OGH 12Os24/79

OGH12Os24/7922.3.1979

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Umlauft als Schriftführer in der Strafsache gegen Karlo A und andere wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs. 1, 143 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über den Antrag auf Wiedereinsetzung gegen den Ablauf von Fristen und über die Beschwerde des Angeklagten Karlo A gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30. November 1978, GZ. 20 b Vr 4120/78-62, den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung bzw. Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wird verweigert.

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 285 b Abs. 6 StPO werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 11. August 1978, GZ 20 b Vr 4120/78-37, wurde unter anderem der am 13. Mai 1948 geborene Karlo A des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs. 1, 143 StGB schuldig erkannt und zu 5 1/2 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung behielt sich A drei Tage Bedenkzeit vor (S. 141 d. A) und meldete sodann am 14. August 1978 - sohin fristgerecht - durch seinen Wahlverteidiger, Rechtsanwalt Dr. Nikolaus B, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 42). Am 16. August 1978, sohin nach Ablauf der Anmeldefrist, gab auch der Angeklagte selbst im Gefangenenhaus die Anmeldung der bezeichneten Rechtsmittel zu Protokoll (ON 41). Am 30. August 1978 wurde eine Urteilsabschrift dem Verteidiger des Angeklagten zugestellt (S. 170 d. A). Innerhalb der (bis 13. September 1978 währenden) Ausführungsfrist wurde weder die Nichtigkeitsbeschwerde noch die Berufung ausgeführt.

Am 26. Setember 1978 gab vielmehr der Angeklagte - durch seinen Verteidiger - die Erklärung ab, daß er die angemeldeten Rechtsmittel zurückziehe (ON 46), worauf die eingetretene Rechtskraft des eingangs angeführten Urteils in Ansehung des Angeklagten A festgestellt, die Endverfügung erlassen (ON 48) und A am 9. Oktober 1978

in Strafhaft übernommen wurde (ON 50).

Am 18. Oktober 1978 richtete A eine Eingabe an das Erstgericht, in welcher er auf die von ihm angemeldeten Rechtsmittel Bezug nimmt und ausführt, sein Verteidiger habe ihn am 11. September 1978 in der Haft besucht, ihm Vorwürfe wegen des ausständigen Honorars gemacht und 'deswegen die Berufungs-Beschwerde abgeschlossen'; er (A) verzichte deshalb auf die weitere Verteidigung durch Rechtsanwalt Dr. B und bitte das Gericht, seiner 'Berufungs-Beschwerde stattzugeben und ihm auch einen Pflichtverteidiger hiefür beizustellen, da er auf seine Rechtsmittel nicht verzichte' (ON 54). Das Erstgericht übermittelte diese Eingabe zunächst der Staatsanwaltschaft zur Stellungnahme gemäß § 364 Abs. 2 StPO, 'soweit das gegenständliche Schreiben als Antrag auf Wiedereinsetzung aufzufassen ist', und legte sie sodann dem Oberlandesgericht Wien im Nachhang zu den inzwischen mit Berufung des Mitangeklagten Vlada C vorgelegten Akten vor. Anläßlich der Rücksendung der Akten an das Erstgericht wies das Oberlandesgericht Wien mit Note vom 22. November 1978 (ON 59) darauf hin, daß die in Rede stehende Eingabe des A nicht als Antrag auf Wiedereinsetzung aufgefaßt werden könne, weil ausdrücklich ein Verschulden des Verteidigers behauptet werde; die Eingabe sei vielmehr als (neuerliche) Anmeldung bzw. Aufrechterhaltung einer wirksam zurückgezogenen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung zu werten, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 a StPO zu behandeln sei.

Hierauf faßte der Vorsitzende am 30. November 1978

den Beschluß, die Nichtigkeitsbeschwerde des Karlo A gemäß § 285 a Z 1 und 2 StPO zurückzuweisen (ON 62).

Zur Begründung wird ausgeführt, daß unter 'Berufungs-Beschwerde' und 'Rechtsmittel' offenbar Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung zu verstehen seien, wobei nicht klar sei, ob A die rechtzeitig angemeldeten Rechtsmittel aufrecht erhalten oder diese neu anmelden wolle. Soweit ersteres der Fall sei, sei dies - abgesehen davon, daß die Nichtigkeitsbeschwerde rechtswirksam zurückgezogen wurde - schon im Hinblick auf § 285 a Z 2 StPO unzulässig, weil in der Anmeldung Nichtigkeitsgründe nicht einmal andeutungsweise angeführt und diese auch in der Folge - mangels Rechtsmittelausführung - nicht bezeichnet wurden. Soweit die Eingabe aber als neuerliche Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde aufzufassen wäre, sei diese verspätet. Gegen diesen Beschluß richtet sich die (rechtzeitige) Beschwerde des Angeklagten A, nunmehr vertreten durch einen gemäß § 41 Abs. 2 StPO bestellten Verteidiger, mit welcher auch der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung verbunden ist und in der ausgeführt wird, daß nach Ansicht des Beschwerdeführers bereits die Eingabe vom 18. Oktober 1978 als Wiedereinsetzungsantrag zu werten gewesen wäre. Jedenfalls hätte das Erstgericht vorerst abklären müssen, was A mit dieser Eingabe wirklich bezwecke. Darüberhinaus sei in der bezeichneten Eingabe eine Rechtsmittelanmeldung zu erblicken, weil sein seinerzeitiger Verteidiger die rechtzeitige Rechtsmittelanmeldung ohne seine Zustimmung zurückgezogen habe; auch wäre zu untersuchen gewesen, ob es sich überhaupt um die Anmeldung einer Nichtigkeitsbeschwerde oder nicht bloß um die Ausführung einer (Straf-)Berufung handle (S. 229-231 d. A).

Rechtliche Beurteilung

Das Vorbringen des Beschwerdeführers erweist sich nach jeder Richtung hin als verfehlt.

Was vorerst den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung betrifft, so könnte in der Eingabe des A vom 18. Oktober 1978 allenfalls ein derartiges Begehren in bezug auf die Versäumung der Frist zur Ausführung der seinerzeit (fristgerecht) angemeldeten Rechtsmittel erblickt werden. Diesem Begehren steht jedoch entgegen, daß der Angeklagte (durch seinen ausgewiesenen Verteidiger) die angemeldeten Rechtsmittel ausdrücklich zurückgezogen hat, wobei diese Zurückziehung für den Angeklagten verbindlich war, weil der (gewählte oder bestellte) Verteidiger gemäß § 44 StPO zur Vornahme einzelner Prozeßhandlungen keiner besonderen Vollmacht bedarf, somit für seinen Mandanten verbindliche Rechtsmittelerklärungen abgeben und angemeldete Rechtsmittel auch verbindlich zurückziehen darf; solche Erklärungen könnten gegenüber dem Gericht nur dann keine Wirksamkeit haben, wenn diesem bei Abgabe der prozessualen Erklärung bekannt ist, daß zwischen dem Angeklagten und dem Verteidiger in bezug auf diese kein Konsens besteht (vgl. OGH 16. Jänner 1979, 11 Os 1/79). Im Zeitpunkt der - im übrigen nach Ablauf der Ausführungsfrist erfolgten - Rechtsmittelzurückziehungserklärung ON 46 waren aber dem Gericht keine Gründe bekannt, aus welchen zu schließen gewesen wäre, daß der Verteidiger allenfalls gegen den Willen seines Mandanten handelt. Dazu kommt, daß solche Umstände auch der Sache nach nicht vorlagen, weil der Angeklagte mit der Zurückziehung der Rechtsmittel ausdrücklich einverstanden war, wie sich aus der Eingabe des Dr. B ON 72 und der dieser angeschlossenen Beilage (S. 239 d. A) ergibt. Sohin war die Rechtsmittelzurückziehungserklärung vom 26. September 1978 (die - wie bereits erwähnt - nach Ablauf der Ausführungsfrist abgegeben wurde, ohne daß innerhalb der Frist die Rechtsmittel ausgeführt worden wären) für den Angeklagten verbindlich. Derartige verbindliche prozessuale Erklärungen können aber nicht nachträglich im Wege einer Wiedereinsetzung beseitigt werden.

Im übrigen läge nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers für die Versäumung der Ausführungsfrist ein Verschulden des Verteidigers vor, sodaß es schon aus diesem Grund an einer wesentlichen Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung fehlt, ohne daß die weiteren Voraussetzungen des § 364 Abs. 1 StPO, insbesondere jene, wonach die versäumte Prozeßhandlung zugleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen ist, zu prüfen wären.

Was hingegen das mit der Beschwerde ON 68 verbundene (weitere) Begehren um Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung betrifft, womit sich der Antragsteller offensichtlich auf seine eigene seinerzeit im Gefangenenhaus abgegebene - verspätete - Rechtsmittelanmeldung bezieht, so übersieht der Antragsteller, daß diese Rechtsmittelanmeldung im gegebenen Fall unbeachtlich war und damit auch nicht Gegenstand einer Wiedereinsetzung sein kann. Denn im Zeitpunkt dieser Rechtsmittelanmeldung (16. August 1978) hatte bereits der Wahlverteidiger des Angeklagten (rechtswirksam und fristgerecht) die bezeichneten Rechtsmittel für den Angeklagten angemeldet; da es eine zweimalige Rechtsmittelanmeldung ebensowenig gibt wie eine zweimalige Rechtsmittelausführung (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/3 Nr. 4 a zu § 364 StPO), und die Anmeldefrist ohnedies durch die Rechtsmittelanmeldung des Verteidigers gewahrt war, war die vom Angeklagten selbst vorgenommene Rechtsmittelanmeldung von vornherein unbeachtlich, ganz abgesehen davon, daß die seinerzeitige Rechtsmittelanmeldung inzwischen - wie schon dargetan - rechtswirksam zurückgezogen wurde.

Daher konnte dem Begehren um Wiedereinsetzung in keiner Richtung hin ein Erfolg beschieden sein.

Was hingegen die Beschwerde des Angeklagten gegen die Zurückweisung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde betrifft, so erfolgte diese Zurückweisung zu Recht. Der Angeklagte hat rechtswirksam die angemeldeten Rechtsmittel zurückgezogen; damit war aber auch eine neuerliche Anmeldung dieser Rechtsmittel unzulässig, wozu kommt, daß die Anmeldefrist am 18. Oktober 1978 längst abgelaufen war. Es war mithin spruchgemäß zu entscheiden.

Im Hinblick auf die (ebenfalls neuerlich) angemeldete Berufung sind die Akten gemäß § 285 b Abs. 2 StPO dem zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zuzuleiten.

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