OGH 9Os102/79

OGH9Os102/7918.9.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.September 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Simetzberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gottlieb A und einen anderen wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 20l Abs 1 StGB

und anderer strafbarer Handlungen über die von den Angeklagten Gottlieb A und Othmar A gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 10.Mai 1979, GZ 28 Vr 3951/77-84, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Lischka und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Gottlieb A und Othmar A unter anderem der Verbrechen der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB und der schweren Nötigung nach §§ 105, 106 Abs 1 Z 1 StGB sowie Othmar A zudem des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Als Notzucht und als schwere Nötigung liegt ihnen zur Last (I.) am 7. November 1977 in Kitzbühel im bewußten gemeinsamen Zusammenwirken als Mittäter Elisabeth A (A.) mit Gewalt gegen ihre Person, und zwar dadurch, daß sie ihr Schläge versetzten, sie zu Boden stießen, am Halse würgten, an Armen und Beinen festhielten, in ein Zimmer verbrachten und dort festhielten, sowie durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, und zwar durch die Ankündigung, sie umzubringen, wobei ihr ein Stichmesser vorgehalten wurde, widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand wiederholt zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht sowie (B.) durch gefährliche Drohung mit dem Tod, und zwar durch die wiederholte Ankündigung, sie mit dem Messer umzubringen, wobei ihr Othmar A ein Messer vorhielt, zur Unterlassung der Anzeigeerstattung wegen des vorerwähnten Verbrechens genötigt zu haben. Gefährliche Drohung hat Othmar A zu verantworten (II. A.), weil er am 20.November 1977 in Kitzbühel (1.) Elisabeth A durch die Äußerung 'Lisi, das ist dein Tod, ich bringe dich um!' sowie (2.) Elisabeth A und Cornelia B durch die Äußerung 'Ich bringe dich um, beide bringe ich euch noch heute um, schön der Reihe nach!', wobei er mit der Hand die Geste des Halsabschneidens ausführte, gefährlich mit dem Tod bedroht habe, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Den nur gegen diese Schuldsprüche gerichteten, auf Z 3, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO gestützten, gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Verfahrensmängel im Sinn des ersterwähnten Nichtigkeitsgrundes erblicken die Beschwerdeführer darin, daß sie während der Abhörung der Zeugin Elisabeth A in der Hauptverhandlung abtreten mußten und zudem für diese Zeit die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde (S. 392).

Der augenscheinlich aus Gründen der Sittlichkeit (§ 229 StPO) erfolgte Ausschluß der Öffentlichkeit war jedoch sachlich durchaus gerechtfertigt, um der Siebzehnjährigen, die über den mehrfachen Vollzug des Beischlafs an ihr durch beide Angeklagten zu vernehmen war, die Peinlichkeit einer über das unvermeidbare Maß hinaus öffentlichen Darstellung dieser ihre sittliche Intimsphäre betreffenden Vorgänge zu ersparen (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer, III/2, E.Nr. 5 zu § 229 StPO). Daß er bei der vorangegangenen Einvernahme der Beschwerdeführer unterblieben war, ändert daran nichts. Deren - ersichtlich zur Ermöglichung einer unbefangenen Aussage der jugendlichen Zeugin, also im Interesse der Wahrheitsfindung, verfügte (vgl. EvBl. 1960/17) - vorübergehende Entfernung aus dem Sitzungssaal aber konnte nach § 250 StPO nicht zu einer Urteilsnichtigkeit führen, weil diese Sanktion nur mit dem Unterbleiben einer (im vorliegenden Fall ohnedies erfolgten - S. 397) Mitteilung an die Angeklagten über das während ihrer Abwesenheit Vorgefallene verknüpft ist.

Auch die behaupteten Begründungsmängel des Urteils im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO liegen nicht vor. Mit den Aussagen der Zeugen Erna A und Gottlieb A, wonach sich Elisabeth A, eine Cousine der Angeklagten, mit diesen noch nach den inkriminierten Vorfällen unterhalten und dabei auch gelacht habe (S. 404, 405), mußte sich das Erstgericht im Hinblick auf die gegebenen Verwandtschafts- und Wohnverhältnisse, die weitere Kontakte geradezu unvermeidbar machten (vgl. S. 27), insbesondere aber auf das im Urteil betonte Bestreben des Notzuchtsopfers, das Geschehene zu vergessen (S. 420), nicht besonders auseinandersetzen. Dasselbe gilt für die Aussagen der Zeugen Berta A und Josef A (S. 405, 406), aus denen - dem Beschwerdevorbringen zuwider - kein Anhaltspunkt dafür zu gewinnen ist, daß sich der Angeklagte Othmar A zur Tatzeit nicht im Besitz jenes Messers befunden haben könnte, mit dem er Elisabeth A nach deren Darstellung bedroht hat. Von einer Unvollständigkeit des Urteils über entscheidende Tatsachen kann demnach insoweit keine Rede sein.

In gleicher Weise verfehlt ist schließlich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit. a StPO gestützte Rechtsrüge des Beschwerdeführers Othmar A, mit der er die Ansicht vertritt, bei dem ihm unter Punkt II. A. des Urteilssatzes angelasteten Verhalten habe es sich bloß um milieubedingte Unmutsäußerungen und nicht um gefährliche Drohungen im Sinn des § 107 StGB gehandelt. Denn bei einer unbefangenen Betrachtung der Situation aus der Sicht der Bedrohten nach einem Durchschnittsmaßstab (vgl. ÖJZ-LSK 1976/192, 1977/124 u. a.) ist unter Bedacht darauf, daß dieser bereits wegen Körperverletzung vorbestrafte Angeklagte Elisabeth A kurze Zeit vorher rücksichtslos und gewalttätig genotzüchtigt und schon dabei unter Vorhalt eines Messers mit dem Abstechen bedroht hatte (S. 416), der Auffassung des Erstgerichtes, daß seine neuerlichen Drohungen am 20.November 1977 objektiv geeignet waren, bei der Genannten und bei Cornelia B Todesangst auszulösen (vgl. ÖJZ-LSK 1977/97), vollauf beizupflichten. Soweit der Beschwerdeführer aber die Ernstlichkeit dieser Drohungen bestreitet, setzt er sich über jene Urteilsfeststellungen hinweg, nach denen er dabei sehr wohl gezielt in der Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) handelte, Elisabeth A und Cornelia B in bezug auf das ihnen angedrohte Übel in Furcht und Unruhe zu versetzen (S. 418, 425); damit bringt er folglich die Rechtsrüge, bei deren Ausführung am Urteilssachverhalt festgehalten werden muß, nicht zu einer gesetzmäßigen Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten waren daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte die Angeklagten wegen der bisher erörterten Delikte und Gottlieb A überdies wegen des in zwei Fällen begangenen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie Othmar A zudem wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 1 StGB gemäß § 201 Abs 1 StGB unter Bedacht auf § 28 StGB zu je dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Bei der Strafzumessung wertete es hinsichtlich beider Angeklagten die leichten Verletzungen, die Elisabeth A bei der Notzucht erlitt, ferner bei Gottlieb A seine schweren einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen sowie bei Othmar A eine einschlägige Vorstrafe, die Wiederholung der gefährlichen Drohung und das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit zwei Vergehen als erschwerend, hingegen bei Gottlieb A seinen Beitrag zur Wahrheitsfindung durch sein Geständnis vor der Gendarmerie und bei Othmar A keinen Umstand als mildernd. Den Berufungen beider Angeklagten, mit denen sie eine Strafherabsetzung anstreben, kommt keine Berechtigung zu. Den vom Erstgericht zutreffend angenommenen Strafzumessungsgründen halten die Berufungswerber ausschließlich die sittliche Verwahrlosung des Notzuchtsopfers entgegen, aus der sie die Berechtigung ihres Begehrens um Strafmilderung ableiten möchten. Angesichts der außergewöhnlichen Brutalität der mehrfachen Notzucht in Verbindung mit der Deliktshäufung und mit dem (zum Teil erheblich) getrübten Vorleben der Angeklagten kommt diesem Umstand aber bei der Strafbemessung keine entscheidende Bedeutung zu, zumal eine sexuelle Verwahrlosung der zur Tatzeit fünfzehnjährigen Elisabeth A nach der Aktenlage jedenfalls nicht objektiviert ist (vgl. S. 103, 353). Die über die Berufungswerber verhängten Freiheitsstrafen werden dementsprechend ihrer tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) durchaus gerecht. Den Berufungen war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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