OGH 12Os60/79

OGH12Os60/7928.5.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 1979 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollack als Schriftführer in der Strafsache gegen Benno A wegen der Vergehen des Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 3, 128 Abs 1 Z 4 StPO und des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und Abs 2 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. Dezember 1978, GZ 8 a Vr 8936/78-13, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Auführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Mardetschläger und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnzky, zu Recht erkannt:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00060.79.0528.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt 1 des Urteilssatzes und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a stPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 26. August 1953 geborene Hilfsarbeiter Benno A 1.) des Vergehens des (schweren) Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 3 und 128 Abs 1 Z 4 StGB und 2.) des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt, weil er am 20. Juli 1978

ad 1.) in W unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit als Garagenarbeiter geschaffen worden ist, einen Bargeldbetrag von 6.090 S seinem Auftraggeber, dem Garagenleiter Wilhelm B bzw. der City-Garage, mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

ad 2.) in W und L den PKW. Mercedes 230 Automatic, poliz. Kennzeichen W 405.580, ohne Einwilligung des Berechtigten Curt (Kurt) C in Gebrauch genommen hat, wobei der durch die Tat am Fahrzeug verursachte Schaden rund 55.000 S betrug.

Den wesentlichen Urteilsfeststellungen zufolge hatte der Angeklagte, der damals in der Wiener Parkgarage am Stephansplatz (City-Parkgarage) als Garagenarbeiter beschäftigt war, und dabei auch die Parkgebührengelder entgegenzunehmen hatte, am 20. Juli 1978 den dort abgestellten PKW. Mercedes 230 Automatic des (auf Urlaub befindlichen) Kurt C beim - unbefugten - Wechsel des Abstellplatzes beschädigt und war dann am Tag darauf mit diesem Fahrzeug - wiederum unbefugt - nach L (Bezirk Gänserndorf, N.) gefahren, um dort bei dem ihm bekannten Kraftfahrzeug-Mechaniker Gerhard D den Schaden beheben zu lassen. Anläßlich dieser Fahrt verursachte der Angeklagte eine weitere Beschädigung des Fahrzeuges. Die Reparaturkosten beliefen sich letztlich auf rund 55.000 S; 4.500 S bezahlte der Angeklagte für die behelfsmäßige Reparatur des PKWs. dem Gerhard D.

Diesen Betrag hatte der Angeklagte der (von ihm erzielten) Tageslosung der City-Parkgarage vom 20. Juli 1978 entnommen. Nach (nächtlichem) Arbeitsschluß hatte er an sich die jeweiligen Tageseinnahmen in den Nachttresor der Bank seines Dienstgebers (Zentralsparkasse der Gemeinde Wien, Zweigstelle Wipplingerstraße) zu geben. Da dies ab etwa Mitte Juli 1978 wegen Abhandenkommens des Tresorschlüssels nicht mehr möglich war, hatte der Angeklagte den Auftrag, die Tageseinnahmen dem am folgenden Tag diensthabenden Garagenarbeiter zur Weiterleitung an die Bank auszufolgen. Am 20. Juli 1978 nahm nun der Angeklagte (nach erfolgter Beschädigung des parkenden PKWs. des Kurt C) nach Dienstschluß die damalige Tageslosung in Höhe von 6.090 S an sich, folgte diesen Geldbetrag aber auftragswidrig nicht dem nach ihm Dienst versehenden Garagenarbeiter aus. Vielmehr bezahlte er davon den erwähnten Betrag von 4.500 S an Gerhard D für die provisorische Reparatur des Mercedes 230 und verwendete den Rest des Geldes für sich. Am 22. Juli 1978 blieb der Angeklagte seiner Arbeitsstelle in der Parkgarage fern, den PKW. Mercedes 230 Automatic stellte er am 23. Juli 1978 in der Garage ab.

Den auf Grund dieses Sachverhaltes auch wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 3 und 128 Abs 1 Z 4 StGB ergangenen Schuldspruch (Punkt 1) des Urteilssatzes) bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die er ziffernmäßig auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit. b StPO stützt und mit der er sachlich die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit. a und 10 dieser Gesetzesstelle geltend macht.

Rechtliche Beurteilung

Zwar ist die, im Rahmen der auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützten Mängelrüge aufgestellte Behauptung aktenwidrig, der Garagenleiter Wilhelm B habe, wie sich aus seiner Zeugenaussage ergebe, den Angeklagten aufgefordert, den unterschlagenen Geldbetrag (bis zur Verrechnung der Reparaturkosten des Mercedes 230 mit der Versicherung) nicht zurückzubezahlen, wodurch der Angeklagte abgehalten worden sei, von den ihm als 'präsenten Deckungsfonds' zur Verfügung stehenden Bankguthaben von 1.700 S mit der Überziehungsmöglichkeit entsprechend seinen Zahlungsintentionen Gebrauch zu machen. Derartiges ist nämlich weder der Zeugenaussage des Wilhelm B (vgl. S. 7 bis 9 in ON. 12 und S. 19 u. 20 d.A.), noch der Verantwortung des Angeklagten (vgl. S. 3 ff. in ON. 12) zu entnehmen. Die Beschwerde ist hingegen insoweit begründet, als der Angeklagte dem Erstgericht einen Rechtsirrtum deshalb zum Vorwurf macht, weil es das dem Punkt 1.) des Urteilssatzes zu Grunde liegende Tatgeschehen rechtsirrig als (Dienst) Diebstahl - und nicht als Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2, erster Fall StGB - beurteilte und ferner geltend macht, daß ein präsenter Deckungsfonds vorlag und der Angeklagte auch gewillt war, den angeeigneten Betrag auszugleichen.

Maßgebend für die rechtliche Beurteilung einer durch vorsätzliche und widerrechtliche Entziehung fremder beweglicher Sachen begangenen Tat als Diebstahl oder als Veruntreuung ist in objektiver Hinsicht, ob der Täter die faktische Verfügungsmacht am entzogenen Gut erst durch Gewahrsamsbruch erlangt hat, oder aber ob er Sachen entzieht, die sich bereits zulässigerweise in seinem ausschließlichen Gewahrsam (im Sinne einer faktischen Innehabung) befunden haben. Letzteres trifft zu, wenn - wie nach den Urteilsfeststellungen im vorliegenden Fall - die vom Täter vereinnahmten Geldbeträge ohne unmittelbare Kontrolle und Aufsicht des Arbeitgebers nach Betriebsschluß in der Verwahrung des Täters verbleiben und von ihm entsprechend einer übernommenen Verwendungspflicht erst am folgenden Tag einem anderen Arbeitnehmer - hier dem am nächsten Tag Dienst versehenden Garagenarbeiter - zwecks Einzahlung bei der Bank auszufolgen sind. Die Zueignung vor dieser Ablieferung begründet daher Veruntreuung (vgl. LSK. 1976/195, 1977/59, 1978/120 u.a.). Hiebei ist es weder entscheidend, ob der Täter das Geld (über Nacht) bei sich oder innerhalb der Betriebsräumlichkeiten des Arbeitgebers verwahrt, noch - was das Erstgericht verkennt -, daß vorliegend der Angeklagte über die Tageslosung an sich nicht verfügungsberechtigt war (vgl. RZ 1978/114).

Die widerrechtliche Zueignung der Tageseinnahmen der Parkgarage vom 20. Juli 1978 durch den Angeklagten wäre mithin - unter der weiteren Voraussetzung, daß sich der Vorsatz des Täters auf eine unrechtmäßige Bereicherung erstreckt - rechtsrichtig als Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 (erster Fall) StGB zu beurteilen.

Das Erstgericht stellte fest, daß ein Teil der nicht abgeführten Tageslosung mit noch offenen Lohnforderungen des Angeklagten in der Höhe von ca. 3.500 S aufgerechnet wurde, und daß er außerdem über ein Kontoguthaben von 1.700 S verfügte, und die Möglichkeit besaß, dieses Konto kreditmäßig zu überziehen.

Nach § 133 StGB muß sich der Vorsatz auf eine unrechtmäßige Bereicherung erstrecken. Unrechtmäßig handelt nicht, wer sich ein von einem Schuldner oder für diesen anvertrautes Gut wegen einer fälligen (aufrechten oder vermeintlichen) Gegenforderung in Aufrechnungsabsicht zueignet, mag auch eine solche Aufrechnung allenfalls zivilrechtlich unzulässig sein (SSt 29/89 u.a.). Der Täter muß jedoch im Zeitpunkt der Zueignung den Aufrechnungswillen haben (siehe Leukauf-Steininger 676). Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit fehlt auch bei Bestehen eines sogenannten präsenten Deckungsfonds, den der Täter zur Erstattung verwenden wollte. Im angefochtenen Urteil fehlen jedoch Feststellungen, ob der Angeklagte im Zeitpunkt der Zueignung mit dem Willen gehandelt hat, die angeeignete Geldsumme mit seinem Lohnguthaben aufzurechnen. Weiters fehlen Feststellungen, ob allenfalls hinsichtlich des, sein Lohnguthaben übersteigenden Betrages ein präsenter Deckungsfonds bestand, den der Angeklagte zur Erstattung zur Verfügung hatte, und den er dazu auch verwenden wollte. Ein solcher präsenter Deckungsfonds läge zwar nicht vor, wenn er in der bloß allfälligen Möglichkeit der Aufnahme oder Überziehung von Krediten bestand, also abhängig war, ob ein Dritter, der nicht dazu verpflichtet war, seine Zustimmung zur Kreditgewährung gibt (ÖJZ-LSK. 1979/110, Leukauf-Steininger 676), wäre aber dann gegeben, wenn dem Angeklagten ein vertraglicher Anspruch auf Überziehung seines Lohnkontos eingeräumt wurde. Denn auch unter dieser Voraussetzung wäre die Realisierung seiner Forderung kurzfristig möglich und nicht von der freiwilligen Leistung eines Dritten abhängig. Bei der Prüfung der Frage, ob der Angeklagte einen solchen allenfalls bestehenden Deckungsfonds auch tatsächlich zur Erstattung des angeeigneten Betrages verwenden wollte, wird das Erstgericht aber auch zu prüfen haben, aus welchen Gründen der Angeklagte bis heute diesen ihm eingeräumten Kreditrahmen nicht zur Befriedigung der Forderung des Geschädigten ausschöpfte, ein Umstand der - allgemein gesehen - gegen seine Verwendungsabsicht spricht.

Da somit wesentliche Feststellungen fehlen, die eine erschöpfende Beurteilung der vorliegenden Strafsache zulassen, war der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit. a StPO Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht im Umfang der Aufhebung zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

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