OGH 10Os105/79

OGH10Os105/798.8.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. August 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 23. April 1979, GZ 23 Vr 2309/78-25, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 23. April 1979, GZ 23 Vr 2309/78-25, verletzt in den Schuldsprüchen wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB (Punkt 1. des Urteilssatzes) und des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB (Punkt 2.) das Gesetz in den zitierten Bestimmungen. Es werden dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, insoweit und im Ausspruch über die Strafe sowie alle hierauf beruhenden erstgerichtlichen Verfügungen aufgehoben; gemäß §§ 292, 288 Abs 2 Z 3 StPO wird (im obigen Umfange) in der Sache selbst erkannt:

Josef A ist schuldig, er hat am 28. November 1978

in Linz Monika A mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zu Handlungen und Duldungen genötigt, und zwar 1. indem er sie mit Gewalt entkleidete und durch Androhung von Mißhandlungen (Schlägen), wenn sie schreie, dazu, in nacktem Zustand verschiedene Stellungen einzunehmen und sich so fotografieren zu lassen;

2. durch die zu 1. bezeichnete Drohung und indem er sie gewaltsam auf das Bett drückte, zum Beischlaf mit ihm.

Josef A hat hiedurch das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB begangen und wird hiefür sowie für das ihm nach dem aufrecht gebliebenen Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last fallende Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (Punkt 3. des Urteilssatzes) gemäß §§ 28, 106 Abs 1 StGB zu 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft gemäß dem § 28 StGB wird aus dem Ersturteil übernommen.

Text

Gründe:

Aus den Akten des Landesgerichtes Linz, AZ 2 Cg 327/78 und 23 Vr 2309/78,ergibt sich folgender Sachverhalt:

I. Im Scheidungsverfahren zum AZ 2 Cg 327/78 erkannte das Landesgericht Linz mit dem am 13. November 1978 verkündeten Urteil (ON 4) zu Recht, daß die zwischen (der klagenden Partei) Monika A und (der beklagten Partei) Josef A am 1. September 1976 vor dem Standesamt Linz geschlossene Ehe aus dem Verschulden des Beklagten mit der Wirkung geschieden ist, daß sie mit der Rechtskraft dieses Urteils als aufgelöst gilt. Außerdem wurde ausgesprochen, daß die Klägerin Monika A an der Scheidung ein gleichteiliges Mitverschulden trifft. Zufolge des von beiden Streitteilen sogleich nach Urteilsverkündung erklärten Rechtsmittelverzichtes (S 12 des Cg-Aktes) erwuchs dieses Urteil sofort in Rechtskraft; schriftliche Ausfertigungen wurden den Parteienvertretern am 12. Dezember 1978 zugestellt (s. Rückscheine bei ON 4).

II. Im Strafverfahren zum AZ 23 Vr 2309/78 wurde Josef A von einem Schöffensenat des Landesgerichtes Linz mit dem - unangefochten gebliebenen, aber noch nicht vollstreckten - Urteil vom 23. April 1979, GZ 23 Vr 2309/78-25, 1. des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB;

2. des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB und 3. des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach §§ 28, 202 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe (von 7 Monaten) verurteilt. Dem Urteil liegt zugrunde, daß Josef A - der auch nach der am 13. November 1978 ausgesprochenen Scheidung seiner Ehe mit Monika A die frühere gemeinsame eheliche Wohnung (bis 30. November 1978) benützen durfte -

am 28. November 1978 in Linz Monika A zu 1. 'mit Gewalt entkleidete und durch gefährliche Drohung mit Mißhandlung, wenn sie schreie, zur Unzucht nötigte, indem er sie zur Einnahme unzüchtiger Stellungen aufforderte und sie in diesem Zustand fotografierte'; zu 2. dadurch die zu 1. bezeichnete gefährliche Drohung und durch Gewalt, nämlich indem er sie auf das Bett drückte, zum außerehelichen Beischlaf sowie zu 3. indem er äußerte, er werde sie umbringen, wenn sie bei der Polizei über die zu den Fakten 1. und 2. geschilderten Vorfälle eine Anzeige erstatte, durch gefährliche Drohung mit dem Tode zur Unterlassung einer Anzeigeerstattung nötigte.

Rechtliche Beurteilung

III. Das zu Punkt II. angeführte rechtskräftige Urteil steht den Schuldsprüchen zu den Punkten 1. und 2. des Urteilssatzes mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Auf Grund der auch im Eheverfahren geltenden Anordnung des § 416 Abs 1 ZPO, wonach das Urteil den Parteien gegenüber erst mit der Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung wirksam wird, wurde die Ehe der Streitteile - Monika und Josef A - vorliegend weder mit der Verkündung des die Scheidung ihrer Ehe aussprechenden Urteils des Landesgerichtes Linz vom 13. November 1978 noch mit dem von beiden Streitteilen sogleich nach Urteilsverkündung erklärten Rechtsmittelverzicht, sondern erst mit der am 12. Dezember 1978 erfolgten Urteilszustellung wirksam aufgelöst.

Die Urteilsverkündung hatte gemäß § 416 Abs 2 ZPO zunächst nur die Bindung des Gerichtes an die verkündete Entscheidung zur Folge, während der von den Prozeßparteien erklärte Rechtsmittelverzicht vorerst lediglich die Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung bewirkte (§ 411 ZPO: 'formelle Rechtskraft'). Vor dem Zeitpunkt der Zustellung des Urteils an die Parteien traten dessen - im Eheverfahren rechtsgestaltende - Wirkungen aber nicht ein, zumal eine Rückbeziehung derselben, vorliegend der Auflösung der Ehe der Streitteile, auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung oder des Eintrittes der formellen Rechtskraft anders als in den im § 416 Abs 3 ZPO besonders geregelten Ausnahmefällen in Ehesachen nicht vorgesehen ist (vgl. Fasching, ZPO-Komm. III, 793, 794). In strafrechtlicher Hinsicht ergibt sich hieraus für das dem schöffengerichtlichen Urteil zugrundeliegende Tatverhalten des Angeklagten Josef A laut Punkt 1. und 2. des Urteilssatzes:

Im Tatzeitpunkt (28. November 1978) war die Ehe des Angeklagten mit Monika A noch nicht rechtswirksam aufgelöst. Josef A war vielmehr bis zu der (erst) am 12. Dezember 1978 erfolgten Zustellung des Scheidungsurteils rechtlich weiterhin als Ehemann der Monika A zu beurteilen und konnte daher als solcher die Genannte weder im Sinne des § 202 Abs 1 StGB (Punkt 2. des Urteilssatzes) 'zum außerehelichen Beischlaf' noch im Rahmen des faktischen weiteren Zusammenlebens im Sinne des § 204 Abs 1 StGB (Punkt 1. des Urteilssatzes) 'zur Unzucht' nötigen, weil hiefür entsprechende Handlungen zwischen Ehegatten grundsätzlich nicht in Betracht kommen (vgl. Dokumentation, 191; Foregger-Serini, StGB2, 345, 349; Leukauf-Steininger, Komm. 923, 927 und 930 oben). Der Ehemann, der rechtswidrig seiner Ehefrau den Beischlaf abnötigt oder diese zu unzüchtigen Handlungen zwingt, erfüllt dadurch bloß den Tatbestand der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und nicht die oben angeführten strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit. Es kann daher die weitere Frage unerörtert bleiben, ob das von Josef A (außer dem Beischlaf) erzwungene Verhalten dem Begriff der Unzucht überhaupt entspricht.

Der mithin dem Landesgericht Linz als Schöffengericht vorliegend durch die Schuldsprüche laut Punkt 1. und 2.

des Urteilssatzes unterlaufene - eine Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO bewirkende - Subsumtionsirrtum hat sich im Hinblick auf die unterschiedlichen Strafdrohungen für (einfache) Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB gegenüber den vom Landesgericht Linz angenommenen Delikten der Nötigung zum Beischlaf (§ 202 Abs 1 StGB) bzw. zur Unzucht (§ 204 Abs 1 StGB) zum Nachteil des Angeklagten Josef A ausgewirkt, der insofern mit strengerer Strafe bedrohter Delikte schuldig gesprochen worden ist. Es war deshalb in Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen begründeten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach dem letzten Satz des § 292 StPO spruchgemäß zu erkennen.

Bei der nunmehr - ausgehend von der Bestimmung des § 106 Abs 1 StGB - vorgenommenen Neubemessung der Strafe waren der rasche Rückfall, die zahlreichen Vorstrafen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten und das Zusammentreffen einer schweren mit einer einfachen Nötigung erschwerend, mildernd demgegenüber kein Umstand.

Bei diesen Strafzumessungsgründen entsprach eine sechsmonatige Freiheitsstrafe der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten, wobei der Oberste Gerichtshof insbesondere deshalb noch mit der gesetzlichen Mindeststrafe das Auslangen finden zu können vermeinte, weil der (wiederholt vorbestrafte) Angeklagte bisher noch keine Freiheitsstrafe verbüßen mußte.

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