OGH 9Os7/79

OGH9Os7/795.3.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. März 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Kießwetter, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Umlauft als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A und Saip B wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 3 und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten Saip B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. September 1978, GZ. 1 b Vr 10518/77-110, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Berufung des Angeklagten Franz A nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Karl Norbert Schmid und Dr. Berta Mühl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde unter anderen der am 4. Juli 1954 geborene beschäftigungslose jugoslawische Staatsangehörige Saip B des Verbrechens des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs. 3 StGB als Beteiligter nach § 12 StGB (dritte Alternative) und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs. 1 und 2, 224 StGB als Beteiligter nach § 12

StGB (dritte Alternative) schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat er 1.) zur Ausführung eines Versicherungsbetruges des Mitangeklagten Franz A zum Nachteil der G-VersicherungsAG mit einem Schaden von S 149.100,-- (Schuldspruchfaktum A I a 1) dadurch beigetragen, daß er am 11. oder 12. Juni 1977 im Einverständnis mit A während dessen Abwesenheit in dessen Wohnung in Wien 18., Eckperggasse 24/2 einbrach, Gegenstände aus der Wohnung schaffte und diese später wieder an A zurückstellte (Punkt A II des Urteilssatzes), 2.) zur Ausführung von Franz A begangener Verfälschungen öffentlicher Urkunden bzw. des Gebrauches einer verfälschten öffentlichen Urkunde (Schuldspruchfakten B I 1 und 2 sowie B II 2) dadurch beigetragen, daß er (vor dem 22. Dezember 1977) die österreichischen Reisepässe des Helmut C und der Helga D sowie den Führerschein des Koloman E zwecks Verfälschung zur Verfügung stellte (Punkt B III des Urteilssatzes).

Von einem weiteren Anklagepunkt wurde Saip B gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen.

Seine Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte Saip B mit einer ausdrücklich auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten und mit dem Hinweis auf eine erlittene schwere Gehirnerschütterung begründeten Antrages auf gerichtspsychiatrische Untersuchung zum Beweis seiner Zurechnungsunfähigkeit zur Tatzeit. Diesen Antrag wies das Erstgericht mit der Begründung ab, daß für eine Geisteskrankheit keinerlei Anhaltspunkte vorlägen (vgl. Band II, S. 308 f d. A).

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge ist unberechtigt. Die Einholung eines gerichtspsychiatrischen Sachverständigengutachtens setzt voraus, daß Zweifel darüber entstehen, ob der Angeklagte zur Zeit der Tat wegen einem der im § 11 StGB genannten Zustände fähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 134 StPO).

Zweifel in dieser Richtung entstanden, wie das Erstgericht - ersichtlich unter Verwertung seines in der Hauptverhandlung von Saip B gewonnenen persönlichen Eindrucks - zum Ausdruck brachte, weder aus den Angaben des Angeklagten B selbst noch aus sonstigen Beweisergebnissen. Im gesamten Verfahren berief sich der Beschwerdeführer weder auf Erinnerungslücken noch auf andere Umstände, die auf eine Aufhebung seiner Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit zur Tatzeit, sei es wegen einer (posttraumatischen) krankheitsbedingten tiefgreifenden Bewußtseinsstörung, sei es wegen angeborenen Schwachsinns hindeuten. Ebenso wie seine Verantwortung läßt auch das inkriminierte Tatverhalten selbst keinen Mangel seines Wahrnehmungs- und Urteilsvermögens oder seiner Willensfähigkeit erkennen. Geistige Primitivität, wie sie ihm das Erstgericht zubilligte, stellt aber nur einen Milderungsumstand bei der Strafbemessung, mithin keinen für die Beurteilung der Schuldfrage entscheidungswesentlichen Umstand dar, der im Rahmen einer Verfahrensrüge releviert werden könnte.

Durch die Abweisung des Antrages auf gerichtspsychiatrische Untersuchung wurden daher Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt.

Bezüglich des Schuldspruchfaktums A II erblickt der Beschwerdeführer einen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen betreffenden Begründungsmangel im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO darin, daß sich das Erstgericht auf ein Geständnis des Mitangeklagten Franz A berufe, obwohl dieser nicht habe ausschließen können, daß die Tat von einem anderen als von ihm (dem Beschwerdeführer) begangen worden sei; es fehle ferner an objektiven Spuren, daß er in der Wohnung des A gewesen sei, und es sei schließlich unaufgeklärt geblieben, ob der fingierte Einbruch von einer Person oder von zwei Personen begangen worden sei.

Diese Mängelrüge versagt.

Bei seiner Annahme, der Angeklagte B sei (vereinbarungsgemäß) nach Einschlagen eines Fensters in die Wohnung des Franz A eingestiegen und habe einen Koffer mit Wertgegenständen aus der Wohnung geschafft, stützte sich das Erstgericht auf die Verantwortung des Mitangeklagten Franz A, er habe den Beschwerdeführer hiezu aufgefordert und ihm mitgeteilt, daß er für diesen vorgetäuschten Einbruch eine Entschädigungsleistung der Versicherung erhalten wolle (Band II S. 187 f und S. 291 d. A), auf die Aussage der Zeugin Manuela F, der Beschwerdeführer habe ihr die Verübung dieses fingierten Einbruchsdiebstahls ausdrücklich zugestanden (ON 30 und Band II S. 231) und auf das Ergebnis der Polizeierhebungen, wonach tatsächlich in die Wohnung des Franz A nach Einschlagen eines Fensters eingebrochen wurde (vgl. Band II, S. 324 ff in Verbindung mit Band I, S. 296 f d. A). Auf Grund dieser Beweise erachtete das Erstgericht die Tatbeteiligung des Saip B an dem von Franz A verübten Versicherungsbetrug als erwiesen und die (im übrigen auch in Widerspruch zu seinen Angaben vor der Polizei und vor dem Untersuchungsrichter stehende) leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung, er habe, ohne von einem geplanten Versicherungsbetrug zu wissen, von Franz A einen Schlüssel zu dessen Wohnung erhalten und daraus auftragsgemäß einen Koffer abgeholt, für widerlegt.

Hiebei berücksichtigte das Erstgericht auch, daß Franz A einräumte, er wisse nicht, ob der Angeklagte B die Tat selbst ausgeführt habe oder von einem anderen habe ausführen lassen, und ließ die Frage offen, ob beim Eindringen in die Wohnung des A mit ihm noch eine zweite Person am Werk war; ein Begründungsmangel kann daraus nicht abgeleitet werden, zumal eine Beantwortung dieser Fragen in dem einen oder anderen Sinn an der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers nichts ändern könnte.

Zum Schuldspruchfaktum B III stellte das Erstgericht ausdrücklich fest, daß der Beschwerdeführer dem Mitangeklagten Franz A die bezüglichen Urkunden zwecks Verfälschung, d. h. in Kenntnis ihrer geplanten Verfälschung, übergeben hat. Diese Konstatierung ist in der Aussage der bezüglich ihrer Glaubwürdigkeit und Beweiskraft positiv beurteilten Aussage der Zeugin Manuela F gedeckt. Sowohl die Verantwortung des Angeklagten B als auch die (in diesem Belange den Beschwerdeführer nicht belastenden) Angaben des Mitangeklagten Franz A wurden auch in diesem Zusammenhang hinreichend erörtert (vgl. Band II, S. 335 f d. A). Eine Befassung mit der Frage, wie der Angeklagte B im einzelnen in den Besitz der Urkunden gelangte (zumindest zum Reisepaß seiner Lebensgefährtin Helga D hatte er jederzeit Zugang), bedurfte es bei dieser Sachlage nicht. Dem Urteil haftet daher auch insoweit weder ein Begründungsmangel im Sinne der Z 5 noch ein Feststellungsmangel im Sinne der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO an.

Soweit sich der Beschwerdeführer - sachlich aus dem Grunde der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO - auf den Schuldausschließungsgrund des § 11 StGB beruft, ist zunächst auf das zur Verfahrensrüge Dargelegte zu verweisen.

Seine Verantwortung, er habe bei den ihm angelasteten Straftaten nicht gewußt, worum es ging, lehnte das Erstgericht - unbeschadet des Umstandes, daß ihm die Ausdrücke 'fingierter Einbruch' und 'Versicherungsbetrug' unbekannt sein mochten - ausdrücklich ab (vgl. Band II, S. 326, 335 d. A). Insoferne geht der Beschwerdeführer daher bei Ausführung seiner Rechtsrüge von anderen als den im Urteil getroffenen Tatsachenfeststellungen aus.

Aus den vom Erstgericht festgestellten Umständen läßt sich aber nicht ableiten, daß der Angeklagte B zur Zeit der Tat wegen einer Geisteskrankheit, wegen Schwachsinns, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung unfähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen. Der Angeklagte Franz A wurde des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach § 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 3 und 15 StGB (Punkt A des Urteilssatzes), des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs. 1 und 2, 224 StGB (Punkt B des Urteilssatzes) und des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach dem § 298 StGB (Punkt C des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Im einzelnen liegen ihm dazu vier in der Zeit von Juni bis November 1977 verübte Betrugsfakten mit einer Gesamtschadenssumme von 448.260,-- S (A), die Verfälschung zweier österreichischer Reisepässe und der Gebrauch zweier verfälschter Führerscheine im Rechtsverkehr im Jahre 1977 (B) und die Erstattung einer Anzeige über einen fingierten Einbruchsdiebstahl beim Bezirkspolizeikommissariat Wien-Währing am 12. Juni 1977 (C) zur Last.

Das Erstgericht verhängte über die beiden Angeklagten nach dem § 147 Abs. 3 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB Freiheitsstrafen, und zwar über Franz A in der Dauer von zwei Jahren und Saip B in der Dauer von einem Jahr.

Es wertete bei der Strafbemessung als mildernd bei A das weitgehend abgelegte Geständnis, bei B die geistige Primitivität, als erschwerend bei beiden Angeklagten die einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, zudem bei A allein die Wiederholung der Taten und bei B allein die Begehung der Taten innerhalb einer Probezeit.

Die Berufungen der Angeklagten sind gegen das Strafausmaß gerichtet. Ihnen kommt keine Berechtigung zu.

Zu den vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründen ist zu bemerken, daß die Begehung der (neuen) Straftaten innerhalb einer Probezeit als Erschwerungsgrund (bei B) zu entfallen hat und ihm zugute zu halten ist, daß er den Beitrag zum Versicherungsbetrug des A über dessen Einwirkung begangen hat (§ 34 Z 4 StGB), sowie daß beim Angeklagten A das Verbrechen (des schweren Betruges) nicht mit einem, sondern mit zwei Vergehen zusammentrifft. Im übrigen hat jedoch das Erstgericht die Milderungsund Erschwerungsgründe im wesentlichen richtig und vollzählig angeführt. Neue Gesichtspunkte, die zugunsten der Angeklagten ins Gewicht fielen, vermochten auch die Berufungswerber nicht geltend zu machen, zumal die von Saip B für sich ins Treffen geführte verminderte Zurechnungsfähigkeit bereits in der vom Erstgericht gewerteten geistigen Primitivität zum Ausdruck kommt.

Bedenkt man, daß dem Angeklagten A eine bereits beträchtliche Schadenssumme zur Last liegt und daß die Initiative zu dem Versicherungsbetrug (A 1 des Urteilssatzes), an dem sich der Angeklagte B beteiligte, von ihm ausging, dann erscheint die vom Erstgericht vorgenommene Differenzierung in den Strafen ebenso angebracht, wie auch deren Ausmaß dem Unrechtsgehalt der damit zu ahndenden Straftaten und jeweils der Schwere der Schuld des Täters entspricht.

Aus diesen Erwägungen konnte keiner der beiden Berufungen ein Erfolg

beschieden sein.

Sohin war insgesamt wie im Spruche zu erkennen.

Der Ausspruch über den Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die zitierte Gesetzesstelle.

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