzuhalten; sie wich ein bis zwei Schritte zurück und erst bei Eintreffen weiterer Angestellter stellte der Angeklagte seine Bemühungen, D abzudrängen, ein.

Die vom Beschwerdeführer mit Beziehung auf diese Phase des Geschehens aufgeworfene Frage einer erforderlichen Mindeststärke einer Gewaltanwendung im Sinne des § 131 StGB. läßt sich nicht generell, sondern stets nur auf Grund der jeweiligen Verhältnisse beurteilen. Ein unmittelbarer Körperkontakt zwischen dem sich im Besitz der Beute erhalten wollenden Dieb und der ihn daran hindern wollenden Person ist hiebei nicht erforderlich; die gegen das Opfer gerichtete Gewalt muß nicht in einer unmittelbaren Einwirkung auf deren Körper bestehen (LSK. 1976/77;

vgl. auch SSt. 22/65). Als Mittel der Gewalt genügt vielmehr der Einsatz einer zur Beugung bzw. Beseitigung des vorausgesetzten (tatsächlichen oder auch erst zu erwartenden) Widerstandswillens des Gegners unter den gegebenen Umständen geeigneten körperlichen Kraft des Täters (LSK. 1976/29; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB.2, RN. 6 zu § 131, S. 891, und RN. 6 zu § 142, S. 955). Berücksichtigt man nun vorliegend, daß es dem Angeklagten zufolge seiner größeren Körperkraft gelungen war, die ihm den Weg zum Ausgang verstellende Roswitha D durch den von ihm auf den Einkaufswagen gezielt ausgeübten Gegendruck zum schrittweisen Zurückweichen zu zwingen (siehe Urteil, S. 233 d.A.), so zeigt sich, daß dem Erstgericht kein Rechtsirrtum unterlaufen ist, wenn es die Diebstahlstat des Angeklagten vom 5.September 1978 auch in Ansehung des Eingreifens der Roswitha D als mit (hinreichender) Gewaltanwendung verübten 'räuberischen Diebstahl' im Sinne des § 131 StGB. beurteilte.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 131 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren. Es nahm bei der Strafbemessung die einschlägigen Vorstrafen, die Wiederholung der strafbaren Handlungen, die mehrfache Qualifikation und den raschen Rückfall als erschwerend und das weitreichende Geständnis des Angeklagten sowie die objektive Schadensgutmachung infolge Sicherstellung des Diebsgutes als mildernd an. In seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe richtig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Eine drückende Notlage, die den Diebstahl (noch dazu von alkoholischen Getränken zur eigenen Verwendung) entschuldigen könnte, lag nach den eigenen Angaben des Angeklagten, der zur Tatzeit ca. 6.000 S bis 7.000 S monatlich verdiente (S. 61, 190 d.A.), nicht vor. Weitere Milderungsgründe kommen ihm nicht zugute. Angesichts der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen ist das vom Erstgericht gefundene Strafmaß durchaus dem Verschulden des Angeklagten und dem Unrechtsgehalt seiner Taten angemessen, weshalb seiner Berufung ein Erfolg zu versagen war. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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