Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB. unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.
Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Jugendschöffengerichtes wurde der am 19.Dezember 1961 geborene Angeklagte Franz A I. des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach dem § 88 Abs. 1
und 4 (§ 81 Z. 2) StGB. und II. des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach dem § 88 Abs. 1 und 3 (§ 81 Z. 2) StGB.
schuldig erkannt, weil er am 8.September 1978 gegen 19 Uhr 40 in St. Pölten im Bereich der Kreuzung Goethestraße-Herderstraße als Lenker eines Motorfahrrades, nachdem er sich vor der Tat fahrlässig durch Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte, obwohl er hätte vorhersehen können, daß ihm - im Fahrzeuglenken - eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit anderer herbeizuführen geeignet sei, infolge Außerachtlassung der im Straßenverkehr erforderlichen Aufmerksamkeit und Vorsicht, insbesondere Mißachtung des Vorranges des mit einem Moped auf der Goethestraße fahrenden Alfred B, sodaß es zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge kam, fahrlässig folgende Personen am Körper verletzte, und zwar 1. Alfred B, wobei die Tat eine schwere Verletzung, nämlich einen Bruch des rechten Oberund Unterschenkels und einen Unterkieferbruch nach sich zog, 2. Manfred B, wobei dieser eine Rißquetschwunde am Kopf und Hautabschürfungen am rechten Knie erlitt, 3. Helmut C, wobei dieser Kopfwunden, Gesichtsverletzungen und Schmerzen am rechten Fuß davontrug.
Der Angeklagte Franz A bekämpft dieses Urteil mit den Rechtsmitteln der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO. gestützt.
Rechtliche Beurteilung
In Ausführung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. macht der Angeklagte dem Ersturteil der Sache nach unvollständige und offenbar unzureichende Begründung zum Vorwurf. Die Mängelrüge ist nach keiner Richtung hin im Recht. Das Erstgericht gründet die Urteilsannahmen über die Täterschaft des - in der Hauptverhandlung leugnenden -
Angeklagten schlüssig auf mehrere Beweisumstände, die in den Urteilsgründen in Handhabung der Norm des § 258 Abs. 2 StPO. sowohl einzeln als auch in ihrem inneren Zusammenhang geprüft und gewürdigt wurden. Dabei handelt es sich vor allem um ein Schuldbekenntnis des Angeklagten vor der Polizei (S. 21, 81 d.A.) und um polizeiliche Angaben des Helmut C, die mit diesem Geständnis im wesentlichen Punkt, nämlich darin, daß der Angeklagte selbst Lenker des Fahrzeugs gewesen sei, übereinstimmen (S. 18, 81 d.A.). Der Beschwerdeführer bezweifelt nun in seiner Beschwerdeschrift sinngemäß die Verläßlichkeit der auf den erwähnten Beweisergebnissen beruhenden erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen zur Frage der Täterschaft, ohne zu beachten, daß er sich hier auf das ihm verwehrte Gebiet der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung begibt, die jeder Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof entrückt ist. Eine offenbar unzureichende Begründung der entscheidungswichtigen Urteilsfeststellungen zur Täterschaft und Schuld des beschwerdeführenden Angeklagten kann auf solche Weise keineswegs dargetan werden.
Es trifft aber auch die - weitere - Beschwerdeeinrede nicht zu, das Erstgericht habe sich stillschweigend darüber hinweggesetzt, daß der Zeuge Helmut C den Angeklagten in der Hauptverhandlung zu entlasten suchte, denn das Erstgericht ging auf die in Rede stehende Aussage - auf S. 6 und 7 der Urteilsurschrift (= S. 80 f. d.A.) - mit hinlänglicher Ausführlichkeit ein: Die offenbare Beschwerdeauffassung, daß das Urteil sich nicht mit allen in der Mängelrüge präzisierten Argumenten und zugunsten des Nichtigkeitswerbers auslegbaren Beweisdetails befaßte und die Aussage des Zeugen Helmut C nicht in sämtlichen Einzelheiten besprach, zeigt noch keinen formalen Begründungsmangel auf: Nach der in der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. zitierten Bestimmung des § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO. ist es durchaus nicht notwendig, im Urteil zu jedem Vorbringen Stellung zu nehmen und alle im Beweisverfahren hervorgekommenen Umstände bis ins Letzte zu erörtern; es genügt vielmehr, wenn der erkennende Gerichtshof - in den Entscheidungsgründen seines Urteils - in gedrängter Kürze und unter Vermeidung jedweder überflüssigen Weitwendigkeit jene entscheidenden Umstände bezeichnet, die er als erwiesen annimmt, und - der Vorschrift des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. entsprechend - jene Gründe benennt, die ihn von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugen. Daß das Schöffengericht im gegebenen Fall dieser seiner strafprozessualen Verpflichtung nicht nachgekommen sei, vermag die Beschwerde - zusammengefaßt - nicht darzutun.
In Wahrheit richtet sich die Mängelrüge - auch in diesem Abschnitt - nach Inhalt und Zielsetzung in erster Linie gegen die schöffengerichtliche Beweiswürdigung, indem sie die Beweiskraft und den Beweiswert des Beweismaterials erörtert und die vom Schöffengericht als widerlegt erachtete leugnende Verantwortung des Angeklagten dem Sinn nach als richtig oder doch zumindest als unwiderlegt bezeichnet, ohne dem Urteil unterlaufene formale Begründungsmängel in der Bedeutung der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. nachzuweisen.
Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.
haftet darum dem Ersturteil im geltend gemachten Umfang nicht an. Der materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. wurde nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil die Beschwerde insoweit nicht von den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen ausgeht, sondern - urteilsfremd - unterstellt, daß der Angeklagte zur Tatzeit nicht Lenker des besagten Fahrzeugs gewesen sei. Der Umstand, daß der Angeklagte - mit dem im Schuldspruch angefochtenen Ersturteil - von der Anklage des Vergehens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB. - begangen an Helmut C - gemäß dem § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen wurde, vermag an den vom Erstgericht (mängelfrei) getroffenen Tatsachenfeststellungen zur Täterschaft und Schuld in den Anklagepunkten nach § 88 StGB. nichts zu ändern.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war darum als unbegründet zu verwerfen.
Eine amtswegige Maßnahme nach dem § 290 Abs. 1 StPO.
- in Beziehung auf den Schuldspruch wegen Vergehens nach dem § 88 Abs. 1 und 4 (§ 81 Z. 2) StGB. und wegen Vergehens nach dem § 88 Abs. 1 und 3 (§ 81 Z. 2) StGB. - konnte unterbleiben, wiewohl § 88 StGB. nach seinem eindeutigen Wortlaut nur einen einzigen Straftatbestand mit verschiedenen strafsatzerhöhenden Umständen enthält. Denn der Angeklagte hat durch seine fahrlässige Handlung - die schwere und leichte Verletzungen verschiedener Personen bewirkte
- dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzt, also gleichartige Idealkonkurrenz (in anderer Terminologie verstärkte Tatbestandsmäßigkeit) zu verantworten. Mithin könnte die durch mehrfachen Erfolgseintritt gekennzeichnete mehrfache Gesetzesverletzung aus diesem Blickwinkel nicht unberücksichtigt bleiben: Sie müßte wegen der erschwerenden Steigerung des Erfolges vor allem in der Strafbemessung ihren Niederschlag finden, sodaß nach Lage des Falles ein dem Angeklagten erwachsener Nachteil nicht zu ersehen ist.
Das Kreisgericht verurteilte den Angeklagten Franz A nach dem zweiten Strafsatz des § 88 Abs. 4 StGB.
unter Anwendung des § 11 JGG. und Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten.
Bei der Strafbemessung waren erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Delikte sowie die Verletzung von zwei Personen nach § 88 Abs. 1 und 3 StGB., mildernd der bisherige untadelhafte Wandel des Angeklagten sowie die eigene leichte Verletzung.
Der Angeklagte strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung des Strafausmaßes, eine Umwandlung der Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe sowie die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an. Die Berufung ist nur teilweise im Recht.
Die hier gegebenen Strafzumessungsgründe wurden in erster Instanz nicht nur - im wesentlichen - richtig und vollzählig festgestellt, sondern auch zutreffend gewürdigt. Die zuerkannte Freiheitsstrafe entspricht nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs sowohl dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen als auch dem Verschuldensgrad des Angeklagten, sodaß eine Reduzierung des Strafausmaßes nicht gerechtfertigt wäre. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß entgegen der Auffassung des Berufungswerbers eine Alkoholisierung zur Tatzeit unter den gegebenen Verhältnissen nicht als mildernd in Betracht zu ziehen ist;
denn gemäß dem § 35 StGB. ist ein Rauschzustand nur insoweit mildernd, als die dadurch bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit nicht durch den Vorwurf aufgewogen wird, den der Genuß oder Gebrauch des berauschenden Mittels den Umständen nach begründet. Vorliegend hätte der Angeklagte als Kraftfahrzeuglenker vor Fahrtantritt jedweden Alkoholgenuß meiden sollen; er kann darum seine durch Alkoholisierung beeinträchtigte Zurechnungsfähigkeit nicht für sich ins Treffen führen. Im übrigen bedarf es im gegebenen Fall der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, um den Täter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, weshalb die Voraussetzungen einer Strafumwandlung nach dem § 37 Abs. 1 StGB. nicht vorliegen.
Hingegen ist dem Berufungswerber zuzustimmen, wenn er vorbringt, daß die Bedingungen einer bedingten Strafnachsicht gegeben sind, und zwar vor allem wegen des jugendlichen Alters des Täters und seines bisherigen untadelhaften Lebenswandels. Der Oberste Gerichtshof vermeint, daß hier die bloße Androhung der Vollziehung einer Freiheitsstrafe allein Besserungserfolg erwarten läßt, sodaß der Berufung (nur) in dieser Richtung Folge zu geben war. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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