OGH 11Os107/79

OGH11Os107/7931.7.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Juli 1979 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kießwetter, Dr. Walenta und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollack als Schriftführer über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 4. Dezember 1978, GZ 10 U 2421/78-3, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren 10 U 2421/78 des Strafbezirksgerichtes Wien verletzt das Urteil dieses Gerichtes vom 4. Dezember 1978, GZ 10 U 2421/78-3, mit dem die im Gerichtsdepot befindliche Pistole Marke 'Walther' s Patent Mod. 9';

Kal. 6,35; Nr. 556.354, samt einem Magazin und sechs Patronen, gemäß dem § 26 Abs 3 StGB eingezogen wurde, das Gesetz in der letztzitierten Bestimmung.

Dieses Urteil wird aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

I./ Aus dem Akt 10 U 2421/78 des Strafbezirksgerichtes Wien ergibt sich folgender Sachverhalt:

Am 13. Mai 1978 deponierte der Geschäftsführer und laut eigenen Angaben Mitinhaber der Wiener Modefirma A, Rudolf B, beim Bezirkspolizeikommissariat Wien-Innere Stadt eine Pistole, Marke 'Walther' s Patent Mod. 9', Kal. 6,35, Nr. 556.354 (und ein Magazin mit sechs Patronen) mit dem Bemerken, daß er diese Waffe bei einer Überprüfung eines schon jahrelang ungeöffneten Firmensafes in diesem aufgefunden habe (s. S 1). Die hierauf veranlaßte kriminaltechnische Untersuchung der Waffe ergab keinen Hinweis auf Tatzusammenhänge mit der zentralen Tatortnunitionssammlung, weiters erbrachten die polizeilichen Erhebungen auch keinen Hinweis auf die Person des Besitzers der Waffe, die vermutlich aus der Kriegszeit stammt (s. S 6 f.).

Am 25. Juli 1978 beantragte der Bezirksanwalt beim Strafbezirksgericht Wien, dem dieses Erhebungsergebnis vorlag, beim Strafbezirksgericht Wien 1. das Verfahren gegen U. T. gemäß § 412 StPO abzubrechen und 2. die 'objektive Einziehung der Waffe' (S 10). Das Strafbezirksgericht Wien entsprach zu 10 U 2421/ 78 zunächst dem erstbezeichneten Antrag mit Beschluß vom 26. Juli 1978 und erkannte sodann mit Urteil vom 4. Dezember 1978, GZ 10 U 2421/78-3, auf Einziehung der in Rede stehenden, inzwischen in gerichtliche Verwahrung genommenen Faustfeuerwaffe samt Magazin und Munition gemäß dem § 26 Abs 3 StGB Die Urteilsbegründung hiezu lautet:

'Die gegenständliche Pistole wurde am 13. Mai 1978

der Polizei von Rudolf B übergeben und soll sich bereits jahrelang

im Safe der Firma A befunden haben.

Sie soll einem früheren Geschäftsführer gehören. Eine Überprüfung durch die Polizei (S 6 d. A) hat keinen nachweisbaren Tatzusammenhang mit der zentralen Tatortmunitionssammlung ergeben. Die Geschäftsführer haben in der Firma sehr oft gewechselt und dürfte die Pistole noch ein Relikt aus der Kriegszeit sein. Der Eigentümer konnte nicht ermittelt werden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Tatsache, daß die Pistole jahrelang in einem Safe aufbewahrt wurde, ist der naheliegende Schluß ableitbar, daß der Besitz an der Waffe rechtswidrig war und der Eigentümer gegen das Waffengesetz verstoßen hat.

Es war daher im objektiven Einziehungsverfahren spruchgemäß zu entscheiden.' II./ Dieses Einziehungserkenntnis blieb unangefochten, es steht jedoch mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Gemäß dem § 26 Abs 1 StGB sind Gegenstände, die der Täter zur Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei Begehung dieser Handlung verwendet zu werden, oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind, einzuziehen, wenn dies nach der besonderen Beschaffenheit der Gegenstände geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken. Gemäß dem dritten Absatz des § 26 StGB sind solche Gegenstände auch dann - im sogenannten selbständigen (objektiven) Verfahren (vgl. § 445 StPO) - einzuziehen, wenn keine bestimmte Person wegen der mit Strafe bedrohten Handlung verfolgt oder verurteilt werden kann. Mithin dürfen 'gefährliche' Gegenstände im Sinne des § 26 Abs 1 StGB im selbständigen Einziehungsverfahren nur bei Vorliegen einer konkreten mit Strafe bedrohten (zumindest bis zum Versuch /-§ 15 StGB/- gediehenen) Anlaßtat eingezogen werden (vgl. EvBl. 1976/288; LSK 1978/196).

Ob diese Voraussetzung im gegenständlichen Fall erfüllt ist, kann nach den wiedergegebenen Ausführungen im Einziehungserkenntnis derzeit nicht beurteilt werden. Denn für die nach dem Gesagten für die gerichtliche Einziehung einer Waffe (mit Munition) essentielle Konstatierung des unbefugten Besitzes der Waffe und eines dadurch (oder sonst) gesetzten, mit gerichtlicher Strafe bedrohten Verstoßes gegen das Waffengesetz (vgl. § 36 Abs 1 WaffenG) reicht die Anführung von Rechtsbegriffen (rechtswidriger Besitz, Verstoß gegen das Waffengesetz) auf der Grundlage bloß vermuteter Tatsachen und nicht näher begründeter Schlußfolgerungen nicht aus. Das ohne Feststellung einer Anlaßtat im Sinne des § 26 Abs 3 (Abs 1) StGB (insbesondere in Verbindung mit § 36 Abs 1 WaffenG) ergangene Einziehungserkenntnis verletzt daher zum Nachteil jener Personen, die ein Recht auf die von der Einziehung erfaßten Gegenstände haben könnten, das Gesetz.

Dieses Urteil war daher in grundsätzlicher Stattgebung der gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Beschwerde der Generalprokuratur aufzuheben und die Erneuerung des mit dem Mangel behafteten Verfahrens anzuordnen.

Allerdings war dem weiteren Beschwerdevorbringen, wonach das Erstgericht mit Abweisung des vom Bezirksanwalt am 25. Juli 1978 gestellten Einziehungsantrages hätte vorgehen müssen, nicht zu folgen und die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes demnach insoweit zu verwerfen. Mangels Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Beweisquellen (Vernehmung jener Personen, die zum Safe Zugang hatten etc.) kann nämlich keineswegs ausgeschlossen werden, daß das Erstgericht in der Lage sein wird, solche Feststellungen begründet zu treffen, die den rechtlichen Kriterien einer die beantragte Einziehung rechtfertigenden Anlaßtat entsprechen.

Der Vollständigkeit halber sei im gegebenen Zusammenhang noch erwähnt, daß Rudolf B entgegen der Anordnung des § 444 Abs 1 StPO offensichtlich nicht als Einziehungsbeteiligter zur Hauptverhandlung geladen worden ist. Dieser prozessuale Verstoß braucht aber angesichts der aufgezeigten materiellrechtlichen Gesetzesverletzung und deren Folgen nicht gesondert aufgegriffen zu werden.

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