OGH 7Ob608/79

OGH7Ob608/7919.4.1979

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick, Dr. Petrasch, Dr. Wurz und Dr. Jensik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johanna B*****, vertreten durch Dr. Helmut Meindl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hermann H*****, vertreten durch Dr. Leopold Pramer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung (Streitwert 10.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 20. Dezember 1978, GZ 13 R 688/78‑129, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 6. Oktober 1978, GZ 7 C 1097/73‑123, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1979:0070OB00608.790.0419.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 1.464,38 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 120 S Barauslagen und 99,58 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Beklage war seit 1941 mit der am 17. Jänner 1973 verstorbenen Schwester der Klägerin, Hildegard H*****, verheiratet. Nachdem der Beklagte im Jahre 1969 seiner Ehegattin die Übertragung seines Inkassobüros zugesagt hatte, errichteten die Eheleute am 22. Jänner 1970 je ein eigenhändig geschriebenes Testament, mit dem sie jeweils den anderen Ehegatten bedachten. Im Testament der Hildegard H***** wurde die Klägerin nicht bedacht. Mündlich vereinbarten die Ehegatten jedoch, dass die Klägerin bei Ableben ihrer Schwester 50.000 S erhalten solle. In der Folge schenkte Hildegard H***** der Klägerin 30.000 S. Deren Dankschreiben beantwortete sie mit Brief vom 15. Oktober 1971, der folgenden Wortlaut hatte:

„Liebe Hansi! Wie Du aus meiner Karte gesehen hast, waren wir in Meran auf Urlaub. Es war dort wunderbar, habe mich auch erholt, leider habe ich mich verkühlt und musste dort drei Tage mit Fieber das Bett hüten. Aber es ist schon wieder alles in Ordnung. Die Bestrahlungen waren schon ein bisschen anstrengend. Im Ganzen 22. Am 2. November muss ich zur Nachuntersuchung. Hoffentlich brauche ich keine weiteren mehr. Aber es geht mir gut und wenn ich weiter so Fortschritte mache, bin ich zufrieden. Habe ca 8 kg abgenommen, das macht mir nichts. Ich war eh schon zu dick. Die Wunde ist schön verheilt und habe ich auch sonst keine Beschwerden. Auch der Appetit kommt schon langsam wieder. Ich hoffe, dass es auch Dir gesundheitlich gut geht, denn bei unserer Jugend kommt oft rasch etwas daher. Danke für Deinen Brief. Es gehört so alles Dir von mir, wenn mit mir war ist. Herzliche Grüße. Hilde H*****.“

Ca ein bis eineinhalb Jahre vor ihrem Tod wurde Hildegard H***** pflegebedürftig. Da der Beklagte, der im Jahre 1965 einen Herzinfarkt erlitten hatte, die Pflege nicht leisten konnte, übernahm dies bis zur Spitaleinlieferung der Hildegard H***** die Klägerin. Während dieser Zeit äußerte sich Hildegard H*****, als die Klägerin einmal Kleidung von ihr ausborgen wollte: „Da nimm Dir heraus, was Du willst, es gehört ja sowieso alles Dir, wenn ich einmal sterbe.“

Nach dem Tode Hildegard H*****s übergab der Beklagte der Klägerin 20.000 S sowie einige Schmuckstücke.

Mit der Behauptung, Hildegard H***** habe mit dem Schreiben vom 15. Oktober 1971 zu ihren Gunsten testieren wollen, begehrt die Klägerin die Feststellung, sie sei aufgrund dieses Schreibens Alleinerbin nach ihrer Schwester.

Die Untergerichte haben dieses Klagebegehren abgewiesen, wobei das Berufungsgericht aussprach, dass der Wert des Streitgegenstands 50.000 S übersteigt (Klagseinbringung 13. Juli 1973). Sie stellten fest, dass Hildegard H***** öfter Bemerkungen in der Richtung nach ihrem Tode werde sowieso alles ihrer Schwester gehören, gemacht habe, jedoch nicht in der Absicht, zu deren Gunsten ein Testament zu errichten, sondern in der Annahme, sie werde ihren älteren Ehegatten überleben, weshalb mangels anderer Erben ihr Vermögen ihrer Schwester zukommen werde.

Infolge Fehlens der Testierabsicht der Hildegard H***** bei Abfassung des Schreibens vom 15. Oktober 1971 verneinten die Untergerichte den behaupteten Charakter dieser Urkunde als Testament.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise stellt die Klägerin einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die Klägerin macht ausschließlich angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz geltend, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat. Hiebei erkennt sie selbst, dass nach der ständigen Judikatur (SZ 27/4, EvBl 1969/263, EvBl 1978/344 uva) solche vom Berufungsgericht verneinte Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden können. Die in der Revision zitierte gegenteilige Meinung Schimas war dem Obersten Gerichtshof bekannt und wurde in seiner Judikatur abgelehnt. Es besteht kein Anlass von dieser Judikatur abzugehen.

In rechtlicher Beziehung ist es zwar richtig, dass die Auslegung einer letztwilligen Verfügung, soweit sie ausschließlich an Hand eines schriftlichen Testaments erfolgt, eine Angelegenheit der rechtlichen Beurteilung ist. Im vorliegenden Fall ist aber vorerst nicht eine letztwillige Verfügung auszulegen, sondern überhaupt erst festzustellen, ob eine solche Verfügung vorliegt. Voraussetzung für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung ist nämlich die Absicht des Erblassers, seinen letzten Willen klar und eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Fehlt es an der Absicht, seinen letzten Willen zu erklären, dann liegt ein Testament nicht vor (Weiß in Klang2 III, 254, RZ 1967, 90 ua). Erfolgt die Beurteilung der Frage, ob der Erblasser eine Urkunde in Testierabsicht errichtet hat oder nicht, unter Zuhilfenahme nicht bloß des Urkundeninhalts, sondern auch von Zeugenaussagen so handelt es sich bei dem Ergebnis um eine Tatsachenfeststellung und nicht um eine rechtliche Beurteilung (NotZtg 1969, 126, RZ 1967, 90, 1 Ob 524/79 ua).

Im vorliegenden Fall haben die Untergerichte unter Zuhilfenahme einer Reihe von Aussagen die Feststellung gewonnen, dass die Erblasserin bei Abfassung des fraglichen Schreibens nicht die Absicht gehabt hat, ein Testament zu errichten. Hiemit haben sie eine für den Obersten Gerichtshof bindende Tatsachenfeststellung getroffen. Eine solche Feststellung könnte überhaupt nur überprüft werden, wenn ihr denkgesetzwidrige Vorgänge zugrunde lägen. Davon kann aber hier keine Rede sein, weil keineswegs die Annahme zwingend ist, dass jemand, der einen Brief mit vollem Namen unterfertigt, hiemit seinen Testierwillen zum Ausdruck bringen will. Sohin erweist sich die Rechtsrüge in Wahrheit als der unzulässige Versuch einer Bekämpfung von Tatsachenfeststellungen. Es kann unerörtert bleiben, inwieweit es überhaupt eine „schlüssige Außerstreitstellung“ gibt. Hier könnte von einer solchen bezüglich des Testierwillens schon deshalb keine Rede sein, weil der Beklagte von allem Anfang an (S 19) das gesamte Klagsvorbringen unter dem in diesem Zusammenhang bedeutungslosen ersten Absatz der Klage, sohin auch die Behauptung, die Verstorbene habe am 15. Oktober 1971 zugunsten der Klägerin testieren wollen, bestritten hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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