OGH 10Os6/79

OGH10Os6/7914.3.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.März 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek sowie in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jelinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Heinrich A wegen des Verbrechens nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. u.a. strafbare Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10.Oktober 1978, GZ. 6 a Vr 5721/78-29, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Philipp und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die über den Angeklagten gemäß § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. verhängte Freiheitsstrafe auf 2 (zwei) Jahre sowie die gemäß § 38 Abs. 1 FinStrG. ausgesprochene Geldstrafe auf 50.000

(fünfzigtausend) Schilling, für den Fall der Uneinbringlichkeit 1

(ein) Monat Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21.Juli 1950 geborene Rotationsarbeiter Heinrich A des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 6 Abs. 1

SuchtgiftG., des Vergehens nach § 9 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG. und des Finanzvergehens der (gewerbsmäßigen) Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG.

schuldig erkannt, weil er von 1977 bis Juni 1978 in Wien I. vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in solchen Mengen in Verkehr setzte, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, indem er 46 Kilogramm Haschisch an teils namentlich genannte, teils unbekannt gebliebene Personen verkaufte, II. wiederholt unberechtigt Suchtgifte erwarb und besaß, III. durch die zu I. angeführten Tathandlungen die dort bezeichnete Sache (46 Kilogramm Haschisch), hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen wurde, vorsätzlich und gewerbsmäßig an sich brachte, verheimlichte und verhandelte.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte den Schuldspruch nur in den Punkten II und III;

er macht die Nichtigkeitsgründe nach den Ziffern 3, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. geltend.

Punkt II des Schuldspruchs hält der Beschwerdeführer deshalb für nichtig nach § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO., weil Erwerb und Besitz von Suchtgiften Voraussetzungen für deren von ihm als Verbrechen nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. zu verantwortendes Inverkehrsetzen durch Weiterverkauf seien und ihm daher nicht auch noch gesondert als Vergehen nach § 9 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG. angelastet werden dürften.

Diese Rechtsrüge versagt: Zwar kommt § 9 SuchtgiftG. zufolge der in seinem Abs. 2 enthaltenen Subsidiaritätsklausel nur zur Anwendung, sofern die Tat nicht (z.B. nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG.) einer strengeren Strafe unterliegt.

Dies gilt aber eben nur dann, wenn es sich um dieselbe Tat oder ein ihr vorangehendes, sie vorbereitendes Verhalten handelt. Wer Suchtgift unberechtigt erwirbt oder besitzt und es sodann unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1

SuchtgiftG. in Verkehr setzt, verantwortet daher nicht zusätzlich das Vergehen nach § 9 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG.

Nun lassen aber die den angefochtenen Schuldspruch konkretisierenden Entscheidungsgründe ersehen, daß dem Beschwerdeführer als das zuletzt genannte Vergehen der unberechtigte Erwerb und Besitz (ausschließlich) jener Haschischmengen angelastet wurde, die er nicht an andere weitergegeben, sondern selbst verbraucht hat (S. 338, 343). Es liegt daher, wie das Erstgericht richtig erkannt hat, Realkonkurrenz zwischen den Tatbeständen des § 6 Abs. 1 und des § 9 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG. vor (EvBl. 1975/71).

Punkt III des Schuldspruchs rügt der Beschwerdeführer zunächst als nach § 281 Abs. 1 Z. 3 StPO. nichtig, weil ihm dadurch, daß - überraschend für ihn - der Staatsanwalt die Anklage erst in der Hauptverhandlung entsprechend ausdehnte, die im § 221 Abs. 1 StPO. garantierte Vorbereitungsfrist nicht eingeräumt gewesen sei. Dem ist zu erwidern, daß eine - Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 3 StPO. bewirkende - Verletzung der Vorschrift des § 221 Abs. 1 StPO. nur vorliegt, wenn dem Angeklagten von der Zustellung der Vorladung zur Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht bis zum Hauptverhandlungstermin nicht wenigstens eine dreitägige Einlassungsfrist zur Verfügung steht. Diese Frist wurde im vorliegenden Fall unbestrittenermaßen gewahrt. Mit dem in der Hauptverhandlung gestellten - zudem schon bei Einbringung der Anklageschrift ausdrücklich vorbehaltenen (S. 3) - Antrag, den Angeklagten auch wegen Finanzvergehens der Abgabenhehlerei zu bestrafen (S. 319), hat der öffentliche Ankläger nicht einmal die Anklage auf eine neu hinzugekommene Tat ausgedehnt (§ 263 StPO.), sondern lediglich begehrt, die schon in der Anklageschrift als Verbrechen nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. inkriminierte Tat zusätzlich unter dem erwähnten finanzstrafrechtlichen Aspekt zu beurteilen. In einem solchen Fall hat der Gerichtshof gemäß § 262 StPO. die Parteien über den neuen rechtlichen Gesichtspunkt zu hören und über einen allfälligen Vertagungsantrag zu entscheiden, dann aber nach seiner rechtlichen überzeugung das Urteil zu schöpfen. Auch dieser Verfahrensvorschrift wurde im vorliegenden Fall entsprochen, da sich der Angeklagte auf Befragen auch zur 'ausgedehnten' Anklage schuldig bekannte und kein weiterer Antrag, auch nicht auf Vertagung, gestellt wurde (S. 320). Im übrigen wäre selbst das Unterbleiben der Anhörung der Parteien über eine in der Anklageschrift (noch) nicht enthaltene rechtliche Beurteilung der Tat mit keiner Nichtigkeit bedroht (vgl. ÖJZ-LSK. 1977/340, 1978/222 zu § 262 StPO.).

Eine materiellrechtliche Nichtigkeit von Punkt III des Schuldspruchs behauptet der Angeklagte mit dem Hinweis auf die durch die Entscheidung (eines verstärkten Senats) vom 25.Juni 1976 (EvBl. 1976/229) eingeleitete Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs; darin war ausgesprochen worden, daß mit ausschließlich kriminell gehandelten Suchtgiften wie Haschisch mangels einer Eingangsabgabepflicht die Finanzvergehen des Schmuggels und der Abgabenhehlerei nicht begangen werden können.

Die angeführte Judikatur ist jedoch auf seit dem 1.Jänner 1977 eingeführte Suchtgifte nicht mehr anwendbar; durch die mit diesem Tag in Kraft getretene 9. Zolltarifgesetznovelle (BGBl. Nr. 669/1976) wurde nämlich die Eingangsabgabepflicht für Waren, die entgegen den Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes eingeführt werden - so auch für Haschisch - neu geregelt, nämlich vom früheren Wertzoll auf Gewichtszoll umgestellt. Das verkennt offenbar auch der Beschwerdeführer nicht, weil er eine Feststellung vermißt, wann das urteilsgegenständliche Haschisch nach Österreich eingeführt wurde. Im Hinblick auf die forensische Erfahrungstatsache, daß illegal eingeführte Suchtgifte nicht erst längere Zeit im Inland gehortet, sondern rasch zur Verteilung weitergegeben werden, konnte aber das Erstgericht ohne weiteres davon ausgehen, daß die vom Angeklagten erstmals im Jahre 1977 und bis Juni 1978 wiederkehrend verhehlten Haschischmengen von Anfang an schon bei ihrer Einfuhr der Eingangsabgabepflicht nach der 9. Zolltarifgesetznovelle unterlagen; dies umso eher, als der Angeklagte selbst einen mehrere Monate nach diesem Stichtag gelegenen Zeitpunkt im Sommer 1977 als Beginn seiner Deliktshandlung angegeben hat (S. 13 bis 18). Die dem Schuldspruch zu Punkt III zugrundeliegende Annahme, daß die vorliegend verhehlten Suchtgiftmengen zur Gänze und von Anfang an Gegenstand eines Schmuggels (im finanzstrafrechtlichen Sinn), demzufolge auch der inkriminierten Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a (§ 38 Abs. 1 lit. a) FinStrG. waren, haftet somit kein Rechtsirrtum an. Hilfsweise macht der Beschwerdeführer gegen den Schuldspruch wegen Abgabenhehlerei mit Beziehung auf Z. 9 lit. a, der Sache nach aber gleichfalls Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. noch geltend, es fehle an Feststellungen, die den spruchmäßigen Vorwurf eines Verheimlichens von Tatgegenständen rechtfertigten. Dieser Einwand geht aber ins Leere: Im § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG. sind mit dem 'Ansichbringen', 'Verheimlichen' und 'Verhandeln' wie in dem hiefür zum Vorbild genommenen § 164 Abs. 1 Z. 2 StGB. rechtlich gleichwertige Begehungsweisen eines und desselben gesetzlichen Tatbildes bezeichnet (alternativer Mischtatbestand; EvBl. 1978/153). Auch der Entfall einer von ihnen könnte angesichts des Aufrechtbleibens der übrigen an der Tatbildverwirklichung nichts ändern, sodaß auf den bezüglichen Beschwerdeeinwand nicht näher einzugehen ist.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. unter Anwendung des § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren, weiters gemäß § 6 Abs. 4 SuchtgiftG. zu einer Geldstrafe (Wertersatzstrafe) in der Höhe von 856.000 Schilling, im Falle der Uneinbringlichkeit zu vier Monaten (Ersatz-) Freiheitsstrafe, und schließlich gemäß § 38 FinStrG. unter Anwendung des § 22 Abs. 1 FinStrG. zu einer Geldstrafe in der Höhe von 100.000 Schilling, im Falle der Uneinbringlichkeit zu zwei Monaten (Ersatz-) Freiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung nach dem Suchtgiftgesetz wertete es die große Menge Haschisch, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und den Umstand, daß die Tat gewerbsmäßig begangen wurde, als erschwerend; als mildernd sah es hingegen das Geständnis, den bisherigen ordentlichen Lebenswandel bis zur Tat an, die außerdem mit dem sonstigen Verhalten des Angeklagten in auffallendem Widerspruch steht.

Die gewerbsmäßige Begehung wurde auch bei der Strafbemessung nach dem Finanzstrafgesetz als erschwerend angenommen; mildernd waren neuerlich die oben angeführten Gründe.

Mit seiner Berufung strebt Heinrich A die Ermäßigung aller über ihn verhängten Geld-, Freiheitsund Ersatzfreiheitsstrafen an. Der Berufung kommt teilweise Berechtigung zu.

Der Erschwerungsgrund der gewerbsmäßigen Tatverübung wurde bei der Strafverhängung nach § 6 SuchtgiftG. zutreffend in Anschlag gebracht, weil die Gewerbsmäßigkeit dort nicht strafnormierend ist. Hingegen hat dieser erschwerende Umstand bei der Bestrafung des Finanzvergehens zu entfallen, insofern ist die gewerbsmäßige Begehung schon durch den - aus dem Grunde der lit. a herangezogenen - besonderen Strafsatz des § 38 Abs. 1 FinStrG. abgegolten. Als weiterer Milderungsgrund kann nach Lage der Verhältnisse die Verleitung zum Suchtgifthandel seitens des dem Berufungswerber familiär durch seine Schwester nahestehenden Konstantin B angenommen werden.

Eine Berücksichtigung seines Vorbringens, der jahrelange Verkehr in der Drogenszene habe bei ihm die Grenzen zwischen Recht und Unrecht verwischt, käme jedoch einer Pauschalentschuldigung des ganzen Suchtgifthandels nahe.

Mit Rücksicht einerseits auf den in erster Instanz übergangenen Milderungsgrund der Verleitung durch (den in einem gewissen Naheverhältnis zum Berufungswerber stehenden Konstantin B und andererseits auf die vom Schöffengericht ersichtlich zu gering bewerteten, aber sehr wesentliche mildernden Umstände des Geständnisses und der bisherigen Unbescholtenheit ist eine Herabsetzung der nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. verhängten Freiheitsstrafe auf die eingangs angeführte Höhe vertretbar. Gemäß § 6 Abs. 4 SuchtgiftG. ist, wenn die den Gegenstand der strafbaren Handlung nach Absatz 1 derselben Gesetzesstelle bildenden Sachen oder ihr Erlös nicht ergriffen werden oder wenn nicht auf Verfall erkannt wird, auf eine Geldstrafe in der Höhe des Wertes dieser Sachen oder ihres Erlöses zu erkennen. Das Ausmaß der nach § 6 Abs. 4 SuchtgiftG. zu verhängenden Geldstrafe wurde auf der Grundlage der Verfahrensergebnisse im Urteil (S. 339) - ohnehin nur mit einer vom Berufungswerber jedenfalls erzielten Mindesterlössumme - korrekt errechnet. Damit bleibt für die Minderung der Wertersatzstrafe kein Raum.

Im Rahmen der Strafzumessung nach § 38 FinStrG. ist zu erwägen, daß dort eine Geldstrafe bis zum Vierfachen des Betrags, nach dem sich sonst die Strafdrohung richtet, vorgesehen ist. Für die vom Berufungswerber verübte Abgabenhehlerei würde sich die Geldstrafe, von der Qualifikation des § 38 Abs. 1 lit. a FinStrG. abgesehen, nach der Verkürzung der Eingangsabgaben richten, die auf die verhehlten sachen entfallen. Da auf den verhehlten Suchtgiftmangen festgestelltermaßen Eingangsabgaben (Zoll, Einfuhrumsatzsteuer, Ausfuhrförderungsbeitrag) von insgesamt 677.488 S entfallen (S. 340) könnte über den Rechtsmittelwerber gemäß § 38 FinStrG. eine Geldstrafe bis zu 2,709.952 S verhängt werden.

Dennoch erachtet der Oberste Gerichtshof nach Lage des Falles - nicht zuletzt im Hinblick darauf, daß (wie erwähnt) der schon in der Norm des § 38 FinStrG. verkörperte Umstand der gewerbsmäßigen Tatverübung als Erschwerungsgrund wegfällt - eine angemessene Herabsetzung dieser Strafe und der hiezu festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Maß am Platz.

Für eine Veränderung der für den Fall der Uneinbringlichkeit der Wertersatzstrafe nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG.

ausgesprochenen Ersatzfreiheitsstrafe (vier Monate) besteht infolge sachlicher Angemessenheit kein Anlaß.

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