OGH 12Os63/79

OGH12Os63/795.7.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Juli 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollack als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8.November 1978, GZ 5 d Vr 2194/77-90, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde sowie die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Thomas und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen, den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25.August 1927 geborene Schuhmachergeselle Johann A auch im zweiten Rechtsgang des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB, des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB und des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig gesprochen.

Ihm liegt zur Last, in Wien in der Zeit von Ende August 1966 (richtig: 1976) bis März 1977 zu wiederholten Malen 1.) seine am 22. August 1959 geborene Tochter Kornelia A durch Versetzen von Schlägen zum außerehelichen Beischlaf genötigt, 2.) mit seiner Tochter Kornelia A, sohin mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf vollzogen und 3.) durch die zu

1) und 2) beschriebenen Handlungen sein minderjähriges Kind Kornelia

A zur Unzucht mißbraucht zu haben.

Laut Urteilsfeststellungen ist der Angeklagte Johann A der Vater der am 22.August 1959 geborenen Kornelia A und hat mit ihr während des im Spruch genannten Zeitraums wiederholt den außerehelichen Beischlaf vollzogen.

Wenn sich seine Tochter zu Beginn wehrte, machte er sie durch Drohungen und Schläge gefügig, sodaß sie nachgab und den Geschlechtsverkehr duldete. Als Folge blieb Kornelia A nächtelang von zu Hause fort, um Ruhe vor den Nachstellungen des Vaters zu haben. Am 14.März 1977

erstattete sie schließlich auf Zureden ihres Freundes die Strafanzeige.

Diesen Sachverhalt nahm der Schöffensenat der leugnenden Verantwortung des Angeklagten zuwider und trotz der vom Sachverständigen Primarius Dr. Heinrich B bezüglich der Aussageehrlichkeit des Mädchens geäußerten Bedenken auf Grund der von Kornelia A, die sich in der Hauptverhandlung der Aussage entschlagen hatte, vor der Polizei gemachten Angaben als erwiesen an.

Von zwei weiteren Anschuldigungspunkten wurde Johann A rechtskräftig freigesprochen.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Ziffern 5, 10 und 11 - der Sache nach auf jene der Ziffern 5, 9 lit. a und 10 - des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Als Begründungsmängel im Sinne des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes werden vom Beschwerdeführer Unvollständigkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen und Angabe nur offenbar unzureichender Gründe geltend gemacht.

Sein Vorbringen hält jedoch einer Überprüfung nicht stand. In den Entscheidungsgründen wird durchaus schlüssig dargelegt, warum das Gericht die vom Sachverständigen Primarius Dr. B bezüglich der Aussageehrlichkeit der Kornelia A geäußerten Bedenken nicht geteilt hat, und in diesem Zusammenhang auch auf die innere Schlüssigkeit der von Kornelia A vor der Polizei gemachten belastenden Angaben verwiesen.

Daß die frühere starke Bindung des Mädchens an den Vater vom Angeklagten selbst durch sein Verhalten zerstört worden ist, stellt eine logische Schlußfolgerung dar, die mit den von Kornelia A über die Art dieses Verhaltens und ihre Reaktion darauf gemachten Angaben (Seiten 13 und 14 d.A.) sowie mit dem Umstand, daß das Mädchen die Anzeige erst später auf Zureden ihres Freundes erstattet hat, durchaus in Einklang zu bringen ist.

Mit der Behauptung des Angeklagten, seine Tochter habe die - seiner Darstellung zufolge verleumderische -

Anzeige deshalb erstattet, weil sie von ihrem Begleiter schwanger gewesen sei, hat sich das Erstgericht ebenfalls auseinandergesetzt, hat dieser Behauptung jedoch den Glauben versagt, weil sich kein Hinweis darauf ergeben habe, daß dies das Motiv der Anzeige gewesen sei. Ein solcher Hinweis wird auch vom Beschwerdeführer nicht gegeben.

Nach der Aktenlage würde die Schwangerschaft zudem erst in die Zeit nach der Anzeigeerstattung fallen (S. 119 d.A.).

Inwiefern sich das Erstgericht auch sonst nur ungenügend mit dem Sachverständigengutachten und sonstigen den Urteilsfeststellungen entgegenstehenden Beweistatsachen auseinandergesetzt haben soll, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.

Als Subsumtionsirrtum im Sinne des § 281 Abs 1 Z 10 StPO rügt der Angeklagte, daß die vom Erstgericht angenommene

Tat dem Abs 1 und nicht dem Abs 2 des § 211

StGB unterstellt worden ist.

Diese Rüge geht gleichfalls fehl.

Nach § 211 Abs 1 StGB macht sich der Blutschande schuldig, wer mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf vollzieht. Wer jedoch eine Person, mit der er in absteigender Linie verwandt ist, zum Beischlaf verführt, unterliegt nach Abs 2 einer strengeren Strafdrohung.

Zum Tatbild des § 211 Abs 2 StGB muß zur Vollziehung des Beischlafs noch das Moment der Verführung, d.h.

des Einwirkens auf den Willen der betreffenden Person, um sie zum Beischlaf zu bewegen, hinzukommen (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 955), wobei jedoch Gewalt als Mittel der Verführung schon begrifflich nicht in Betracht kommt. Da sich der vorliegende Schuldspruch nach § 211

(Abs 1) StGB auf Fälle bezieht, in denen der Angeklagte seine Tochter durch Schläge zur Duldung des außerehelichen Beischlafs genötigt hat, und auch aus den der Sachverhaltsfeststellung zugrunde gelegten Angaben der Kornelia A hervorgeht, daß sie sich immer gegen einen Verkehr mit dem Angeklagten gewehrt habe (Seite 13 d.A.), kann von einem 'Verführen' im Sinne des § 211 Abs 2 StGB nicht gesprochen werden.

Auch in bezug auf den Schuldspruch wegen Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses erweist sich die in diesem Punkte auf den Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte, der Sache nach aber in Richtung der Z 9 lit. a dieser Gesetzesstelle ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde als unbegründet.

Eines Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB macht sich schuldig, wer sein minderjähriges Kind, Wahlkind, Stiefkind oder Mündel und wer unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person diese zur Unzucht mißbraucht oder, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu verleitet, eine unzüchtige Handlung an sich selbst vorzunehmen.

Idealkonkurrenz zwischen Blutschande und Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses ist grundsätzlich möglich (siehe Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 957 und 961). Ausgeschlossen wäre eine solche Idealkonkurrenz dann, wenn die Blutschande an einer mit dem Täter in absteigender Linie verwandten Person durch Verführung begangen wird (§ 211 Abs 2 StGB), in welchem Fall die Blutschande den Mißbrauch zur Unzucht durch Ausnützung eines Autoritätsverhältnisses konsumieren würde (vgl. EvBl. 1977/165 und 197).

Der Anwendung des § 212 Abs 1 StGB steht in Ansehung der ersten Begehungsform, bei welcher Tatobjekt das minderjährige Kind, Wahlkind, Stiefkind oder Mündel des Täters ist, auch der Umstand nicht entgegen, daß die Willensbeugung des zur Unzucht mißbrauchten Opfers durch Gewaltanwendung oder gefährliche Drohung bewirkt wird. Denn die Tathandlung erschöpft sich bei dieser Begehungsform im Mißbrauch der geschützten Person zur Unzucht; ein Verleiten im Sinne einer durch Einwirken auf den Willen des Opfers bewirkten Bestimmung desselben, sich dem Täter willfährig zu erweisen und freiwillig die unzüchtigen Handlungen zu verüben oder zu dulden, setzt dieser Deliktsfall - im Gegensatz zu den in § 212 Abs 1 letztem Fall oder Abs 2 letztem Fall StGB umschriebenen Begehungsarten - nicht voraus. Der Mißbrauch des Autoritätsverhältnisses kann jedoch beim Mißbrauch des minderjährigen Kindes, Wahlkindes, Stiefkindes oder Mündels zur Unzucht als typisch vorausgesetzt werden. Anderseits kann nicht gesagt werden, daß die Anwendung von Gewalt oder Drohung als Mittel zum sexuellen Mißbrauch eines minderjährigen Kindes, wenn - so wie im vorliegenden Fall - das Opfer hiebei nicht völlig widerstandsunfähig gemacht, demnach sein Wille nicht gebrochen, sondern nur gebeugt wird, einen Mißbrauch zur Unzucht im Sinne des § 212 Abs 1 StGB ausschließt (vgl. EvBl. 1979/72).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann A war daher zu verwerfen.

Johann A wurde nach §§ 202 Abs 1, 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt. Bei der Strafbemessung war erschwerend die einschlägige, wenn auch länger zurückliegende Vorstrafe, das Begehen mehrerer Straftaten und die Fortsetzung durch längere Zeit, mildernd kein Umstand.

Mit ihren Berufungen streben der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe und bedingten Strafnachlaß, die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung der Freiheitsstrafe an.

Die Berufungen sind nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat die Strafbemessungsgründe im wesentlichen zutreffend erfaßt und gewertet. Eine Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr entspricht dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten. Da der Angeklagte trotz zahlreicher Vorstrafen neuerlich straffällig wurde, ist die Annahme nicht gerechtfertigt, daß die bloße Androhung der Vollziehung genügen werde, ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Es war somit beiden Berufungen der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

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