OGH 9Os101/79

OGH9Os101/7925.9.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. September 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Dr. Simetzberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz Rupert A wegen des Verbrechens des teils vollendenten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3

und 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen Vorgänge im Strafverfahren AZ 11 Vr 1233/77 des Kreisgerichtes Wels erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Franz Rupert A wegen §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 und 15 StGB, AZ 11 Vr 1233/77

des Kreisgerichtes Wels, wurde dadurch, daß über den Antrag des Franz Rupert A vom 2. November 1978, ihm einen Verfahrenshelfer zu bestellen, nicht sogleich entschieden und ihm mit Schreiben vom 21. November 1978 aufgetragen wurde, mit Rücksicht auf die Auflösung des bisherigen Vollmachtsverhältnisses innerhalb von 10 Tagen einen anderen Vertreter für das Rechtsmittelverfahren zu bestellen, widrigens ihm zur Ausführung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein von ihm zu entlohnender Verteidiger bestellt werden würde, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 41 Abs 3, 285 Abs 1, 285 a Z 3 StPO und durch die Unterlassung eines Hinweises auf die Bestimmung des § 294 Abs 4 letzter Halbsatz StPO in der mit der Urteilsausfertigung zugestellten Rechtsbelehrung vom 6. Dezember 1978 in der letztgenannten Bestimmung verletzt.

Alle sich hieran schließenden Verfügungen, insbesondere die am 11. Dezember 1978 erfolgte Zustellung der Urteilsausfertigung, sowie der Beschluß vom 2.Jänner 1979, GZ 11 Vr 1233/77-61, mit dem die Zurückweisung der vom Angeklagten A angemeldeten, aber nicht ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 a Z 2 StPO erfolgte, werden aufgehoben und es wird dem Erstgericht aufgetragen, durch neuerliche Urteilszustellung unter Anschluß einer den Bestimmungen der §§ 285 Abs 1, 285 a Z 3, 294 Abs 4, letzter Halbsatz, StPO entsprechenden Rechtsbelehrung dem Gesetz gemäß vorzugehen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengerichtes vom 30. Oktober 1978, GZ 11 Vr 1233/77-52 (die ON 43-52 des Aktes tragen die unrichtige Aktenzahl 11 Vr 1233/78), wurde u.a. der am 17. November 1944 geborene Vertreter Franz Rupert A des teils allein, teils gemeinsam mit Gustav B begangenen Verbrechens des teils vollbrachten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 und 15 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Während die Staatsanwaltschaft dieses Urteil hinsichtlich beider Angeklagten mit Berufung bekämpft (vgl ON 51 und 58 dA), zog der Mitangeklagte Gustav B seine vorerst angemeldeten Rechtsmittel in der Folge zurück (ON 54 und 60). Franz Rupert A hingegen meldete am 2. November 1978, sohin innerhalb offener Frist, durch seinen damaligen Vertreter Dr. Fritz C Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 53); mit dieser Rechtsmittelanmeldung wurde unter gleichzeitiger Bekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses das Ersuchen verbunden, dem Beklagten für das weitere Verfahren einen Verfahrenshelfer zu bewilligen und diesem die schriftliche Urteilsausfertigung zuzustellen.

Anstatt über diesen Antrag sogleich zu entscheiden, forderte das Erstgericht mit Schreiben vom 21. November 1978 den Rupert Franz A auf, mit Rücksicht auf die Auflösung des bisherigen Vertretungsverhältnisses binnen 10 Tagen einen neuen Verteidiger zur Ausführung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie zur Vertretung vor dem Berufungsgericht zu wählen. Für den Fall der Nichtbefolgung dieses Auftrages wurde dem Angeklagten in Aussicht gestellt, daß für ihn ein Verteidiger bestellt würde, dessen Kosten er zu tragen haben werde.

Ferner wurde er auf die gesetzliche Möglichkeit hingewiesen, daß ein Verteidiger beigestellt werden könne, dessen Kosten er nicht zu tragen hätte, doch sei hiefür Bedingung, daß er ohne Beeinträchtigung des Unterhalts für sich und seine Familie die Kosten der Verteidigung nicht tragen könne.

Unter Hinweis auf die Bestätigung einer Firma D, nach welcher Franz Rupert A im Oktober 1978

Provisionen in der Höhe von brutto 32.450,-- S bezogen hatte, wurde ihm die Abweisung eines Antrages auf Beistellung eines solchen Verfahrenshelfers (gemeint nach § 41 Abs 2 StPO) in Aussicht gestellt (ON 56).

Dieses Schreiben erhielt Franz Rupert A am 23. November 1978; am 11. Dezember 1978 wurde ihm das Urteil mit einer Rechtsmittelbelehrung zugestellt, deren Inhalt zwar den §§ 285, 285 a Z 2 und 3 StPO entsprach, aber keinen Hinweis auf § 294 Abs 4, letzter Halbsatz, StPO enthielt, wonach auf eine Berufung dann keine Rücksicht zu nehmen ist, wenn der Berufungswerber weder bei der Anmeldung der Berufung noch in ihrer Ausführung die Punkte des Erkenntnisses, durch die er sich beschwert findet, deutlich und bestimmt bezeichnet hat. Der Inhalt des Schreibens vom 21. November 1978 (ON 56), insbesondere die darin enthaltene anderslautende Belehrung, wurde nicht erwähnt (S 450).

Franz Rupert A hat in der Folge die angemeldeten Rechtsmittel nicht ausgeführt. Mit zwei Beschlüssen vom 2. Jänner 1979 wurden daraufhin gemäß § 285 a Z 2 StPO die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen und das nunmehr als Antrag nach § 41 Abs 2

StPO gewertete, seinerzeit von Dr. C für den Angeklagten gestellte Ersuchen, ihm für das Rechtsmittelverfahren einen Verfahrenshelfer zu bestellen, unter Hinweis auf das bereits erwähnte Provisionseinkommen abgewiesen (ON 61 und 62). Zur Entscheidung über die nicht ausgeführte Berufung des Angeklagten A und die Strafberufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagten wurde der Akt dem Oberlandesgericht Linz vorgelegt (ON 63). Eine Entscheidung über diese Rechtsmittel ist bisher noch nicht ergangen.

Rechtliche Beurteilung

Durch die nicht sofortige Beschlußfassung über den Antrag vom 2. November 1978 auf Bestellung eines Verteidigers gemäß § 41 Abs 2 StPO (ON 53) und den vorerwähnten, dem Franz Rupert A erteilten Auftrag vom 21. November 1978 und die unvollständige Belehrung vom 6. Dezember 1978 (ON 56, S 449, 450) wurde das Gesetz zum Nachteil des Genannten verletzt.

Angesichts dessen nämlich, daß ihm aufgetragen wurde, für das weitere Verfahren einen Verteidiger frei zu wählen, widrigens für ihn ein Verteidiger bestellt werden würde, dessen Kosten er zu tragen haben werde - mit welchem Hinweis das Erstgericht offenbar die Bestellung eines Verteidigers nach § 41 Abs 3 StPO in Aussicht stellte -

konnte Franz Rupert A zur Überzeugung gelangen, daß, sollte er mit der Verteidigerwahl säumig sein, das Gericht alles Nötige vorkehren werde, was aber deshalb nicht möglich war, weil ein Verteidiger nach § 41 Abs 3 StPO (sog. 'Amtsverteidiger') zur Ausführung angemeldeter Rechtsmittel nicht bestellt werden darf (RZ 1978/133; Foregger-Serini, StPO2, Anm IV zu § 285 a). Daß mit dem Urteil eine hinsichtlich der Nichtigkeitsbeschwerde zutreffende Rechtsbelehrung versendet wurde, vermag den aufgezeigten Verstoß nicht zu sanieren. Denn diese Rechtsbelehrung läßt einerseits den die angemeldete Berufung betreffenden Hinweis auf § 294 Abs 4 letzter Halbsatz StPO vermissen, wonach der Gerichtshof zweiter Instanz die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung u.a. dann zurückweisen kann, wenn der Berufungswerber, wie hier geschehen, weder bei der Anmeldung der Berufung noch in ihrer Ausführung die Punkte des Erkenntnisses, durch die er sich beschwert findet, deutlich und bestimmt bezeichnet hat. Andererseits aber hatte der rechtsunkundige Angeklagte zwei verschiedene Belehrungen erhalten, von denen nur eine richtig sein konnte. Damit blieb aber die entscheidende Frage, mit welchen Konsequenzen er im Fall seiner Untätigkeit zu rechnen hatte, für den Angeklagten mangels eines entsprechenden Hinweises in der mit dem Urteil verschickten Rechtsmittelbelehrung unbeantwortet. Daß sich die unrichtige Belehrung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben kann, weil er eine Rechtsmittelausführung in der Folge unterlassen hat, liegt auf der Hand und wird von ihm mit Beziehung auf die Berufung sogar ausdrücklich behauptet (ON 65). In Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß zu erkennen.

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