Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der Tat bloß als das Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z 4 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung unter Neufassung des Urteilsspruchs in der Sache selbst erkannt:
Josef A ist schuldig, am 14. Dezember 1974
in Riedau den Gendarmeriebeamten Josef B während der Vollziehung seiner Aufgaben durch Hinunterreißen über eine Treppe vorsätzlich am Körper mißhandelt und dadurch fahrlässig verletzt zu haben, wobei die Tat einen Trümmerbruch des rechten Oberarmes mit Verrenkung des Oberarmkopfes und Verletzung des Armnervengeflechts, eine Gehirnerschütterung, Prellungen des Brustkorbes sowie des rechten Kniegelenks und eine Hautabschürfung der linken Hand, ferner eine länger als 24 Tage dauernde Berufsunfähigkeit und für immer ein schweres Leiden des Geschädigten, nämlich eine erhebliche Bewegungseinschränkung des rechten Armes bei Teilversteifung des Schultergelenks, zur Folge hatte.
Er hat hiedurch das Verbrechen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach § 83 Abs. 2, 84 Abs. 1, Abs. 2 Z 4 und 85 Z 3 StGB begangen und wird hiefür nach § 85 StGB zu einer Freiheitsstrafe von l (einem) Jahr verurteilt.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verworfen.
Mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Der Berufung des Angeklagten gegen die Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche wird Folge gegeben, der Ausspruch, wonach der Angeklagte (ferner) schuldig ist, dem Privatbeteiligten Josef B an Teilschmerzengeld einen Betrag von 10.000 S bei Exekution zu bezahlen, aufgehoben und der genannte Privatbeteiligte mit seinen Ansprüchen gemäß § 366 Abs. 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 14. März 1946 geborene Hilfsarbeiter Josef A des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 2, 84 Abs. 1
und Abs. 2 Z 4 StGB schuldig erkannt, weil er am 14. Dezember 1974 in Riedau den Gendarmeriebeamten Josef B während der Vollziehung seiner Aufgaben durch Hinunterreißen über eine Stiege vorsätzlich am Körper mißhandelt und dadurch fahrlässig verletzt hat, wobei die Tat eine an sich schwere Körperverletzung, nämlich einen Trümmerbruch des (rechten) Oberarmes mit Verrenkung des Oberarmkopfes und Verletzung des Armnervengeflechts, eine Gehirnerschütterung, Prellungen des Brustkorbes und des linken Kniegelenks sowie eine Hautabschürfung der linken Hand zur Folge hatte.
Nach den weiteren Urteilsfeststellungen (S. 196 d. A) sind als Dauerfolgen der Tat eine Bewegungseinschränkung des rechten Armes, der nur 30 Grad vom Körper abgehoben werden kann, und eine Teilversteifung des dadurch in seiner Beweglichkeit eingeschränkten Schultergelenks verblieben, wobei jede Bewegung des rechten Armes schmerzt; Josef B ist als Gendarmeriebeamter nur mehr begrenzt dienstfähig. Gleichwohl beurteilte das Schöffengericht diesen Folgezustand - abweichend von der Anklage - nicht als schweres Leiden (§ 85 Z 3 StGB) und negierte auch dessen Vorhersehbarkeit für den Angeklagten.
Gegen dieses Urteil richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:
Der Angeklagte macht die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO geltend.
Mit Beziehung auf den erstangeführten Nichtigkeitsgrund hält der Beschwerdeführer die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Urteilsannahmen für widersprüchlich, unvollständig und unzureichend begründet; dies jedoch zu Unrecht.
Entgegen den Beschwerdeausführungen liegt darin, daß das Erstgericht bei seinen Feststellungen über den Tathergang den Angaben des Josef B unmittelbar nach der Tat folgte und dessen spätere, davon abweichenden Darstellungen mit konfabulatorischer Ausfüllung einer Erinnerungslücke erklärte, kein innerer Widerspruch. Denn die dem Urteil zugrundegelegte Erstaussage des Zeugen B, die vom Gendarmeriepostenkommando Riedau niederschriftlich festgehalten und nur wegen der Armverletzung des Zeugen von diesem nicht unterfertigt wurde (S. 7-9 d. A), läßt eben eine wesentliche Erinnerungslücke im damaligen Zeitpunkt nicht erkennen.
Die vom Schöffengericht für die Verläßlichkeit der erwähnten Erstaussage des Zeugen B noch angeführten überlegungen sind - dem Beschwerdevorbringen zuwider -
schlüssig und vollständig. Bei diesen hat sich das Gericht insbesondere mit der von der Beschwerde zitierten Verantwortung des Angeklagten wie auch mit den übrigen Beweisergebnissen eingehend auseinandergesetzt. Wenn der Beschwerdeführer diesen Erwägungen zwingenden Charakter abspricht und behauptet, das Gericht hätte zu gegenteiligen - für ihn günstigeren - Schlußfolgerungen gelangen sollen, vermag er damit keinen Begründungsmangel darzutun; er bekämpft insoweit vielmehr nur (in einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen und daher unbeachtlichen Weise) die freie Beweiswürdigung des Erstgerichtes (§ 258 Abs. 2 StPO). Der Umstand schließlich, daß der Angeklagte zugleich mit dem von ihm verletzten Gendarmeriebeamten selbst auch über die Treppe stürzte, steht der Konstatierung seines Vorsatzes, den Beamten durch das Hinunterreißen über die Treppe körperlich zu mißhandeln, nicht entgegen; selbst eine in einem solchen Verhalten sich zeigende unüberlegte Selbstgefährdung des Angreifers schließt den in Rede stehenden Mißhandlungsvorsatz keineswegs aus.
Die relevierten Begründungsmängel des Urteils liegen mithin nicht vor.
Die Rechtsrüge, mit der der Beschwerdeführer (abermals) einen Mißhandlungsvorsatz (im Sinne des § 83 Abs. 2 StGB) negiert und demzufolge sein Verhalten als straflos (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO) oder doch bloß als fahrlässige Körperverletzung nach § 88 (Abs. 1 und 4) StGB strafbar (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO) beurteilt wissen will, ist angesichts der - mängelfrei begründeten - Tatsachenkonstatierung des (zumindest bedingten) Vorsatzes, dem angegriffenen Gendarmeriebeamten ein körperliches übel zuzufügen, sohin des Mißhandlungsvorsatzes (ÖJZ-LSK 1975/228), nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten erweist sich daher zur Gänze als unbegründet, sodaß sie zu verwerfen war.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Die Staatsanwaltschaft vertritt in ihrer auf § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde die Auffassung, die festgestellten Dauerfolgen der Tat seien einerseits als auffallende Verunstaltung, andererseits als schweres Leiden zu beurteilen und als solche vom Angeklagten fahrlässig herbeigeführt worden, weshalb die Tathandlung richtigerweise als Verbrechen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen auch den Bestimmungen des § 85 Z 2 und 3 StGB zu unterstellen gewesen wäre.
Die Anklagebehörde ist, soweit sie (über den in der Anklageschrift eingenommenen Rechtsstandpunkt hinaus nun auch) eine Subsumtion der Tat unter § 85 Z 2 StGB begehrt, nicht im Recht. Sie geht zwar zutreffend davon aus, daß von einer auffallenden Verunstaltung im Sinne dieser Gesetzesstelle (nur) dann gesprochen werden kann, wenn die äußere Erscheinung der betroffenen Person unter Zugrundelegung eines ästhetischen Maßstabs nach allgemeiner Lebensanschauung erheblich nachteilig verändert wird und diese Veränderung Auffälligkeitswert hat, also die Aufmerksamkeit dritter Personen hervorzurufen geeignet ist (vgl. SSt 40/53 mit weiteren Belegstellen), mag auch die Verunstaltung etwa nur bei bestimmten, im Lebensalltag ständig wiederkehrenden Bewegungen bemerkbar werden (Leukauf-Steininger 436). Doch bedeutet eine wenn auch den Gebrauch des rechten Armes wesentlich beeinträchtigende Bewegungseinschränkung im Schultergelenk, wie sie in Ansehung des Josef B festgestellt wurde, noch keine nach ästhetischen Wertbegriffen erheblich nachteilige, der äußeren Wirkung einer Verstümmelung gleichkommende Entstellung des äußeren Erscheinungsbildes des Verletzten.
Wohl aber muß die vorliegend eingetretene (dauernde) Verletzungsfolge - und insoweit ist die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft berechtigt - als schweres Leiden im Sinne des § 85 Z 3 StGB beurteilt werden. Mit 'Leiden' wird in dieser Gesetzesstelle eine Gesundheitsstörung von langer Dauer bezeichnet (vgl. Foregger-Serini MKK2 161). Ob ein Leiden ('eine langdauernde Gesundheitsstörung') als schwer anzusehen ist, hängt von der in einer Gesamtschau zu würdigenden Erheblichkeit und Wichtigkeit der Gesundheitsschädigung ab. Eine hochgradige Bewegungseinschränkung des rechten Armes, sodaß dieser nur 30 Grad vom Körper abgehoben werden kann, wobei jede Armbewegung Schmerzen verursacht und der Verletzte solcherart wichtige Verrichtungen des täglichen Lebens nicht oder nur mit besonderer Anstrengung ausführen kann (vgl. hiezu S. 196 d. A), stellt eine (schon an sich selbst bei kürzerer Dauer) schwere Gesundheitsschädigung dar (vgl. Foregger-Serini MKK2 158). Als für immer - wie im gegenständlichen Fall - oder doch für lange Zeit bestehende (Dauer-)Folge einer Körperverletzung entspricht sie dem Begriff des schweren Leidens im Sinne des § 85 Z 3 StGB.
Zu prüfen bleibt noch, ob die (sonach eingetretene) schwere Dauerfolge vom Angeklagten im Sinne des § 7 Abs. 2 StGB (wenigstens) fahrlässig herbeigeführt wurde. In dieser Hinsicht ist davon auszugehen, daß ein qualifizierender Erfolg für den Täter jedenfalls dann voraussehbar und ihm subjektiv zuzurechnen ist, wenn dieser Erfolg nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eintreten konnte, mithin nicht atypisch, sondern dem Tatverhalten adäquat war. Dabei genügt Vorhersehbarkeit im allgemeinen;
nicht erforderlich ist, daß der Täter auch alle Einzelheiten des Kausalverlaufs und des Erfolgseintritts vorauszusehen vermag (SSt 46/67, 47/58 u.a.). In bezug auf die vorliegende schwere Dauerfolge ist diese Frage - der Auffassung des Erstgerichts zuwider - bei der gegebenen Sachlage zu bejahen. Denn bei anzunehmender durchschnittlicher Intelligenz vermochte der Angeklagte unschwer vorauszusehen, daß der von ihm vorsätzlich über eine Treppe hinabgestürzte Gendarmeriebeamte B durch einen solchen Sturz eine Knochenverletzung - etwa des Schädels - mit vorweg nicht absehbaren Folgen, also gegebenenfalls auch mit schweren Dauerfolgen im Sinne des § 85 StGB, erleiden konnte (vgl. ZVR 1976/115). Dem Umstand, daß eine derartige schwere Dauerfolge in concreto am rechten Arm des Verletzten durch einen infolge Fixierung des Armes während des Sturzes verursachten Trümmerbruch im Bereich des Schultergelenks mit entsprechenden (schweren) Folgeerscheinungen bewirkt wurde, kommt als Besonderheit des (für den Angeklagten im allgemeinen vorhersehbaren) Kausalverlaufs für die Frage der subjektiven Zurechenbarkeit des Erfolgseintritts keine Bedeutung zu. Sohin zeigt sich, daß die Tat eine schwere Dauerfolge im Sinne des § 85 Z 3 StGB nach sich gezogen hat, die dem Angeklagten als fahrlässig herbeigeführt (§ 7 Abs. 2 StGB) zuzurechnen ist. Von den im § 84 Abs. 1 StGB angeführten Merkmalen der schweren Körperverletzung geht zwar die Schwere der Verletzung (an sich) und die 24 Tage übersteigende Dauer der Gesundheitsschädigung in dem hier die Tat nach § 85 Z 3 StGB erhöht qualifizierenden schweren Leiden als Dauerfolge auf; die nicht das zeitliche Ausmaß einer Dauerfolge erreichende, wohl aber mehr als 24 Tage dauernde Berufsunfähigkeit des Verletzten bleibt hingegen bei wertender Betrachtung weiterhin relevant, sodaß die Tat des Angeklagten dementsprechend als Verbrechen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen den § 83 Abs. 2, 84 Abs. 1, Abs. 2 Z 4 und 85 Z 3 StGB zu unterstellen ist.
Die darnach anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen, nach denen die Tat gemäß § 85 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht ist, sind selbst bei gegebener Anwendbarkeit der (eine überschreitung des Höchstmaßes der angedrohten Strafe um die Hälfte ermöglichenden) Strafschärfungsbestimmung des § 39 StGB zufolge Rückfalls für den Angeklagten günstiger als die zur Tatzeit in Geltung gestandenen Bestimmungen des Strafgesetzes 1945, nach dessen § 156 das Verbrechen der schweren körperlichen Beschädigung, wenn es - wie im gegebenen Fall - einen unheilbaren Krankheitszustand nach sich gezogen hat (lit. b der zitierten Gesetzesstelle), mit schwerem Kerker zwischen fünf und zehn Jahren bedroht war (§ 61 StGB).
Der staatsanwaltschaftlichen Nichtigkeitsbeschwerde war daher in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang Folge zu geben; im übrigen war auch sie zu verwerfen.
Bei der erforderlichen Strafneubemessung, die nach § 85 StGB zu erfolgen hatte, wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall nach der letzten Verurteilung und die mehrfache Qualifizierung, als mildernd hingegen den Umstand, daß die Tat längere Zeit zurückliegt und sich der Angeklagte seither wohlverhalten hat.
Unter Zugrundelegung dieser Strafzumessungsgründe und unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 StGB) entspricht eine Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat sowie der Täterpersönlichkeit des Angeklagten.
Staatsanwaltschaft und Angeklagter waren mit ihren Strafberufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.
Was die Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch des Erstgerichtes betrifft, wonach er (ferner) schuldig ist, dem Privatbeteiligten Josef B an Teilschmerzengeld einen Betrag von 10.000 S zu bezahlen, so erweist sich diese deshalb als berechtigt, weil das Erstgericht es - entgegen der ausdrücklichen Vorschrift des § 365 Abs. 2
zweiter Satz StPO - unterlassen hat, den Angeklagten zu den vom Privatbeteiligten geltend gemachten Ansprüchen zu vernehmen (s.S. 189 d. A). Der Zuspruch eines Betrages an den Privatbeteiligten gemäß § 366 StPO setzt aber in jedem Fall - abgesehen von den übrigen Voraussetzungen - die Vernehmung des Angeklagten zu den geltend gemachten Ansprüchen voraus; ohne eine solche Vernehmung darf ein Zuspruch an den Privatbeteiligten nicht erfolgen (SSt 40/62). Daher war der Berufung des Angeklagten gegen die Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche Folge zu geben und der Privatbeteiligte mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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