OGH 13Os115/79 (13Os116/79)

OGH13Os115/79 (13Os116/79)5.10.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Oktober 1979 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführers in der Strafsache gegen Gottfried A wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269

Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 1.Februar 1979, AZ. 9 Bs 20/79, und den Vorgang, daß der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 7.Dezember 1978, GZ. 9 E Vr 1593/77-33, an den Verurteilten Gottfried A persönlich zugestellt wurde, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der in der Strafsache gegen Gottfried A, AZ. 9 E Vr 1593/77 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, durch Zustellung des Beschlusses dieses Gerichtes vom 7.Dezember 1978, GZ. 9 E Vr 1593/77-33, und des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Graz vom 1. Februar 1979, AZ. 9 Bs 20/79, an den Verurteilten Gottfried A (selbst) statt an seine ausgewiesenen Verteidiger eingehaltene Vorgang, und der zuletzt zitierte Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 1.Februar 1979, mit dem der Beschwerde des Verurteilten gegen den seinen Wiederaufnahmeantrag abweisenden vorerwähnten Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 7.Dezember 1978 nicht Folge gegeben wurde, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 79 Abs. 2 StPO.

Die die oben bezeichneten Zustellvorgänge betreffenden richterlichen Verfügungen und der Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 1. Februar 1979, AZ. 9 Bs 20/79, werden aufgehoben und es wird dem Oberlandesgericht Graz die Entscheidung über die von den Verteidigern des Verurteilten eingebrachte Beschwerde ON. 44 aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 18.November 1977, GZ. 9 E Vr 1593/77-14, bestätigt durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 26. April 1978, AZ. 8 Bs 84/78, wurde der Pensionist Gottfried A des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 StGB. u.a. strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt.

Am 3.November 1978 brachte der Verurteilte durch seine seit 24.Juni 1977 (ON. 6) ausgewiesenen und daher auch im erstgenannten Zeitpunkt vertretungsbefugten (§ 44 Abs. 1 StPO.) Verteidiger Dr. Franz B und Dr. Gertrud B einen Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens ein, der mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 7. Dezember 1978 (ON. 33) abgewiesen wurde. Diesen Beschluß stellte das Gericht am 15.Dezember 1978 dem Wiederaufnahmswerber persönlich, (zunächst) aber nicht seinen ausgewiesenen Verteidigern zu (S. 190 d. A.). Dieser erhob daraufhin selbst eine von ihm verfaßte Beschwerde, der mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 1. Februar 1979, AZ. 9 Bs 20/79, nicht Folge gegeben wurde (ON. 39). Auch diese Entscheidung wurde dem Verurteilten persönlich, nicht aber seinen Verteidigern zugestellt (S. 232 d.A.). Erst über ausdrücklichen Antrag vom 19.April 1979 wurde den Verteidigern sodann der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 7. Dezember 1978 am 20.April 1979 zugestellt (S. 190, 245 d.A.), worauf sie am 3.Mai 1979 eine (neuerliche) Beschwerde gegen den vorerwähnten Beschluß einbrachten, welche dem Oberlandesgericht Graz vorgelegt wurde, das darüber bisher noch nicht entschieden hat.

Rechtliche Beurteilung

Die Zustellung des bezeichneten erstgerichtlichen Beschlusses vom 7. Dezember 1978 an den Verurteilten selbst statt an seine ausgewiesenen Verteidiger und die vorerwähnte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Graz vom 1.Februar 1979 sowie deren Zustellung an den Verurteilten selbst stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang. Hat eine Partei einen Verteidiger und ist nicht persönliche Zustellung an sie vorgeschrieben, so kann angesichts der Vorschrift des § 79 Abs. 2 StPO. und ihres Sinngehalts nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine rechtswirksame Zustellung nur an den Verteidiger erfolgen (Gebert-Pallin-Pfeiffer III/1, Nr. 1 und 3 zu § 79 StPO., Foregger-Serini Anm. III zu § 79 StPO.). Die ungeachtet des Umstandes, daß der Verurteilte durch Verteidiger vertreten war, die auch in seinem Namen den Wiederaufnahmeantrag eingebracht hatten, an ihn selbst verfügten und erfolgten Zustellungen verletzen daher das Gesetz in der Bestimmung des § 79 Abs. 2 StPO. In eben dieser Bestimmung ist das Gesetz aber auch durch die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Graz vom 1. Februar 1979, AZ. 9 Bs 20/79, verletzt, weil das Beschwerdegericht erst nach einer ordnungsgemäßen Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses vom 7.Dezember 1978 an die ausgewiesenen Verteidiger des Gottfried A hätte entscheiden dürfen.

Die aufgezeigten Gesetzesverletzungen gereichten dem Verurteilten auch zum Nachteil. Denn wenngleich im Wiederaufnahmeverfahren kein Verteidigerzwang besteht, so muß - wie sich insbesondere aus dem zweiten Halbsatz des § 44 Abs. 1 StPO. ergibt - doch davon ausgegangen werden, daß ein Verurteilter, der zur Wahrung seiner Interessen einen Verteidiger bestellt hat (§ 39 StPO.), ein Anrecht hat, von diesem auch im Beschwerdeverfahren vertreten zu werden und sich dessen Beistandes zur Verfassung des Rechtsmittels zu bedienen. Es waren daher nicht nur die Gesetzwidrigkeit der in Rede stehenden Zustellvorgänge festzustellen und die bezüglichen richterlichen Verfügungen zu beheben, sondern auch der Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Beschwerdegericht vom 1.Februar 1979 als gesetzwidrig aufzuheben, zumal dieser bei der nun gegebenen Sachlage eine Beschlußfassung über die durch die Verteidiger nunmehr rite eingebrachte Beschwerde (ON. 44) hindert, da jeder Partei nur ein Rechtsmittel gegen eine von ihr bekämpfte Entscheidung zusteht. In Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO. erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war mithin spruchgemäß zu erkennen.

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