OGH 9Os28/79

OGH9Os28/7924.4.1979

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jelinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 (15, 109 Abs 1 und Abs 3 Z 1, 125, 15, 83 Abs 1) StGB mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 9. November 1978, GZ 21 Vr 1750/77-33, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15.September 1934 geborene Rentner Josef A im zweiten Rechtsgang des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 (15, 109 Abs 1 und Abs 3 Z 1; 125; 15, 83 Abs 1) StGB

schuldig erkannt, vom weiteren Vorwurf, im Vollrausch aber auch Handlungen begangen zu haben, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB zuzurechnen wären, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

In Ansehung der vom Schuldspruch erfaßten Rauschtaten nahm das Erstgericht auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens als erwiesen an, daß der Angeklagte am 23.Juni 1977 in Salzburg mit Gewalt in das Büro des Leiters des Sozialamtes einzudringen versuchte, wobei er Gewalt gegen die dort befindlichen Beamten zu üben beabsichtigte und dabei eine Waffe mit sich führte; weiters, daß er aus diesem Anlaß Inventar des Sozialamtes in einem S 5.000,-- nicht übersteigenden Wert beschädigte und überdies versuchte, Karl B durch Zustechen mit einem Messer, Liselotte C durch Nachwerfen eines Bürosessels und Gabriele D durch einen Wurf mit einem Blumentopf am Körper zu verletzen.

Den Vollrausch hatte sich der Angeklagte, bei dem es sich nach den Urteilsannahmen um einen entwöhnten Alkoholiker handelt, der nach dreijähriger Abstinenz alkoholintolerant geworden war (S. 173/174 d. A.), durch den Genuß von 3/2 Bier zugezogen. Überdies hatte er Valiumtabletten genommen, durch die der Rauschzustand verstärkt worden war.

Diesem Umstand maß das Gericht - anders als im ersten Rechtsgang - jedoch keine 'besonders ausschlaggebende' Bedeutung zu, weil der (für die rechtliche Beurteilung der Tat als Vergehen nach § 287 StGB maßgebliche) Rauschzustand schon auf Grund des Alkoholkonsums allein gegeben war (S. 175 d.A.).

Zur subjektiven Tatseite hatte das Schöffengericht festgestellt, daß der Angeklagte 'was den Tablettenkonsum betrifft, infolge seiner früheren Aufenthalte in neurologischen Anstalten ein erfahrener Mensch war, sowohl was den Alkohol-, als auch den Tablettenmißbrauch betrifft' (S. 173 d.A.). Zu dieser Annahme war es auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen DoZ Dr. E gelangt, der in der Hauptverhandlung (mehrfach) zum Ausdruck gebracht hatte, er nehme 'auf Grund des Persönlichkeitsbildes im Zusammenhalt mit den diversen Krankengeschichten und dem Umstand, daß der Angeklagte früher Alkoholiker war', an, daß er 'sicher ein erfahrener Mensch sei, der um die Wirkung von Tabletten, auch Valiumtabletten, im Zusammenhang mit Alkohol gewußt haben müßte' (S. 163 d.A.); auch könne er - anders übrigens als der behandelnde Arzt des Angeklagten Dr. Peter F, der eine dahin gehende Frage nicht mit Sicherheit beantworten konnte (S. 159 d. A.) - 'aus ärztlicher Erfahrung' sagen, daß dem Angeklagten sicherlich die mögliche Wirkung von Valiumtabletten im Zusammenhang mit Alkohol mitgeteilt wurde, 'dies insbesondere auf Grund der diversen Krankengeschichten und des Vorlebens des Angeklagten' (S. 164 d.A.). Auf ein in diese Richtung gehendes Eingeständnis des Angeklagten im Verfahren 15 c E Vr 10538/73, Hv 983/73 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (siehe dazu die S. 41 und 43 sowie S. 57 dieses Aktes) ging diesbezüglich allerdings weder der Sachverständige in seinem Gutachten, noch das Gericht in den Entscheidungsgründen ein.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs 1 StPO

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der schon wegen der in der Rechtsrüge behaupteten Feststellungsmängel Berechtigung zukommt. Zutreffend wendet nämlich der Beschwerdeführer in dieser ein, daß das Urteil nicht jene Feststellungen enthalte, die zur Beurteilung der Frage erforderlich seien, ob sich der Angeklagte schuldhaft in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt habe; denn es kann den Entscheidungsgründen tatsächlich nicht entnommen werden, ob sich der Beschwerdeführer seiner vom Gericht für maßgeblich gehaltenen krankhaften Alkoholintoleranz bewußt war (oder bewußt hätte sein müssen). Die vom Gericht getroffene Feststellung, er kenne die Folgen eines Alkoholmißbrauches (also eines übermäßigen Alkoholkonsums), ersetzt die für die rechtliche Annahme eines Verschuldens notwendige (siehe dazu SSt. 25/16 u. a.) Klarstellung des Umstandes im Urteil nicht, ob der Angeklagte auch wußte (oder nach Lage des Falles wissen mußte), daß bei ihm schon eine geringe Alkoholmenge, die einen normalen Menschen nicht zu berauschen vermöchte, infolge krankhafter Intoleranz einen Vollrausch zur Folge haben könnte.

Da sohin in Ermangelung der für eine abschließende rechtliche Beurteilung erforderlichen Tatsachenfeststellungen eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst nicht einzutreten hat und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war der zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde, ohne daß es eines Eingehens auf die sonstigen Beschwerdepunkte bedurfte - mit Zustimmung der Generalprokuratur (§ 285 e StPO) - bei der nichtöffentlichen Sitzung sofort Folge zu geben und wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

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