OGH 12Os4/79

OGH12Os4/7915.3.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. März 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Umlauft als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A ua wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht als Beteiligter nach §§ 12 (3. Fall), 288 Abs 1 StGB über die vom Angeklagten Franz A gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 17. Juli 1978, GZ 23 Vr 1272/78-20, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Weber und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die Berufung gegen die Anzahl der Tagessätze und gegen die Höhe des Tagessatzes wird zurückgewiesen.

Im übrigen wird der Berufung Folge gegeben und die über den Angeklagten Franz A verhängte Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 24. April 1936 geborene Gastwirt Franz A, der am 12. Juli 1960 geborene Schilehrer und Schankbursche Norbert A und der am 6. September 1959 geborene kaufmännische Lehrling Franz B des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1

StGB, der Erstgenannte als Beteiligter gemäß § 12 (3.Fall) StGB, und Franz B überdies des Vergehens der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben Norbert A und Franz B am 2. Dezember 1976

vor dem Bezirksgericht Zell am Ziller als Zeugen in der Strafsache U 811/76 bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache durch ihre wahrheitswidrigen Angaben, Franz A habe am 25. September 1976 zwischen Lanersbach und Hintertux das Unfallsauto gelenkt, falsch ausgesagt (Punkt A/I des Schuldspruchs), während Franz A im September 1976 dadurch, daß er Norbert A und Franz B in ihrem Vorhaben, bezüglich der Person, die zum Unfallszeitpunkt das Fahrzeug gelenkt hatte, falsche Angaben vor Gericht zu machen, bestärkte und sich mit ihnen über ihr Vorgehen und über ihre Angaben besprach, zu dieser Straftat beigetragen hat (Punkt A/II des Schuldspruchs). Überdies hat Franz B am 2. Oktober 1976 vor der Gendarmerie und am 2. Dezember 1976 als Zeuge vor dem Bezirksgericht Zellam Ziller den Norbert A, der am 25. September 1976 zwischen Lanersbach und Hintertux einen Verkehrsunfall verschuldet hatte, bei dem Franz B leicht verletzt worden war, und dadurch das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs 1

StGB begangen hatte, der Verfolgung absichtlich ganz entzogen, indem er nicht ihn, sondern Franz A als Fahrzeuglenker angab (Punkt B/ des Schuldspruchs).

Den ihn betreffenden Punkt A/II des Schuldspruchs bekämpft der Angeklagte Franz A mit einer auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; seitens der Angeklagten Norbert A und Franz B ist das Urteil unangefochten geblieben. Gestützt auf den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer, der Sache nach eine offenbar unzureichende Begründung behauptend, daß aus den vom Erstgericht festgestellten Umständen, wonach er sich der Gendarmerie gegenüber selbst als Lenker des Unfallsfahrzeuges ausgegeben, Franz B davon Mitteilung gemacht und sich bei ihm erkundigt hat, was er auszusagen gedenke, nicht abgeleitet werden könne, er habe zu den falschen Beweisaussagen seines Sohnes Norbert A und des Franz B vor Gericht beigetragen und die beiden darin bestärkt, vor Gericht falsche Angaben zu machen. Denn zu dem Zeitpunkt, als er sich als Lenker ausgab, habe noch gar nicht bekannt sein können, daß es überhaupt zu gerichtlichen Zeugenaussagen kommen werde. Auch als er Franz B im Krankenhaus aufsuchte, sei lediglich von den Angaben gegenüber der Gendarmerie die Rede gewesen. Das Problem, ob sein Sohn und Franz B auch vor Gericht falsche Aussagen ablegen würden, habe sich für ihn frühestens dann ergeben können, als er erfuhr, daß er als Beschuldigter vor Gericht mußte. Eine Absprache über allfällige falsche Aussagen bei Gericht werde ihm aber weder vorgeworfen, noch könnte eine derartige Absprache nach dem Akteninhalt behauptet werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge hält einer Überprüfung nicht stand.

Wenngleich bei den Gesprächen des Franz A mit seinem Sohn Norbert und mit Franz B zunächst von den Angaben bei der Gendarmerie die Rede war, so konnte das Erstgericht dennoch denkrichtig und in Einklang mit den Erfahrungen des täglichen Lebens annehmen, daß der Beschwerdeführer durch sein Verhalten auch zu den von Norbert A und Franz B in der Folge vor dem Bezirksgericht Zell am Ziller abgelegten falschen Zeugenaussagen beigetragen und die Genannten darin bestärkt hat, die von ihnen bereits am Unfallsort beschlossene Version erforderlichenfalls auch vor Gericht aufrechtzuerhalten. Denn es ist allgemein bekannt, daß Körperverletzungsdelikte (auch im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen) gerichtlich strafbare Handlungen darstellen, und das gemeinsame Vorhaben, Norbert A aus der Sache herauszuhalten, konnte von den Angeklagten nur dann verwirklicht werden, falls sie auch vor Gericht bei den ursprünglichen (falschen) Angaben blieben. Sogar der damals erst 17jährige Franz B war sich von vornherein dessen bewußt gewesen, daß er, um seinen Freund zu decken, bei der Gendarmerie und vor Gericht falsch aussagen mußte (S 32 oben). Daß die seinerzeitige Absprache auch von den anderen Beteiligten in diesem Sinne verstanden worden ist, ergibt sich letztlich daraus, daß vor Gericht - auch ohne neuerliche Absprache - alle bei ihren früheren Angaben geblieben sind.

Mithin haften dem (bekämpften) Ausspruch über entscheidende Tatsachen, zu dem das Schöffengericht auf Grund seiner in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) gewonnenen Überzeugung gelangt ist, logische Mängel nicht an.

Für rechtsirrig gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erachtet der Beschwerdeführer den Schuldspruch deshalb, weil gemäß den Urteilsfeststellungen von einer Beteiligung an den falschen Beweisaussagen des Norbert A und des Franz B im Sinne des § 12 StGB nicht die Rede sein könne.

Auch die Rechtsrüge versagt.

Der (sonstige) Tatbeitrag in der Bedeutung des § 12

3. Alternative StGB umfaßt neben allen Formen physischer Unterstützung des unmittelbaren Täters auch dessen psychische Unterstützung bei Begehung der Tat, wie etwa durch Erteilen von Ratschlägen, aber auch durch Bestärken im Tatentschluß (ÖJZ-LSK 1976/206).

Ein solches Bestärken im Tatentschluß konnte das Erstgericht ohne Rechtsirrtum in der vom Beschwerdeführer den Mitangeklagten gegenüber bekundeten Bereitwilligkeit, sich selbst fälschlich als Lenker des Unfallsfahrzeuges auszugeben und sich mit ihnen über ihr Vorgehen und ihre Angaben zu besprechen, ersehen.

Wenn der Beschwerdeführer vermeint, vom Beschuldigten in einem gerichtlichen Strafverfahren könne nicht verlangt werden, daß er Zeugen an der Ablegung falscher Aussagen hindere, so gehen diese Ausführungen deshalb ins Leere, weil das Verschulden des Angeklagten Franz A vom Erstgericht keineswegs in der (späteren) Nichtverhinderung der falschen Beweisaussagen, sondern in der (vorausgegangenen) Absprache mit seinem Sohn und Franz B erblickt wurde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten Franz A nach § 288 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 37 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 240

(zweihundertvierzig) Tagessätzen, wobei es den Tagessatz mit 300 S bestimmte und die Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit 120 (einhundertzwanzig) Tagen festsetzte.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend keinen Umstand, als mildernd hingegen das Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit sowie den Umstand, daß die Tat schon längere Zeit zurückliegt und sich der Angeklagte seither wohlverhalten hat. Den Strafausspruch bekämpft der Angeklagte Franz A mit Berufung, und zwar hat er nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung noch in der Hauptverhandlung durch seinen Verteidiger nur Berufung wegen Nichtanwendung des § 43 StGB angemeldet (S 84 dA), in der Rechtsmittelausführung (S 108 dA) sodann auch Berufung wegen der Anzahl der Tagessätze ausgeführt und die Herabsetzung der Strafe auf ein schuldangemessenes Maß beantragt, und schließlich im Gerichtstag Berufung auch in Ansehung der Höhe des Tagessatzes ausgeführt. Soweit die Berufung gegen die Anzahl der Tagessätze und gegen die Höhe des Tagessatzes gerichtet ist, war sie zurückzuweisen. Auszugehen ist davon, daß der Angeklagte (durch seinen Verteidiger) nach der Urteilsverkündung Berufung ausdrücklich nur wegen Nichtanwendung der bedingten Strafnachsicht angemeldet hat. Nun kann zwar seit der Strafprozeßnovelle 1962 (BGBl 229) auch im schöffengerichtlichen Verfahren der Berufungswerber seine Beschwerdepunkte über die in der Berufung angemeldeten hinaus in der Berufungsausführung erweitern, dies jedoch nur, sofern er nicht schon bei der Anmeldung ausdrücklich oder stillschweigend auf die Geltendmachung weiterer Berufungspunkte verzichtet hat (SSt 43/9). Ein solcher stillschweigender Verzicht ist aber vorliegend anzunehmen, zumal die Berufungsanmeldung, die lediglich auf die Bekämpfung der Nichtanwendung des § 43 StGB gerichtet war, nicht etwa vom rechtsunkundigen Angeklagten selbst, sondern vom Verteidiger dieses Angeklagten erfolgte, womit davon auszugehen ist, daß sich dieser der rechtlichen Tragweite einer Beschränkung der Berufungsanmeldung auf einen bestimmten Beschwerdepunkt bewußt war und eine solche Beschränkung auch tatsächlich wollte. Abgesehen davon ist eine Erweiterung der Berufung auf einen neuen Berufungspunkt erst im Gerichtstag in jedem Fall verspätet. Was hingegen die Berufung wegen Nichtanwendung des § 43 StGB betrifft, so kommt ihr Berechtigung zu.

Die Gewährung bedingter Strafnachsicht ist nicht auf bestimmte Delikte beschränkt; daher steht der Umstand, daß es sich um ein Delikt gegen die Rechtspflege handelt, der Gewährung einer solchen Nachsicht keineswegs generell entgegen.

Es ist vielmehr jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 43 Abs 1 StGB gegeben sind. Dies ist vorliegend zu bejahen, zumal es in diesem Zusammenhang auch grundsätzlich keinen Unterschied macht, ob eine Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe verhängt wurde. Im letzteren Fall kommt die Gewährung der bedingten Strafnachsicht nur dann nicht in Betracht, wenn die spezialpräventiv erforderliche Effektivität der Strafe nur durch deren tatsächlichen Vollzug erzielt werden kann. Ein solches spezialpräventives Erfordernis besteht aber im gegebenen Fall nicht. Der Berufungswerber ist bisher in keiner Weise nachteilig in Erscheinung getreten, er hat das Unrecht seines Verhaltens eingesehen und er hat seinen Tatbeitrag deshalb gesetzt, um seinem Sohn zu helfen. Das ändert zwar nichts an der Strafbarkeit seines Verhaltens, läßt aber die Annahme zu, daß es sich um eine einmalige Verfehlung handelt, womit zur Erreichung des Strafzwecks bei diesem Angeklagten der sofortige Vollzug der Strafe nicht geboten erscheint. Aber auch generalpräventive Erwägungen sprechen im vorliegenden Fall nicht gegen eine bedingte Strafnachsicht. Es war daher insoweit der Berufung Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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