OGH 12Os120/79

OGH12Os120/7911.10.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Oktober 1979 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Steininger, Dr. Walenta und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stach als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB.

über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Mai 1979, GZ. 2 b Vr 1397/79-22, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Berta Mühl, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16. Juni 1949 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Hilfsarbeiter Josef A des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Er versetzte am 9. September 1978

in Mödling Anton B mehrere Schläge gegen das Gesicht, die infolge einer Prellung des linken Augapfels, eines Blutergusses im Oderlid und einer Blutung in der vorderen Augenkammer des linken Auges eine an sich schwere Verletzung bewirkten.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte der Sache nach mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 10 (unrichtig: Z. 11) StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Als Begründungsmangel im Sinne des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes wird vom Beschwerdeführer die Angabe nur offenbar unzureichender Gründe für die Feststellung des Verletzungsvorsatzes geltend gemacht. Die Mängelrüge hält jedoch einer Überprüfung nicht stand.

So konnte das Erstgericht angesichts der - in den Entscheidungsgründen ohnehin bezeichneten - Erfahrungstatsache, wonach Schläge mit der verkehrten Hand wegen der auftreffenden harten Fingerknöchel besonders leicht zu Gesichtsverletzungen (Blutunterlaufungen und Schwellungen) führen können, aus dem Umstand, daß der Angeklagte dem Anton B nicht gewöhnliche Ohrfeigen, sondern mit der flachen verkehrten Hand Schläge ins Gesicht versetzt hat, mit zureichendem Grund auf den (bedingten) Verletzungsvorsatz des Angeklagten schließen (Seite 79 d. A.). Daß sogar schon 'normale Ohrfeigen' oft schwere Verletzungen nach sich ziehen, steht der vom Erstgericht gezogenen Schlußfolgerung keineswegs entgegen. Im übrigen war es dem Schöffensenat nicht verwehrt, bei der Beurteilung der subjektiven Tatseite auch die Täterpersönlichkeit und insbesondere die durch wiederholte einschlägige Vorstrafen ausgewiesene gewalttätige Neigung des Angeklagten mit in Betracht zu ziehen.

Unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z. 11 - sachlich: Z. 10 - StPO. wendet sich der Angeklagte gegen die Zurechnung der qualifizierenden Tatfolge des § 84 Abs. 1 StGB. und meint, in einer Prellung des Augapfels, einer Blutunterlaufung am Oberlid und einer Blutung in der Vorderkammer des Auges läge nicht die typische, für jedermann einsehbaren Folge 'einer Ohrfeige' (gemeint: von Schlägen mit der verkehrten Hand in das Gesicht) vor. Auch die Rechtsrüge erweist sich nicht als zielführend. Grundsätzlich haftet ein Täter, der einen anderen verletzt oder an der Gesundheit schädigt, strafrechtlich (nur) im Rahmen der im Verhältnis zur Tathandlung 'adäquaten' (objektiven und subjektiven) Vorhersehbarkeit. Demnach können dem Täter aus seiner Handlungsweise resultierende besondere Tatfolgen nur dann als fahrlässig verschuldet zugerechnet werden, wenn er nach den konkreten Umständen des Falles und gemessen an den Fähigkeiten eines Durchschnittsmenschen in der Lage gewesen wäre, auch einen solchen Verlauf als mögliche Konsequenz seines Verhaltens zu erkennen, der letztlich zu einer derartigen Folge führen kann (EvBl. 1979/118). Insoweit genügt allerdings die Vorhersehbarkeit eines derartigen Verlaufes im allgemeinen; daß der Täter auch alle Einzelheiten des Kausalablaufes und des Erfolgseintritts vorauszusehen vermag, ist nicht erforderlich (SSt. 46/67).

Dazu wird in den Gründen des angefochtenen Urteils unter Berufung auf das Gutachten des medizinischen Sachverständigen dargelegt, daß die festgestellten Verletzungen für die Art der Schlagführung typisch waren, und daß es für jeden Durchschnittsmenschen einsehbar ist, daß heftige Schläge ins Gesicht wegen der Empfindlichkeit des Auges zu schweren Augenverletzungen führen können, woraus das Erstgericht ohne Rechtsirrtum folgern konnte, daß dem Angeklagten in Ansehung des von ihm bewirkten schweren Verletzungserfolges Fahrlässigkeit (§ 7 Abs. 2 StGB.) zur Last fällt (Seiten 80-81 d. A.), weshalb sich die rechtliche Beurteilung der festgestellten Tat als Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB. als rechtsrichtig erweist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef A war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 84 Abs. 1 StGB. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten. Bei der Strafbemessung wertete es das Vorliegen zahlreicher einschlägiger Vorstrafen als erschwerend, hingegen berücksichtigte es das Teilgeständnis, die vom Angeklagten gezeigte Reue über sein Verhalten und die Provokation durch den (später) Verletzten (infolge beleidigender Äußerungen) als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an. Er vermeint, es wäre ihm als weiterer Milderungsgrund zuzurechnen, daß er die schwere Verletzung nicht vorsätzlich sondern nur fahrlässig herbeigeführt habe. Der Berufung kommt Berechtigung nicht zu.

Das Erstgericht stellte die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig fest und verhängte auf deren Basis sowie unter Beachtung der im § 32 StGB. normierten allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung, in deren Rahmen auch der vom Berufungswerber reklamierte Umstand, daß er die besondere Folge der schweren (Körper-)Verletzung im Sinne des § 84 Abs. 1 StGB. nur fahrlässig (und nicht vorsätzlich) herbeiführte, Berücksichtigung fand, eine Freiheitsstrafe, welche insbesondere unter Berücksichtigung des Vorlebens des Berufungswerbers (Neigung zu Aggressionsdelikten) zwar als streng, aber aus spezialpräventiven Gründen als durchaus angemessen und notwendig, somit im Ergebnis nicht als überhöht, angesehen werden mußte.

Aus den dargelegten Gründen war der Berufung daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruche angeführte Gesetzesstelle.

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