OGH 10Os35/79

OGH10Os35/7918.4.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.April 1979 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich, Dr. Walenta und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jelinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A und andere wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 (erster Fall) StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von den Angeklagten Josef A, Elfriede B und Gerhard C gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 18.Jänner 1979, GZ 10 Vr 2074/78-55, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Kaltenbäck und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird dahin Folge gegeben, daß die über die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen, bei Josef A unter Anwendung des § 41 StGB auf 4 (vier) Jahre, bei Elfriede B auf 1 1/2 (eineinhalb) Jahre sowie bei Gerhard B auf 5 (fünf) Jahre herabgesetzt werden und daß die über die Angeklagte Elfriede B verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 2 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wird. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurden Josef A, Elfriede B und Gerhard B der Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 (erster Fall) StGB und des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 129 Z 1 StGB, bei A und Gerhard B auch qualifiziert zum schweren Diebstahl nach § 128 Abs 1 Z 4 StGB, sowie Gerhard B überdies des Vergehens nach § 36 Abs 1 lit. a WaffenG schuldig erkannt.

Als Raub liegt den Angeklagten zur Last, daß sie am 14.Juli 1978 in Ehrenhausen in Gesellschaft als Beteiligte dem Roman D, indem sie ihn zu Boden schlugen und festhielten, mit Gewalt gegen seine Person fremde bewegliche Sachen, und zwar 6.020 S Bargeld, ein Feuerzeug und eine Packung Zigaretten, mit dem Vorsatz wegnahmen, sich durch die Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern (Urteilsfaktum I.) Teilweise durch Einbruch in Transportmittel begangenen Diebstahl haben Gerhard B und Josef A (unter anderem) deshalb zu verantworten, weil sie in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Werner A als Beteiligte in fünf Fällen, davon einmal nach Aufbrechen eines PKWs, sowie in Gesellschaft miteinander als Beteiligte in fünf weiteren Fällen, davon abermals einmal nach Aufbrechen eines PKWs, fremde bewegliche Sachen stahlen (Urteilsfakten II. A. 1. a bis e und 3. a bis e).

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach nur gegen diese Schuldsprüche richten sich die gemeinsam ausgeführten, auf Z 5 und Z 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, denen keine Berechtigung zukommt.

Zu Unrecht erblicken die Beschwerdeführer einen Verfahrensmangel im Sinn des ersterwähnten Nichtigkeitsgrundes darin, daß in der Hauptverhandlung bloß die vor dem Untersuchungsrichter abgelegte Aussage des (beraubten) Zeugen Roman D (ON 15) verlesen, der Genannte jedoch nicht einvernommen wurde. Denn die Verlesung der im Vorverfahren abgelegten Zeugenaussage ist dadurch gedeckt (§§ 252 Abs 1 Z 4, 308 Abs 1 StPO), daß sie nach dem für das Rechtsmittelgericht maßgebenden Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (S 249 f.) 'einverständlich', also nicht gegen einen zur erfolgreichen Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs 1 Z 5 StPO jedenfalls vorauszusetzenden Widerspruch der Angeklagten erfolgte.

Die gegen die Nichtvernehmung des Zeugen D in der Hauptverhandlung gerichtete Rüge aber scheitert nach dem klaren Wortlaut der Nichtigkeitsdrohung schon daran, daß die Beschwerdeführer eine derartige Vernehmung gar nicht beantragt haben. Eine durch Analogie zu gewinnende und mit Nichtigkeit sanktionierte Verfahrensvorschrift, wonach ein alleiniger Tatzeuge in der Hauptverhandlung vor dem Geschwornengericht von Amts wegen persönlich vernommen werden müßte, kann - dem Beschwerdevorbringen zuwider -

aus den Bestimmungen der Strafprozeßordnung nicht abgeleitet werden. Unbegründet sind die Nichtigkeitsbeschwerden auch insoweit, als unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs 1 Z 8 StPO behauptet wird, den Geschwornen sei eine unrichtige Rechtsbelehrung erteilt worden.

Die subjektiven Tatbestandserfordernisse des Gesellschaftsraubes wurden vollkommen zutreffend dargetan (S 268).

Die Zurückführung der in die Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung auf den ihnen zugrundeliegenden Sachverhalt in Ansehung der Angeklagten Elfriede B aber war der nach dem § 323 Abs 2 StPO abzuhaltenden Besprechung vorbehalten. Die Beschwerdeansicht, die Geschwornen hätten darüber belehrt werden müssen, daß eine Bejahung der diese Angeklagte betreffenden Hauptfrage II (nach dem Raub) nur erfolgen dürfe, wenn die Genannte 'im vorhinein' von der (geplanten) Gewaltanwendung der anderen Angeklagten gegen D gewußt hätte, ist überdies deshalb verfehlt, weil es genügt, wenn das bezügliche Einverständnis zwischen den Beteiligten bei der Raubausführung selbst vorliegt. Auf die Möglichkeit schließlich, Fragen nur teilweise zu bejahen (§ 330 Abs 2

StPO), waren die Geschwornen durch den Vordruck für die an sie zu richtenden Fragen (StPOForm. Prot. 15) in der 'Antwort'-Spalte sowie im vorgeschriebenen Anschlag in ihrem Beratungszimmer (§ 325 Abs 2 StPO) ohnedies ausdrücklich hingewiesen.

Entbehrlich war eine Rechtsbelehrung über den Bedrängnisdiebstahl (§ 128 Abs 1 Z 1 StGB), weil die Geschwornen darnach nicht gefragt wurden und sich die Belehrung nur auf die in den tatsächlich gestellten Fragen aufscheinenden Rechtsbegriffe und allenfalls daraus resultierenden Abgrenzungsprobleme zu erstrecken hat, nicht dagegen auf rechtliche Umstände außerhalb dieser Fragen oder gar auf eine (ausschließlich den Geschwornen vorbehaltene) Würdigung der Beweise, wie dies im gegebenen Zusammenhang mit den Beschwerdeausführungen zudem angestrebt wird.

Mit dem Einwand, die Geschwornen hätten darauf aufmerksam gemacht werden müssen, daß die in den Hauptfragen IV (zu den Urteilsfakten II. A. 1.) und VI (zu den Urteilsfakten II. A. 3.) nach Diebstahl vereinigten, jeweils unter lit. a bis lit. c gestellten Fragen mit ganz verschiedenen Qualifikationen verbunden seien, sodaß die Worte 'teilweise durch Einbruch in Transportmittel' als ganz unzulässige Zusammenfassung anzusehen seien, machen die Angeklagten der Sache nach den Nichtigkeitsgrund nach Z 6

des § 345 Abs 1 StPO geltend. Dabei übergehen sie jedoch, daß der Schwurgerichtshof in den bemängelten Hauptfragen IV und VI zwar verschiedene, nur zum Teil nach § 129 StGB qualifizierte Diebstähle zusammengefaßt, bei der Untergliederung in Ansehung der einzelnen Fakten aber ohnedies klar zum Ausdruck gebracht hat, daß jeweils nur hinsichtlich der unter lit. a relevierten Taten deren nach § 129 Z 1 StGB qualifizierende Begehung durch Einbruch in ein Transportmittel in Betracht kommen konnte. Von einer nach § 317 Abs 2 StPO unzulässigen Fragenkumulierung kann daher keine Rede sein. Die Nichtigkeitsbeschwerden waren demnach zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte die Angeklagten wegen erörterten Raubes und wegen des von Josef A in elf Fällen mit einem Wert der gestohlenen Sachen von knapp 20.000 S, von Elfriede B in einem Fall mit einem Beutewert von 5.000 S und von Gerhard B in dreizehn Fällen mit einem Wert des Diebsgutes von knapp 30.000 S begangenen Verbrechens des Diebstahls sowie Gerhard B zudem wegen des durch den unbefugten Besitz einer Faustfeuerwaffe begangenen Vergehens nach § 36 Abs 1 lit. a WaffG gemäß dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Bedacht auf § 28 Abs 1

StGB, Elfriede B auch unter Anwendung des § 41 StGB, zu Freiheitsstrafen, und zwar Josef A in der Dauer von sechs Jahren, Elfriede B in der Dauer von zwei Jahren und Gerhard B in der Dauer von acht Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es bei allen Angeklagten die Ausnützung der Behinderung des Beraubten, das Zusammentreffen zweier Verbrechen - bei Gerhard B auch mit einem Vergehen - und die mehrfache Eignung der Diebstähle zum Verbrechen, bei A und Gerhard B auch die Wiederholung und den hohen Schaden beim Diebstahl sowie bei Gerhard B außerdem seine einschlägigen Vorstrafen als erschwerend, hingegen bei allen Angeklagten das Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung sowie bei A und Elfriede B überdies die Unbescholtenheit und das Alter unter 21 Jahren als mildernd. Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten jeweils eine Strafherabsetzung, Elfriede B aber auch die Gewährung bedingter Strafnachsicht an.

Allen Berufungen kommt Berechtigung zu.

Von einer Unbesonnenheit oder von einer besonders verlockenden Gelegenheit (gemeint wohl: zum Raub) als zusätzlichen Milderungsgründen kann zwar im Hinblick auf die gezielte Planung des Raubüberfalls auf den alkoholisierten D nicht die Rede sein. Auch hat das Erstgericht die Schadensgutmachung beim Raub mit Rücksicht auf die den Berufungswerbern außerdem zur Last fallenden Diebstähle mit Recht als eine insgesamt nur teilweise angesehen. Zutreffend wenden die Angeklagten jedoch ein, daß weder die Behinderung des Raubopfers durch dessen Alkoholisierung noch die Schadenshöhe beim Diebstahl als erschwerend ins Gewicht fallen und daß Elfriede B an der Tatausführung nur in eher untergeordneter Weise beteiligt war. Anderseits sind allerdings die leichten Verletzungen, die Roman D beim Raub erlitt, zusätzlich als erschwerend zu werten.

Bei zusammenfassender Würdigung der solcherart tatsächlich vorliegenden Strafzumessungsgründe zeigt sich, daß das Geschwornengericht die über die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen - zum Teil erheblich - zu hoch ausgemessen hat. Diese waren daher, wobei auch hinsichtlich des Angeklagten A, nicht jedoch in Ansehung des Angeklagten Gerhard B die Voraussetzungen der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 Abs 1 Z 3 StGB) vorliegen, auf das im Spruch bezeichnete, der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld der Angeklagten (§ 32 StGB) entsprechende Maß zu reduzieren. Der bisherige ordentliche Lebenswandel der Angeklagten Elfriede B und ihr Alter unter 21 Jahren zur Tatzeit in Verbindung damit, daß sie die beiden ihr zur Last fallenden Taten ersichtlich unter dem Einfluß ihres Gatten verübte und daran auch nur in eher untergeordneter Weise beteiligt war, scheinen ferner Gewähr dafür zu bieten, daß sie schon auf Grund der bloßen Strafandrohung in Hinkunft keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde, sodaß bei ihr, da insoweit Belange der Generalprävention gleichfalls nicht entgegenstehen, zudem die Gewährung bedingter Strafnachsicht (§ 43 Abs 2 StGB) unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit gerechtfertigt erschien.

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