OGH 10Os23/79

OGH10Os23/797.3.1979

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich, Dr. Friedrich, Dr. Walenta und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jelinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Emil A (geb. B) wegen des Verbrechens nach den § 15, 87

Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Emil A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20.November 1978, GZ. 1 c Vr 8577/77-104, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das in Ansehung des Schuldspruchs wegen des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG. und im Einziehungsausspruch als unangefochten unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10.Mai 1925 geborene Rentner Emil A (geb. B) wegen der am 13.Oktober 1977 erfolgten Abgabe von mindestens 9 gezielten Schüssen auf zwei Personen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach den § 15, 87

Abs. 1 StGB sowie wegen des Besitzes und des Führens einer Faustfeuerwaffe des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG. schuldig erkannt. Die Faustfeuerwaffe wurde gemäß § 26 Abs. 1 StGB eingezogen.

Nur den erstgenannten Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9

lit. a und b sowie 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Aus Anlaß dieser Beschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß das Urteil an einer vom Beschwerdeführer - in dieser Richtung - nicht geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeit leidet.

Rechtliche Beurteilung

Der Tatbestand nach dem § 87 Abs. 1 StGB verlangt auf der subjektiven Tatseite die 'Absicht' des Täters, einem anderen eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) zuzufügen. Gefordert wird demnach die Schuldform des § 5 Abs. 2 StGB, d.h. der Täter muß mit seiner Handlung den direkten Zweck verfolgen, das tatbildmäßige Unrecht, d.h. eine schwere körperliche Beschädigung des Opfers herbeizuführen. Bedingter Vorsatz genügt nicht (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB, S. 440; LSK. 1976/119, SSt. 47/5 u. 11 u.v.a.).

Das Erstgericht ist in der Begründung seiner Entscheidung u.a. ausdrücklich davon ausgegangen, daß der Angeklagte 'durch die Abgabe der (zunächst 6) Schüsse durch die Eingangstüre (des Gasthauses C), wobei ein Fenster durchsichtig war, es zumindest ernstlich für möglich gehalten haben muß und sich auch damit abgefunden haben muß, daß durch die Abgabe der Schüsse die im Lokal sich aufhaltenden Personen (Aleksander C und Erich D) schwer am Körper Verletzungen zufügen könnten' (S. 52/II). Abgesehen von dieser sprachlich an sich fehlerhaften Ausdrucksweise und der in diesem Zusammenhang unterbliebenen Berücksichtigung der vom Angeklagten später allein 'auf seinen Verfolger Erich D' abgegebenen drei restlichen Schüsse, decken diese Formulierungen nicht einmal eindeutig die erstgerichtliche Annahme eines Handelns des Angeklagten mit auch nur bedingtem Vorsatz. Sie lassen nämlich auch die - rechtlich als Fahrlässigkeitskomponente anzusprechende - bloße (eindeutige) Erkennbarkeit der Sachverhaltsverwirklichung möglich erscheinen, weil die ausdrückliche Feststellung unterblieb, daß der - sich im übrigen mit bloßer Fahrlässigkeit verantwortende - Angeklagte das mit seinem Handeln verbundene Risiko tatsächlich erkannte und als so hoch veranschlagte, daß er eine Tatbestandsverwirklichung als naheliegend ansah, sich aber dennoch zur Tat entschloß, weil er einen solchen (nachteiligen) Ablauf der Ereignisse hinzunehmen willens war (siehe EvBl. 1975/192, LSK. 1978/18, 142 u.v.a.). Aus dem Urteilsspruch allein, der allerdings den Begriff 'absichtlich' enthält, ist schon in Anbetracht dieser ausdrücklichen Begründung der angefochtenen Entscheidung zur Frage der subjektiven Tatseite nichts zu gewinnen.

Somit hat das Erstgericht zur inneren Tatseite nur unzureichende Feststellungen getroffen, die die Subsumtion der dem Angeklagten im Punkt 1 des Schuldspruches angelasteten Tat unter den Tatbestand der § 15, 87 Abs. 1

StGB nicht zu decken vermögen. Sie ließen lediglich allenfalls die Heranziehung eines milderen Strafgesetzes (§ 15, 84 Abs. 2 Z. 1 bzw. 89 StGB) zu. Dieser Feststellungsmangel macht das Urteil nichtig im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO und bringt mit sich, daß das Strafgesetz zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet wurde (§ 290 Abs. 1 StPO).

Da sich somit zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO - mit Zustimmung der Generalprokuratur - bereits bei einer nichtöffentlichen Sitzung wie im Spruch zu erkennen.

Damit erübrigt sich aber auch ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen, weshalb der Angeklagte mit seinen dadurch gegenstandslos gewordenen Rechtsmitteln der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte