OGH 9Os118/78

OGH9Os118/782.4.1979

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Schneider, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jelinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef Wolfgang A wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Jugendschöffengericht vom 17. Jänner 1978, GZ. 22 Vr 1509/77-20, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.Dezember 1960 geborene, zur Tatzeit jugendliche Lehrling Josef Wolfgang A des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB schuldig erkannt. Er bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 4 und 5 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In Ausführung des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes rügt der Beschwerdeführer die Abweisung der von ihm in der Hauptverhandlung vom 17.Jänner 1978 (ON 19) gestellten Beweisanträge und erblickt darin eine Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte. Der Beschwerdeführer hat in der erwähnten Hauptverhandlung zwei Beweisanträge gestellt, nämlich 1. auf Einholung eines (kraftfahrtechnischen) 'Obergutachtens' infolge offensichtlicher Widersprüche zwischen dem vorliegenden kriminaltechnischen Untersuchungsbericht und dem Gutachten des der Hauptverhandlung beigezogenen kraftfahrtechnischen Sachverständigen, und 2. auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, daß bei der vom kraftfahrtechnischen Sachverständigen geschilderten Art des Bewegungsablaufs der Angeklagte jedenfalls, hätte er keinen Sturzhelm getragen, äußerlich sichtbare Verletzungen am Kopf hätte davontragen müssen (S 119 d. A).

Das Jugendschöffengericht hat beide Beweisanträge abgewiesen (S 120 d. A) und dies damit begründet, daß die vorliegenden (kraftfahrtechnischen) Gutachten im Ergebnis nicht widersprüchlich seien und daß zur Klärung der Frage, wer tatsächlich der Fahrer des Unfallsfahrzeugs gewesen ist, von einem medizinischen Sachverständigen keine weiteren Beweisergebnisse zu erwarten seien (vgl. abermals S 120 d. A). In den Urteilsgründen wird ergänzend hiezu ausgeführt, daß ein medizinisches Sachverständigengutachten deshalb zur Klärung der Frage nach dem Mopedlenker (im Unfallszeitpunkt) keinen weiteren Beitrag leisten könne, weil ohnedies der Angeklagte auf Grund der bereits (in den Urteilsgründen) näher erörterten Beweisergebnisse mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit als Lenker feststehe (S 137 d. A).

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge kommt jedenfalls in Ansehung der Abweisung des Antrags auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu dem angeführten Beweisthema Berechtigung zu.

Das Jugendschöffengericht hat festgestellt, daß der Angeklagte - der sich infolge einer unter anderem erlittenen Gehirnerschütterung an das Unfallgeschehen nicht erinnern und daher nicht angeben konnte, wer das Moped damals gelenkt hat - im Unfallszeitpunkt der Lenker des Mopeds gewesen ist, während der bei dem Unfall getötete Christian B zu diesem Zeitpunkt auf dem Soziussitz mitgefahren ist (S 131 d. A). Es hat diese Konstatierungen auf den kriminaltechnischen Untersuchungsbericht des Erkennungsamts der Bundespolizeidirektion Salzburg (S 39 ff. d. A) und das Gutachten des kraftfahrtechnischen Sachverständigen Ing. Walter C (S 115 ff. in Verbindung mit S 99 ff. d. A) sowie auf die Aussage der Zeugin Gertrude D (S 88 ff. d. A) gestützt, wozu es ausdrücklich festhielt, daß der sichere Beweis, daß der Angeklagte das Moped im Unfallszeitpunkt gelenkt hat, nicht allein auf Grund der angeführten Gutachten, sondern 'erst in Verbindung mit der glaubhaften Aussage der Zeugin Gertrude D' erbracht worden sei (S 136 d. A). In letzterer Hinsicht bezieht es sich dabei auf die Angaben der genannten Zeugin, wonach sie das Moped kurz vor der Unfallstelle und beim Unfall beobachtet und dabei gesehen habe, daß der Lenker des Mopeds, den sie als den Angeklagten erkannt habe, keinen Sturzhelm trug, sondern nur die auf Sozius mitfahrende Person, die sie nicht erkannt habe. Darin erblickt das Jugendschöffengericht ein wesentliches Indiz dafür, daß der Lenker des Mopeds im Unfallszeitpunkt keinen Sturzhelm trug und daß dies der Angeklagte war, weil dies auch nach dem kraftfahrtechnischen Gutachten mit den objektivierten Spuren und Endlagen in Einklang stehe. Demgegenüber zielt der Antrag auf Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen ersichtlich darauf ab, darzutun, daß die (entscheidungswesentliche) Bekundung der Zeugin D nicht den Tatsachen entsprechen könne, weil - was durch das beantragte Gutachten zu beweisen gewesen wäre - der Angeklagte, wenn er wirklich keinen Sturzhelm getragen haben sollte, nach Meinung des Beschwerdeführers bei der vom Erstgericht (auf Grund des kraftfahrtechnischen Gutachtens) zugrundegelegten Art seiner Bewegung im Unfallszeitpunkt sichtbare Kopfverletzungen erlitten haben müßte, die jedoch nach der Aktenlage nicht eingetreten sind (vgl. S 6 und 29 d. A). Solcherart betrifft aber das Beweisthema, zu welchem der medizinische Sachverständige vernommen werden sollte, unter den gegebenen Umständen eine entscheidungswesentliche Tatsache, zumal an der Unfallstelle nach dem Unfall zwei Sturzhelme vorgefunden wurden und der Zeuge E zunächst angenommen hatte, daß beide auf dem Moped befindlichen Personen einen Sturzhelm getragen hätten, in welche Richtung auch die Aussage der Zeugin F gedeutet werden könnte. Hätte die begehrte Beweisaufnahme das vom Beschwerdeführer angestrebte Ergebnis, dann wäre aber eine wesentliche Feststellungsgrundlage, auf die der Schuldspruch des Angeklagten gestützt ist, erschüttert und eine andere Lösung der Schuldfrage denkbar, wobei bei der gegebenen Sachlage nicht von vornherein gesagt werden kann, daß aus dem beantragten Sachverständigengutachten keine entscheidungswesentlichen Erkenntnisse zu gewinnen sind. Ist aber ein Beweisgegenstand nicht unerheblich und ist ein verwertbares Ergebnis der begehrten Beweisaufnahme nicht von vornherein auszuschließen, dann darf der betreffende Beweis nicht abgelehnt werden (vgl. SSt. 13/89), insbesondere darf die Abweisung - wie dies der Begründung des Erstgerichts S 137 d. A entnommen werden könnte - nicht (schon) deshalb erfolgen, weil das Gericht die ihm vorliegenden Belastungsbeweise für ausreichend hält, denn das Gericht darf den Umfang des Beweisverfahrens nicht von einer vorzeitig gewonnenen überzeugung von der Schuld des Angeklagten bestimmen lassen (EvBl. 1953/459). Vielmehr ist es gerade der Sinn der Bestimmung des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO, daß Beweismittel, die der Wahrheitsermittlung in einem wesentlichen Punkt dienlich sein können, nicht unbenützt bleiben dürfen.

Demnach wäre das Erstgericht verbunden gewesen, den beantragten medizinischen Sachverständigenbeweis zu dem im diesbezüglichen Antrag angeführten Beweisthema aufzunehmen.

Da es dies unterlassen hat, wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten beeinträchtigt, sodaß sich die Nichtigkeitsbeschwerde schon aus diesem Grund - ohne daß auf das weitere Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 4 StPO sowie auf die Ausführungen zur Mängelrüge eingegangen werden muß - als berechtigt erweist.

Da sich mithin zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unumgänglich ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat, war der Nichtigkeitsbeschwerde schon in nichtöffentlicher Beratung - mit Zustimmung der Generalprokuratur - gemäß § 285 e StPO sofort Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen.

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