OGH 9Os198/78

OGH9Os198/7827.3.1979

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Umlauft als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter A wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Oktober 1978, GZ 2 e Vr 846/78-52, den Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufungen wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9. Juni 1950 geborene kaufmännische Angestellte Peter A des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. In Ausführung des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes wirft der Beschwerdeführer dem Erstgericht eine undeutliche, unvollständige, unzureichende und teilweise auch aktenwidrige Begründung entscheidungswesentlicher Urteilsannahmen vor.

Als solcherart mangelhaft begründet bezeichnet der Beschwerdeführer insbesondere die Annahme des Schöffengerichts, wonach das im Dorotheum sichergestellte, vom Angeklagten dort am 30. Dezember 1977 verpfändete Collier mit jenem identisch ist, das der Zeugin B entfremdet wurde, weil das Erstgericht in diesem Zusammenhang nicht erörtert habe, daß es sich dabei um Modeschmuck handelt, von dem Stücke in vielen sehr ähnlichen Versionen im Handel seien, weshalb eine öhnlichkeit von zwei Stücken noch lange nicht deren Identität ergeben müsse, und die Zeugin B zwar das Collier als das ihre bezeichnet, gleichzeitig aber selbst zugegeben habe, daß es keine besonderen Merkmale aufweise und es schwer zu sagen sei, wieso sie es als ihr Eigentum erkannt habe.

Unvollständig seien die Urteilsgründe aber auch deshalb, weil sich das Erstgericht nicht damit auseinandersetzte, daß die Zeugin B jenen Bekannten, von dem sie seinerzeit das Collier erhalten hat, nicht näher bezeichnen konnte, während ihr geschiedener Gatte gewußt habe, von wem sie das Collier bekommen hat; darin liege ein erörterungsbedürftiges Indiz für das Bestreben der Zeugin B, zu verhindern, daß mit Hilfe des Geschenkgebers die mangelnde Identität zwischen dem ihr geschenkten und dem sichergestellten Schmuckstück hervorkomme. Weiters habe sich das Erstgericht nicht mit der Verantwortung des Angeklagten befaßt, das sichergestellte Collier bereits im Jahre 1977 verpfändet zu haben, während die in Rede stehende Halskette der Zeugin B erst 1978 abhanden gekommen sei, und auch nicht festgestellt, wie der Angeklagte in die Wohnung der Zeugin gekommen sein soll; daß er mit einem zweiten Schlüssel aufgesperrt habe, sei durch nichts bewiesen.

Eine aktenwidrige Begründung soll schließlich darin liegen, daß das Schöffengericht davon ausgeht, die vom Zeugen C angefertigte Zeichnung stimme nicht mit dem Aussehen des sichergestellten Colliers überein, obwohl - nach Meinung des Beschwerdeführers - eine solche übereinstimmung gegeben sei.

Letztlich seien die Urteilsgründe auch deshalb unvollständig, weil das Erstgericht nicht berücksichtigt habe, daß der Beschwerdeführer nicht im alleinigen Gelegenheitsverhältnis gestanden sei.

Rechtliche Beurteilung

Den - in dieser Hinsicht weitwendigen - Beschwerdeausführungen ist insgesamt vorweg entgegenzuhalten, daß das Schöffengericht keineswegs verpflichtet war, im Urteil den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen der Zeugen sowie überhaupt sämtlicher Verfahrensergebnisse schlechthin zu erörtern und daraufhin zu untersuchen, ob und allenfalls wie weit die einzelnen Angaben oder sonstigen Beweisergebnisse für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen könnten, und sich bei Würdigung der Beweisergebnisse von vornherein mit allen vom Beschwerdeführer nachträglich ins Treffen geführten Gesichtspunkten zu befassen. Es hatte vielmehr die schriftliche Urteilsbegründung gemäß der Vorschrift des § 270 Abs 2 Z 5 StPO in gedrängter Darstellung abzufassen. Dabei hat es seiner formalen Begründungspflicht, die darin bestand, in den Entscheidungsgründen mit voller Bestimmtheit anzugeben, welche Tatsachen es als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen hat und aus welchen Erwägungen dies geschehen ist, vorliegendenfalls hinsichtlich aller entscheidungswesentlichen Tatsachenfeststellungen entsprochen, indem es diese unter Heranziehung aller in Betracht kommender Verfahrensergebnisse hinreichend und einleuchtend begründet hat. Die Beschwerdeausführungen stellen demgegenüber im wesentlichen bloß den Versuch dar, in einer im Nichtigkeitsverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen und damit unbeachtlichen Weise nach Art einer Schuldberufung die Beweiswürdigung des Erstgerichts zu bekämpfen, wobei der Beschwerdeführer ersichtlich darauf abzielt, die Beweiskraft der Aussagen der Zeugin B in Frage zu stellen.

Im einzelnen ist dem Beschwerdevorbringen noch folgendes zu erwidern:

Was den Vorgang der Identifikation des sichergestellten Colliers durch die Zeugin B betrifft, so hat sich das Schöffengericht dabei auf die für glaubwürdig befundenen Angaben der genannten Zeugin (s. S. 116, 169, 171

ff d. A) gestützt, wobei es auch die näheren Umstände, unter welchen diese Identifikation erfolgte (vgl. S. 97 d. A), in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen hat (S. 267, 269 d. A). Auf dieser Grundlage konnte es aber in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) zu dem Schluß gelangen, daß es sich bei diesem Collier um das der Zeugin B gehörige Schmuckstück handelt, ohne daß es noch einer ausdrücklichen Erörterung des Umstands bedurfte, daß es sich um Modeschmuck handelt. Zur Herkunft des Colliers hat die Zeugin B stets erklärt, die Kette von einem italienischen Bekannten erhalten zu haben, dessen Namen sie nicht mehr in Erinnerung habe (S. 121 d. A).

Diese Darstellung steht - entgegen dem Beschwerdevorbringen - keineswegs in Widerspruch zur Aussage des geschiedenen Gatten dieser Zeugin, der über das Vorhandensein eines Colliers bei seiner früheren Gattin nichts aussagen konnte und lediglich den Vornamen des italienischen Bekannten seiner geschiedenen Frau wußte (S. 177 d. A).

Von erörterungsbedürftigen Widersprüchen bzw. einer unzureichenden Begründung kann somit keine Rede sein.

Die Behauptung der Beschwerde, der Zeugin B sei das in Rede stehende Collier erst im Jahre 1978 abhanden gekommen, steht mit der Aktenlage nicht im Einklang. Die genannte Zeugin hat vielmehr bekundet, dieses Schmuckstück - im Gegensatz zu den anderen ihr entfremdeten Schmuckstücken - letztmals Mitte Dezember 1977 gesehen zu haben, was mit der vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Tatsache der Verpfändung dieses Schmuckstücks durch den Angeklagten am 30. Dezember 1977 zu vereinbaren ist. Ebenso unrichtig ist auch die Beschwerdebehauptung, das Erstgericht habe nicht festgestellt, wie der Angeklagte in die Wohnung der Zeugin B gelangt ist. Das Schöffengericht hat vielmehr ausdrücklich konstatiert, daß der Angeklagte während des inkriminierten Zeitraums (jeweils) unter Verwendung eines Nachschlüssels, der einige Zeit zuvor nach dem Originalschlüssel angefertigt wurde, und zwar ohne (vorheriges) Wissen der Zeugin B, in die Wohnung gelangt ist, wobei es sich insoweit (abermals) auf die für glaubwürdig befundenen Bekundungen der Zeugin B (S. 17, 115 d. A) stützte (S. 269 ff d. A). Desgleichen hat das Erstgericht auch keineswegs mit Stillschweigen übergangen, daß andere Personen ebenfalls Zutritt zur Wohnung der Zeugin B gehabt haben; es hat jedoch mit einleuchtenden Gründen dargetan, weshalb es zur überzeugung gelangt ist, daß diese anderen Personen als Täter ausscheiden und nur der Angeklagte als Täter in Betracht kommt (S. 270/271 d. A).

Die Feststellung, wonach der Zeuge C das Schmuckstück abweichend vom Aussehen des sichergestellten Colliers gezeichnet hat, konnte das Erstgericht hinwieder auf die anläßlich der Inaugenscheinnahme des sichergestellten Colliers selbst gemachten und im Protokoll über die Hauptverhandlung vom 4. Oktober 1978 festgehaltenen (S. 250 d. A) Wahrnehmungen stützen, ohne daß dabei eine Aktenwidrigkeit im Sinne des angerufenen Nichtigkeitsgrundes ersichtlich wäre. Soweit der Beschwerdeführer - in weiterer Ausführung seiner Mängelrüge - releviert, das Ersturteil lasse nicht erkennen, daß - seinen Annahmen zufolge - der Angeklagte die im Urteilsspruch angeführten Schmuckstücke nicht in einem einzigen Angriff, sondern in mehreren Angriffen an sich gebracht hat, so trifft es zwar zu, daß von wiederholten Angriffen im schriftlichen Urteil nicht ausdrücklich die Rede ist. Daß dem Ersturteil aber eine derartige Annahme zugrundeliegt, sohin die behauptete Undeutlichkeit in Wahrheit nicht gegeben ist, erhellt in hinreichender Weise aus der Anführung des als erwiesen angenommenen Tatzeitraums in Verbindung mit den dem Urteil zugrundeliegenden Bekundungen der Zeugin B über jene Zeiten, zu welchen sie einzelne Schmuckstücke noch in ihrer Wohnung gesehen hat, aber auch daraus, daß das Erstgericht dem Angeklagten die Wiederholung der diebischen Angriffe ausdrücklich als erschwerend angelastet hat (S. 271 d. A).

Was letztlich die im Rahmen der Mängelrüge gerügte Unterlassung der Aufnahme weiterer Beweise betrifft, so genügt es, den Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß eine mangelnde Ausschöpfung möglicher Beweisquellen nicht als Nichtigkeit nach Z 5, sondern nur als solche nach Z 4 des § 281 Abs 1 StPO gerügt werden kann, wofür es aber vorliegend schon an einer entsprechenden Antragstellung in erster Instanz fehlt.

Die Mängelrüge erweist sich demnach zur Gänze als offenbar unbegründet.

In Ausführung der erhobenen Rechtsrüge bringt der Beschwerdeführer vor, das Ersturteil leide an einem Feststellungsmangel, 'weil Umstände, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind, vom Erstgericht nicht festgestellt wurden', wobei die Beschwerde hiezu - 'um Wiederholungen zu vermeiden' - auf die Ausführungen zur Mängelrüge verweist. Solcherart wird aber weder der geltendgemachte noch ein anderer materiellrechtlicher Nichtigkeitsgrund dem Gesetz gemäß zur Darstellung gebracht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

über die Berufungen wird bei einem mit gesonderter Verfügung anzuberaumenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden (§ 296 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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