OGH 11Os76/79

OGH11Os76/7929.5.1979

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollack als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 StGB mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 1. März 1979, GZ 8 Vr 2908/78-58, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt I.) 1.) des Urteilssatzes und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 5. August 1947 geborene beschäftigungslose Franz A des (in sieben Angriffen begangenen) Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 StGB schuldig erkannt und nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

(Nur) den Schuldspruch wegen Diebstahls von 6.600 S Bargeld aus einem Wandsparschrank zum Nachteil der Sparkasse Leibnitz nach Einbruch in das Gasthaus des Friedrich B in der Nacht zum 1. November 1976 (Faktum I. 1.) bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeisbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Schon der Verfahrensrüge kommt Berechtigung zu:

Der Angeklagte bekannte sich zu dem Anklagevorwurf, in der Nacht zum 1. November 1976 in Leibnitz einen Einbruchsdiebstahl in das Gasthaus B begangen zu haben, nicht schuldig, und verantwortete sich (letztlich) damit, die Nacht vom 31. Oktober zum 1. November 1976 im Cafe 'H' in Innsbruck verbracht zu haben, und zwar in Gesellschaft des 'Chefs des Lokals', Herrn C, dessen Freundin, Peter D und Arbeitskollegen (vgl. S 436 i.V.m. S 193 m; die ursprünglich zu diesem Punkt gewählte Verantwortung, zur fraglichen Zeit in Innsbruck im Restaurant 'F' als Aushilfskellner gearbeitet zu haben /s.S. 166/, hielt der Beschwerdeführer in der Folgezeit nicht aufrecht; vgl. dazu auch die Gendarmerieerhebung, derzufolge der Beschwerdeführer in Tirol noch nie als Arbeitnehmer gemeldet war /S 25/).

Zum Beweis für die Richtigkeit seiner Verantwortung, sich in der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November 1976

(bis ca. 3 Uhr Früh) in dem schon genannten Cafe 'H' aufgehalten zu haben, beantragte der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung durch seinen Verteidiger die Vernehmung 'des N. C, des Bino N. und Gerhard N. sowie einer gewissen E, alles Angestellte bzw. Inhaber des Gasthauses 'F' in Innsbruck' (S 451). Das Schöffengericht wies diesen Antrag mit der im Hauptverhandlungsprotokoll (S 453) festgehaltenen Begründung ab, es erachte die Vernehmung der beantragten Zeugen 'auf Grund der bisherigen Beweisergebnisse, insbesondere der Aussage der Zeugin Brigitte G .... nicht für notwendig'; in der schriftlichen Urteilsbegründung (s.S 473) wiederholte das Erstgericht diese Begründung und ergänzte sie dahingehend, daß 'die beantragten Personen als Zeugen zu unbestimmt sind'.

Mit Recht erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung des vorstehend wiedergegebenen Beweisantrages eine Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 4 StPO begründende Verletzung von Verteidigungsrechten.

Von den vom Verteidiger in der Hauptverhandlung beantragten Zeugen läßt sich nämlich - im Gegensatz zur Meinung des Erstgerichtes - nicht von vornherein sagen, es handle sich um aussichtslose Beweise. Denn die im Beweisantrag genannten, wenn auch bloß durch Vor- bzw. Ruf- bzw. Familiennamen bezeichneten Zeugen hätten mit Rücksicht auf die Angabe, es handle sich bei C um den Besitzer und bei den übrigen Personen um Angestellte des Innsbrucker Gasthauses 'F', ohne weiteres ausgeforscht (und sodann zum vorgebrachten Beweisthema vernommen) werden können. Erst wenn eine solche Erhebung (allenfalls) ergeben hätte, die beantragten Zeugen stünden mit dem Gasthaus 'F' in keinem Zusammenhang und seien dort unbekannt, könnte mit Recht von aussichtslosen Beweismitteln gesprochen werden. Daß es sich bei der Vernehmung von Alibizeugen nicht um unerhebliche, d.h. solche Beweise handelt, die ungeeignet sind, auf die Entscheidung der Strafsache irgendeinen Einfluß zu üben, bedarf keiner näheren Begründung.

Der in dem angefochtenen Zwischenerkenntnis gegebene Hinweis, das Erstgericht sei auf Grund des (bisher) durchgeführten Beweisverfahrens, insbesondere der (für glaubwürdig erachteten) Aussage der Zeugin Brigitte G, die bekundete, der Beschwerdeführer habe sich zur fraglichen Zeit in Leibnitz aufgehalten, vom Gegenteil dessen überzeugt, was durch die beantragten Zeugen bewiesen werden sollte, bedeutet eine mit den bestehenden Prozeßgesetzen nicht in Einklang stehende vorgreifende Beweiswürdigung. Denn nach der Begründung des in Rede stehenden Zwischenerkenntnisses (und überhaupt nach der Aktenlage) ist nicht auszuschliessen, daß durch die Vernehmung der beantragten (unschwer auszuforschenden) Zeugen der Sachverhalt weiter geklärt werden könnte.

Da somit das Erstgericht die Vernehmung von Zeugen, deren Ausforschung nicht aussichtslos erscheint, ablehnte, obwohl sie (als Alibizeugen) zu einem nicht unerheblichen Beweisthema beantragt worden waren und ein verwertbares Ergebnis einer solchen Beweisaufnahme nicht von vorneherein auszuschließen ist, wurde der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO verwirklicht, sodaß - ohne Eingehen auf die weiteren geltendgemachten Nichtigkeitsgründe - gemäß dem § 285 e StPO mit Zustimmung der Generalprokuratur spruchgemäß zu entscheiden war.

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