OGH 9Os192/78

OGH9Os192/7816.1.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Jänner 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schmelcher als Schriftführer in der Strafsache gegen Erhardt A und andere wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach § 146, 147 Abs. 3, 148 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Angeklagten Gertrude B erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung des Angeklagten Erhardt A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. Oktober 1978, GZ. 3 d Vr 2080/78-112, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Doczekal und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Gertrude B wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die gewerbsmäßige Begehung der zu den Punkten F/1.) bis 7.) des Urteilssatzes bezeichneten Diebstahlstaten dieser Angeklagten, ferner demzufolge auch in der rechtlichen Unterstellung dieser Diebstähle (auch) unter § 130 StGB sowie in dem diese Angeklagte betreffenden Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Gertrude B wird für das ihr nunmehr zu den Punkten F/1.) bis 7.) des Urteilssatzes zur Last liegende Vergehen des schweren Diebstahls nach § 127 Abs. 1, 128

Abs. 1 Z 4 StGB sowie für das ihr inhaltlich des aufrecht gebliebenen Teils des Urteils angelastete Vergehen des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs. 2 StGB (Punkt A/II des Schuldspruchs) nach § 28, 128 Abs. 1 StGB sowie gemäß § 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 29. März 1978, AZ 10 E Vr 267/78, Hv 17/78 zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe in der Dauer von ll (elf) Monaten verurteilt. Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte B auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Berufung des Angeklagten Erhardt A wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 3.1.1936 geborene beschäftigungslose Installateur Erhardt A der Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach § 146, 147 Abs. 3, 148 (2. Fall) StGB, der öffentlichen Gewalttätigkeit durch gewaltsame Handanlegung gegen obrigkeitliche Personen in Amtssachen nach § 81 StG, sowie der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs. 1 und 2, 224 StGB und der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 (1. Fall) StGB und die am 8. November 1934 geborene, beschäftigungslose Gertrude B zu Punkt A/II des Urteilssatzes des 'Verbrechens' (richtig: Vergehens) des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs. 2 StGB und zu den Punkten F/1.) bis 7.) des Urteilssatzes des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4, 130 (erster Fall) StGB schuldig erkannt. Der Angeklagten B lastete das Gericht einen am 14. Juni 1972 zum Nachteil der C in Wien verübten Darlehensbetrug mit einer Schadenssumme von S 60.000,-- an; ferner das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls, weil sie in Wien gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert nachgenannten Personen mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

1.) am 19. März 1975 der Gertrude D 500,-- S Bargeld sowie eine Ledergeldbörse und Straßenbahnfahrscheine in nicht festzustellendem Wert;

2.) am 21. April 1975 dem Alois E 500,-- S Bargeld sowie eine Brieftasche und diverse Briefmarken in nicht festzustellendem Wert;

3.) im Juni 1975 der Wilhelmine F 800,-- S Bargeld sowie eine Kellnerbrieftasche in nicht festzustellendem Wert;

4.) am 2. Jänner 1976 der Christa B 700,-- S Bargeld und eine Rauhlederbrieftasche in nicht festzustellendem Wert;

5.) am 8. Jänner 1976 der Ingeborg G 700,-- S Bargeld sowie eine Ledergeldbörse in nicht festzustellendem Wert;

6.) im März oder April l977 der Regina H 140,-- S Bargeld sowie drei Pfandscheine über diverse Schmuckgegenstände und eine goldene Uhr, weiters eine Geldbörse, in nicht festzustellendem Wert;

7.) in der Nacht zum 6. Mai 1977 der Susanna I 45.000,- S Bargeld sowie eine Geldbörse in nicht festzustellendem Wert. In Ansehung der Diebstähle nahm das Erstgericht gewerbsmäßiges Handeln der Angeklagten an, weil sie die in Rede stehenden (Geld-)Diebstähle selbst damit motivierte, daß sie und der Mitangeklagte Erhardt A - ihr Lebensgefährte - gemeinsam ständig auf der Flucht und ohne entsprechende Beschäftigung gewesen seien und die gestohlenen Geldbeträge zum (gemeinsamen) Leben benötigt hätten. Außerdem verwies es in den Entscheidungsgründen darauf, daß die der Angeklagten Gertrude B zur Last fallenden Diebstähle 'mit einer gewissen Regelmäßigkeit' durchgeführt worden seien (Bd II S 246/247); weiters (im gegebenen Zusammenhang) auf die 'sprunghaft wechselnden Finanzen der beiden Angeklagten' (Bd II S 244) und darauf, daß sowohl der Mitangeklagte Erhardt A als auch Gertrude B 'nahezu ausschließlich' von jenem Geld lebten, das sich Erhardt A durch die von ihm laut Punkt A/I des Urteilssatzes in der Zeit von März 1974 bis Jänner 1978 (gewerbsmäßig) verübten 45 Betrügereien mit einer Gesamtschadenssumme von mehreren hunderttausend Schilling verschafft hat (Bd II S 245), wobei es allerdings mehrfach zum Ausdruck brachte, daß die Angeklagte B von diesen Straftaten des Angeklagten A keine Kenntnis hatte (Bd II S 224, 234, 242 f). Hierauf gestützt, brachte das Erstgericht seine rechtliche überzeugung zum Ausdruck, daß Gertrude B die Diebstähle - im Sinne der Begriffsbestimmung des § 70

StGB - in der Absicht begangen habe, sich auf diese Weise für einen längeren Zeitraum eine fortlaufende Einnahmsquelle zu erschließen, weshalb ihr gewerbsmäßige Begehung der Diebstähle anzulasten sei.

Rechtliche Beurteilung

Allein die Annahme gewerbsmäßiger Diebstahlsbegehung im Sinne des § 130 StGB bekämpft die Angeklagte Gertrude B aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt. Zur Annahme der für die Bejahung der Gewerbsmäßigkeit (§ 70 StGB) essentiellen Absicht des Täters, sich durch wiederkehrende Begehung (Wiederholung) der strafbaren Handlung für einen längeren Zeitraum wirksame, nicht bloß ganz geringfügige Einnahmen zu verschaffen (vgl. SSt 46/38 u.a.), genügt nicht, wenn er zwecks Gewinnung geldwerter Mittel nur gelegentlich und fallweise gleichartige Taten begeht (vgl. Leukauf-Steininger, StGB, 378).

Daher reicht auch das - wenn auch bei grundsätzlicher Bereitschaft zur Wiederholung des deliktischen Tuns im Notfall - bestehende Vorhaben des Täters zur ad hoc-Verübung von Diebstählen, jeweils im Falle auftretender finanzieller Schwierigkeiten zur Annahme einer gewerbsmäßigen Deliktsbegehung (noch) nicht aus (9 Os 107/78). Bloß eine solche gelegentliche Diebstahlsdelinquenz kann aber nach den Urteilsfeststellungen im Falle der Beschwerdeführerin angenommen werden. Sie hat nämlich diesen Feststellungen zufolge im März, April und Juni 1975, ferner im Jänner 1976 und im Frühjahr 1977, also in größeren Intervallen, insgesamt sechs kleinere Diebstähle mit einer Gesamtbeute an Bargeld von 3.340,-- S begangen und schließlich in der Nacht zum 6. Mai 1977 einen weiteren Diebstahl - allerdings mit 45.000,-- S Bargeld als Beute -

verübt. So gesehen kann, entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes, noch nicht von einer Gewerbsmäßigkeit indizierenden 'gewissen Regelmäßigkeit' der Diebstahlsverübung gesprochen und auch kein echter Fortsetzungszusammenhang der Diebstähle angenommen werden. Da auch der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt keinen Anhaltspunkt dafür bietet, daß die Beschwerdeführerin die Verübung weiterer Diebstähle beabsichtigte, und da weiters die bei den Angeklagten den Urteilsfeststellungen zufolge ihren Lebensunterhalt nahezu ausschließlich von jenen, gegenüber der Diebsbeute weit höheren Geldbeträgen bestritten haben, die Erhardt A ohne Mitwirkung der Angeklagten B durch zahlreiche (gewerbsmäßige) Betrügereien erlangt hatte, und da letztlich auch, was bei der Beurteilung des zur Lösung der Frage der Gewerbsmäßigkeit heranzuziehenden ( vgl. EvBl. 1976/122) Gesamtverhaltens der Beschwerdeführerin zu beachten ist, deren letzte Diebstahlsvorstrafe immerhin aus dem Jahre 1965 stammt (vgl. Bd I, S 357 d. A), kann kein Schluß auf eine innere Tendenz der Beschwerdeführerin gezogen werden, sich durch wiederkehrende Diebstahlsverübung Quellen zusätzlichen fortlaufenden Einkommens zu verschaffen. Es zeigt sich sohin, daß die in Rede stehenden Diebstähle auf der Grundlage des vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Sachverhaltes rechtsrichtig (bloß) als gelegentliche (wiederholte) Diebstahlsverübung der Beschwerdeführerin im Falle des Auftauchens finanzieller Engpässe zu beurteilen sind; dies genügt aber nach dem Gesagten nicht für die Bejahung der Gewerbsmäßigkeit im Sinne der § 70, 130 StGB In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Gertrude B war daher spruchgemäß zu erkennen.

Bei der hiedurch erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe hat der Oberste Gerichtshof die vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründe übernommen. Erschwerend waren sohin die einschlägigen Vorstrafen sowie das Zusammentreffen zweier Delikte; als mildernd hingegen wurde das Geständnis angenommen. Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen wäre bei gemeinsamer Aburteilung der nunmehr geahndeten Taten und des den Gegenstand des Verfahrens des Jugendgerichtshofes Wien, AZ 10 E Vr 267/78, Hv 17/78 bildenden Deliktes - die Angeklagte wurde wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 und 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt - eine Freiheitsstrafe hinsichtlich der Angeklagten B mit insgesamt 18 (achtzehn) Monaten schuldangemessen festzusetzen gewesen. Daraus folgt gemäß § 31 und 40 StGB die aus dem Spruch ersichtliche Zusatzstrafe.

über den Angeklagten Erhardt A verhängte das Erstgericht nach dem 2. Strafsatz des § 148 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 (fünf) Jahren. Dabei nahm es als erschwerend seine zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die mehrfache Qualifikation (des Betruges) sowie den weit über S 100.000,-- liegenden Schaden an, während es als mildernd sein umfassendes Geständnis sowie seinen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung wertete.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte A eine Herabsetzung dieser Freiheitsstrafe an. Der Berufung kommt allerdings keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen zutreffend festgestellt und auch entsprechend gewürdigt. Das von ihm gefundene Strafmaß trägt den allgemeinen Grundsätzen über die Strafbemessung (§ 32 StGB) Rechnung, entspricht dem Verschulden des Täters, aber auch dem Unrechtsgehalt der von ihm verübten strafbaren Handlungen.

Da sich die bisher von diesem verbüßten zahlreichen einschlägigen Vorstrafen offenbar als wirkungslos erwiesen haben und ihn von der neuerlichen Begehung zahlreicher Eigentumsdelikte mit einem hohen daraus entstandenen Schaden nicht abzuhalten vermochten, erweist sich selbst bei Berücksichtigung der nunmehr vom Angeklagten A gezeigten Schuldeinsicht vor allem im Hinblick auf die von ihm in der Berufung hervorgekehrte Labilität zur Resozialisierung der Vollzug einer entsprechend langen Strafe als notwendig. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte