OGH 10Os86/79

OGH10Os86/7926.9.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. September 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Walenta und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführer in der Strafsache gegen Harald A wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. März 1979, GZ. 3 b Vr 8956/78-22, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, nach Verlesung der Rechtsmittelschrift des Angeklagten und nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4. Februar 1959 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Kellner Harald A 1. des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB.

2. des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB. und 3. des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 (erster Deliktsfall) StGB.

schuldig erkannt. Nach dem Inhalt dieser Schuldsprüche hat er in Wien zu 1.): am 31. Oktober 1978 den Eugen B am Körper (vorsätzlich) verletzt, indem er ihn durch Faustschläge und Stiche mit einem Fixiermesser Schnittwunden an der linken Gesäßgegend und am linken Hinterhaupt, ferner - mit Blutergüssen verbundene - Schwellungen an der rechten Stirn und am rechten Kinn sowie eine Wunde an der Unterlippe zufügte (Punkt I des Urteilssatzes), zu 2.):

am 1. November 1978 Eugen B durch die Äußerung, er werde ihn umbringen, wenn B die Polizei verständige bzw. dieser seinen Namen nenne, unter gleichzeitigem Vorhalten eines Fixiermessers, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tode, zur Unterlassung der Verständigung der Polizei zu nötigen versucht (Punkt II 1), und zu 3.): am 1. November 1978 den Polizeibeamten Günter C, der gegen ihn wegen der zu Punkt 2 angeführten versuchten schweren Nötigung des Eugen B einschritt, dadurch, daß er ihm mit den Händen einen Stoß versetzte, sodaß er sich kurzfristig losreißen und weiter flüchten konnte, mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme und Überstellung zum Wachzimmer, zu hindern versucht (Punkt II 2). Auf die für diese Straftaten verhängte Freiheitsstrafe wurde dem Angeklagten u.a. die im gesondert geführten Verfahren 5 (früher 6) Vr 589/78 des Jugendgerichtshofes Wien in der Zeit vom '20. April 1978, 9 Uhr 45, bis zum 4. Oktober 1978, 13 Uhr 15', erlittene Vorhaft gemäß § 38 StGB. angerechnet (S. 146, 147). Die vom Erstgericht in den Urteilsgründen (S. 154) ausgedrückte Absicht, diese Haftzeit sei 'irrtümlich entgegen der Bestimmung des § 38 StGB.' angerechnet worden, gibt zu folgender Klarstellung Anlaß:

Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, sind auf die Strafe nicht nur Vorhaften anzurechnen, die der Täter - entsprechend der Z. 2 der zitierten Gesetzesstelle - nach Verübung der den Gegenstand des Schuldspruchs bildenden Tat in einem anderen Verfahren erlitten hat, sondern - in analoger Anwendung der erwähnten Anordnung - alle Vorhaften, aus - wie vorliegend - anläßlich der urteilsmäßigen Ahndung einer Tat noch wegen anderer strafbarer Handlungen anhängige Verfahren, hinsichtlich deren (damit) die Voraussetzungen zur gemeinsamen Führung gemäß § 56 StPO. (an sich) gegeben waren, mögen jene Haftzeiten auch schon vor Begehung des jetzt geahndeten Delikts gelegen sein (LSK. 1978/42 u.a.; Leukauf-Steininger2 S. 354 f.). Diese Vorgangsweise kann unter Umständen dazu führen, daß die Anrechnung auch mehrfach zu erfolgen hat; diesfalls ist erst bei der Vollstreckung die Vorhaft auf die zunächst zu vollziehende Strafe faktisch anzurechnen, worauf die spruchgemäße Anrechnung in den anderen Urteilen gegenstandslos wird (LSK. 1976/122 u.a.; Leukauf-Steininger, Komm.2 S. 356).

Gegenständlichenfalls wurde demnach die angeführte Vorhaft aus dem erwähnten Verfahren des Jugendgerichtshofes zutreffend angerechnet und es hätte - im Gegenteil - das Unterbleiben dieser Anrechnung eine - gemäß § 290 Abs. 1 StPO.

von Amts wegen wahrzunehmende - Urteilsnichtigkeit im Sinn der Z. 11 des § 281 Abs. 1 StPO. bedeutet. Daß dem Erstgericht bei dem auf § 38 StGB. gestützten Ausspruch insoferne ein Fehler unterlaufen ist, als der Beginn der angerechneten Vorhaft mit 20. April 1978, 9 Uhr 45, angegeben wird, obwohl der Angeklagte zunächst bis zum 26. April 1978, 9 Uhr 45, eine sechstägige Verwaltungsstrafe wegen Verstoßes gegen Art. IX EGVG. verbüßte (vgl. 5 Vr 589/78 des Jugendgerichtshofes Wien Band I S. 29, 129-131, 491) gereicht dem Angeklagten nicht zum Nachteil und muß somit (mangels Anfechtung durch den Staatsanwalt) auf sich beruhen.

Rechtliche Beurteilung

Der nur gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB. gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, mit der dieser unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. die diesem Schuldspruch zugrundeliegende Urteilsfeststellung über die von ihm am 1. November 1978 gegenüber Eugen B geäußerte Drohung mit dem Umbringen, insoweit ihr das Erstgericht die Bedeutung einer Drohung mit dem Tod beigelegt hat, unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung i.S.d. erstangeführten Nichtigkeitsgrundes bekämpft und sich zum materiellen Nichtigkeitsgrund - zumindest sinngemäß - gegen die rechtliche Annahme der Qualifikation nach § 106 Abs. 1 Z. 1 StGB. wendet, kommt keine Berechtigung zu. Entgegen der Mängelrüge bedurfte die vom Zeugen Eugen B in der Hauptverhandlung auf die an ihn (sinngemäß) gerichtete Frage, ob er sich als das mit der vorerwähnten, durch das Zücken und Vorhalten eines Fixiermessers unterstrichenen Drohung des Angeklagten (die von diesem auch in der Hauptverhandlung ausdrücklich eingestanden wurde; S. 120, 121 und 123) angekündigte Übel eine Verletzung schlechthin oder die Herbeiführung einer tödlichen Verwundung vorgestellt habe,gegebene Antwort,er habe gedacht, jetzt steche er (Angeklagter) wieder her (S. 128), im Ersturteil keiner näheren Erörterung; denn damit hat der Zeuge - der Auffassung des Beschwerdeführers zuwider - keineswegs die Wertung dieser vom Angeklagten geäußerten und vom Erstgericht festgestellten Drohung (nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrem Sinn) als Todesdrohung ausgeschlossen. Diesem vom Beschwerdefüher relevierten Teil der Aussage des Zeugen B kommt somit für den Schuldspruch wegen Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB. keine entscheidende Bedeutung zu, weshalb die unterbliebene Berücksichtigung in den Urteilsgründen eine Nichtigkeit nach der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. nicht zu bewirken vermag.

Das Erstgericht knüpfte an die Handlungsweise des Beschwerdeführers im konkreten Fall die weitere Annahme, es sei ihm hiebei daran gelegen gewesen, daß Eugen B auf Grund der Umstände die Zufügung tödlicher Verletzungen befürchte, um ihn solcherart von einer Verständigung der Polizei abzuhalten (S. 149). Diese an anderer Stelle im Ersturteil - mit den Ansprüchen, daß diese Drohung nach den näheren Umständen, unter denen sie gefallen ist, objektiv geeignet war, dem Bedrohten auch in Ansehung der angekündigten Todesfolge begründete Besorgnisse einzuflößen (S. 153 unten), und 'eine auf sein Leben bezogene Furcht des Opfers' vom Vorsatz des Angeklagten (bei dieser Äußerung) umfaßt war (S. 153), - noch verdeutlichte Feststellung findet im übrigen in den (im angefochtenen Urteil enthaltenen) Hinweisen auf die vom Angeklagten dem Zeugen B am Vortag gleichfalls mit einem Fixiermesser zugefügten Stichverletzungen sowie auf die Ausweglosigkeit der Situation des schwächeren Opfers in einer engen Telefonzelle angesichts des (damals erneut) vom Angeklagten gezückten Fixiermessers und die Kenntnis des Opfers von der rücksichtslosen Art des Angeklagten eine schlüssige und auch sonst (in jeder Beziehung) mängelfreie Begründung.

Das - an sich zutreffende - weitere Beschwerdevorbringen, daß für die Auslegung einer Äußerung nicht allein deren Wortlaut ausschlaggebend sein könne, sondern vielmehr ihr Sinngehalt untersucht werden müsse, um klarzustellen, ob der Täter tatsächlich mit dem Tode drohen wollte und dies vom Bedrohten auch so zu verstehen war, geht angesichts der vorerwähnten Urteilsbegründung ins Leere. Im Ersturteil, das jedenfalls alle für die rechtliche Annahme der Qualifikation nach § 106 Abs. 1 Z. 1 StGB. entscheidenden Momente ausreichend berücksichtigt, wird sowohl die objektive Eignung der Tat, dem Bedrohten in bezug auf die angedrohte Todesfolge begründete Besorgnisse einzuflößen, zutreffend bejaht, als auch der auf eine derartige (strafsatzerhöhende) Wirkung der Drohung gerichtete Vorsatz des Angeklagten ausdrücklich als erwiesen angenommen (EvBl. 1977/210) und sinngemäß zum Ausruck gebracht, daß der Bedrohte nach den näheren, diese Drohung begleitenden Umständen den Eindruck gewinnen konnte, der Angeklagte sei in der Lage und willens, die angedrohte und auch von seinem Vorsatz umfaßte Todesfolge herbeizuführen (ÖJZ-LSK.

1975/218). Somit erweist sich die vom Beschwerdeführer bekämpfte Annahme der Qualifikation nach dem § 106 Abs. 1 Z. 1 StGB. durch das Erstgericht frei von Begründungsmängeln und einem Rechtsirrtum.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 106 Abs. 1 StGB. zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Bei der Strafzumessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, als mildernd hingegen das Alter unter 21 Jahren, den Umstand, daß es in zwei Fällen beim Versuch geblieben ist, und ein Teilgeständnis.

Die Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes und die Gewährung der bedingten Strafnachsicht anstrebt, ist in keiner Richtung begründet.

Das Erstgericht hat ein Strafmaß gefunden, das durchaus dem erheblichen Unrechts- und Schuldgehalt der Straftaten des Angeklagten entspricht. Seine rücksichtslose Vorgangsweise wurde bereits früher aufgezeigt und auch vom Erstgericht bei der Strafzumessung zu Recht entsprechend berücksichtigt (S. 154). Wenn der Berufungswerber unter Bezugnahme auf die Urteilsausführungen 'eine gewisse Provokation des Angeklagten bzw. eine heftige Gemütsbewegung' als weiteren Milderungsgrund ins Treffen führt, ist dem entgegenzuhalten, daß das Erstgericht (S. 147 f.) seine Verantwortung, B habe ihm, als er trinken wollte, einen Stoß gegen die Bierflasche versetzt, ausdrücklich abgelehnt und außerdem darauf hingewiesen hat, daß in der Gruppe von vier Personen, in der sich auch der Angeklagte und B befanden, 'höchstens gegenseitige Sticheleien fielen', worauf der Angeklagte, dem es stets darauf ankomme, 'in den Augen der anderen als besonders stark und jeder Situation gewachsen zu erscheinen' (S. 148), gegen B tätlich wurde. Für die Annahme weiterer Milderungsgründe ist demnach kein Raum. Aber nicht nur das Ausmaß der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe ist keineswegs überhöht, sondern die Gewährung der bedingten Strafnachsicht nach § 43 Abs. 1 StGB. ebenfalls mit Fug nicht in Betracht gezogen worden, zumal nach dem bisherigen Verhalten des Angeklagten keineswegs gesagt werden kann, daß schon die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe ausreicht, ihn zu einem künftigen Wohlverhalten zu bewegen.

Es war daher über die Berufung spruchgemäß zu erkennen.

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