OGH 10Os178/78

OGH10Os178/7810.1.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Jänner 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brachtel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erwin A, Brigitte B und Michael C wegen des Verbrechens des Diebstahls nach § 127 ff. StGB. über die von den Angeklagten Erwin A und Brigitte B gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. August 1978, GZ. 5 d Vr 2144/78-68, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen sowie über die Berufung des Angeklagten Michael C nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, Verlesung der Rechtsmittelschrift des Angeklagten A, sowie Anhörung der Ausführungen der Verteidiger Dr. Weiss und Dr. Oehlzand und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

 

Text

530Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden u.a. der am 14.September 1959 geborene beschäftigungslose Erwin A und die am 23.Oktober 1959 geborene, ebenfalls beschäftigungslose Brigitte B des Verbrechens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1, 130 2. Fall StGB. schuldig erkannt. Dagegen wenden sich die beiden vorgenannten Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerden, die sich einerseits (A) auf die Z. 4 und 5, andererseits (B) auf die Z. 4, 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. stützen.

Mit ihren (jeweils den erstgenannten Nichtigkeitsgrund anrufenden) Verfahrensrügen wenden sich beide Angeklagten gegen die Abweisung ihrer in der Hauptverhandlung (S. 384/Band I) gestellten Anträge auf Einholung psychiatrischer Gutachten über das allfällige Vorliegen von Kleptomanie beim Angeklagten A und von Zurechnungsunfähigkeit - herbeigeführt durch das Verhalten A ihr gegenüber - bei der Angeklagten B.

Insoweit genügt es aber, den Beschwerdeführern zu erwidern, daß die Psychiatrierung eines Angeklagten nur dann indiziert ist, wenn das Beweisverfahren objektive Umstände ergeben hat, die bei gewissenhafter Würdigung dessen Geistesgesundheit und damit seine Zurechnungsfähigkeit in Frage zu stellen geeignet sind (vgl. § 134 StPO.).

Davon kann hier überhaupt keine Rede sein. Der Angeklagte A hat selbst niemals behauptet, kleptomanisch veranlagt, d. h. zufolge einer psychischen Abartigkeit ohne Vorhandensein einer Bereicherungsabsicht oder wirtschaftlichen Notwendigkeit einem krankenhaften Trieb zum wahllosen Stehlen unterworfen zu sein, und es haben auch die Verfahrensergebnisse nicht den geringsten Anhaltspunkt hiefür erbracht; umso weniger liegen Hinweise dafür vor, daß zur Zeit der zahlreichen Tathandlungen des Angeklagten A unter diesem Gesichtspunkt seine Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit in einer strafrechtlich relevanten Weise eingeschränkt gewesen sein könnte. Die bloße, jeder realen Grundlage entbehrende Behauptung des Vorliegens von Kleptomanie in Verbindung mit der darauf gegründeten Stellung eines Antrages auf Psychiatrierung seitens des Verteidigers reicht jedenfalls nicht aus, um einen derartigen Beweisantrag zu rechtfertigen (siehe abermals § 134

StPO.). Aber auch in Ansehung der Angeklagten B war eine Psychiatrierung nicht geboten. Der Umstand allein, daß aus der Verantwortung der Mitangeklagten A und C abgeleitet werden kann, daß sie - allgemein gesehen - in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zum Erstgenannten stand und von diesem auch fallweise mißhandelt oder mit Mißhandlungen bedroht wurde (Band I/S. 367, 369, 370), reicht umso weniger aus, ihre Zurechnungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Tathandlungen anzuzweifeln, als sie selbst ausdrücklich bestritt, von A gezwungen worden zu sein, mit ihm Einbruchsdiebstähle zu verüben, und ihre Zurechnungsfähigkeit für die Tatzeitpunkte bejahte (Band I/ S. 365, 384). Ihr Verhalten in der Hauptverhandlung bot nach dem über letztere angenommenen Protokoll - entgegen dem Beschwerdevorbringen - vollends keinen Hinweis auf eine durch einen Psychiater zu interpretierende geistige oder seelische Störung; B hat schließlich nicht nur vorliegend eine Mehrzahl gemeinsam mit A begangener Einbruchsdiebstähle zu verantworten, sondern ist - wie das Erstgericht zutreffend ausführt - nach dem Inhalt der Vorstrafakten und der Strafregisterauskunft auch schon in der Vergangenheit gemeinsam mit A in voll verantwortlicher Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten (vgl. 3 Vr 66/77 und 1 a Vr 723/77 des Jugendgerichtshofes Wien). Beide Beweisanträge verfielen daher zu Recht der Abweisung, ohne daß die Beschwerdeführer hiedurch in ihren Verteidigungsrechten verletzt wurden.

Die Verfahrensrügen müssen demnach versagen.

Die (den Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. relevierende) Mängelrüge des Angeklagten A erschöpft sich zur Gänze darin, unter Hinweis auf seine im übrigen geständige Verantwortung den Diebstahl einer Reihe von Einzelgegenständen mit dem Argument zu bestreiten, daß er auch diesen - wie jenen der anderen Sachen - zugegeben hätte, wenn er der Täter gewesen wäre, insoweit seine Täterschaft aber in Wahrheit nicht erwiesen sei, sondern nur vermutet werde. Damit versucht er aber bloß, nach Art einer Schuldberufung in einer im Nichtigkeitsverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Weise die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu bekämpfen, welches seine Feststellungen zur Täterschaft dieses Angeklagten im vollen Umfang des Schuldspruches hinreichend und in Einklang mit den Denkgesetzen wie auch der allgemeinen Lebenserfahrung begründet und sich dabei auch speziell mit der teilweise leugnenden Verantwortung A' S auseinandergesetzt hat (Band I/S. 404). Dessen Beschwerdevorbringen muß daher insoweit unbeachtet bleiben.

In Ausführung ihrer Rechtsrüge vermißt die Angeklagte B - damit einen Feststellungsmangel im Sinne des materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. behauptend - Feststellungen des Erstgerichtes darüber, daß sie die Straftaten beging, um einen unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteil von sich abzuwenden, den ihr der Angeklagte A 'mit seiner Drohung in Aussicht gestellt' habe, weshalb sie sich in einem entschuldigenden Notstand (§ 10 StGB.) befunden habe. Insoweit bringt die Beschwerdeführerin den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund aber nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, da sie mit Stillschweigen übergeht, daß das Erstgericht - und zwar im Rahmen der Darlegung der Strafzumessungsgründe (Band

I/

S. 407) - hiezu ausdrücklich die gegenteilige Feststellung, nämlich daß A zwar den Mitangeklagten C, nicht aber auch B zu den strafbaren Handlungen 'verführte', getroffen und dadurch klar erkennbar zum Ausdruck gebracht hat, daß es in freier Beweiswürdigung den andersartigen Angaben des Angeklagten A, wonach er B durch Drohung zur Beteiligung an den Diebstählen veranlaßt habe, den Glauben versage. Die Angaben des Angeklagten C betreffend das Verhalten A gegenüber B stehen aber in keinem (erkennbaren) spezifischen Zusammenhang mit der Verübung der Diebstähle. Da sohin nach dem durch das Schöffengericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt davon auszugehen ist, daß die Angeklagte B nicht durch Drohungen oder eine sonstige Einwirkung des Erwin A zur Beteiligung an den Diebstählen veranlaßt wurde, erübrigen sich auch alle weiteren Erörterungen über das Vorliegen der einzelnen normativen Voraussetzungen des Notstands (§ 10 StGB.) bei der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der einzelnen Straftaten. Im Unrecht ist die Beschwerdeführerin schließlich auch, soweit sie unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. die Gewerbsmäßigkeit der ihr angelasteten Diebstähle bestreitet. Wie das Erstgericht zutreffend ausführt, kommt es bei der Beurteilung von Diebstählen als gewerbsmäßig nämlich allein darauf an, daß der Täter die Tendenz hat, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende (für längere Zeit wirksame) Einnahme zu verschaffen (§ 70, 130 StGB.). Das Vorliegen dieser Absicht hat das Erstgericht aber festgestellt (Band I/S. 402, 405) und denkfolgerichtig begründet. Daß der Erlös der Diebsbeute zur Finanzierung des Lebensunterhaltes der beiden Beschwerdeführer diente, wurde vom Erstgericht konstatiert (Band I/S. 403) und von der Angeklagten B in ihrer Rechtsmittelausführung auch gar nicht bestritten. Ob sie aber (wie der Mitangeklagte C in bezug auf die unter seiner Beteiligung begangenen Diebstähle) den Beuteanteil bar auf die Hand erhalten hat oder ihr Unterhalt von A aus dem von ihm einbehaltenen Erlösanteil mit ihrem Wissen und Willen mitbestritten wurde, ist eine bloße Frage der Verteilungstechnik und folglich entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin ebenso unbeachtlich, wie das Ausmaß, in dem die Beute oder deren Erlös überhaupt an der Deckung des Unterhaltes der Täter beteiligt war (LSK. 1975/139, 1976/191 und 1977/37). Das Erstgericht hat daher auch die Angeklagte B zu Recht des gewerbsmäßigen Diebstahls, und zwar - da die Diebstähle fast ausschließlich durch Eindringen in Gebäude zwar entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes nicht mit 'nachgemachten' (vgl. die Entscheidung des verstärkten Senates LSK. 1977/180), wohl aber mit 'widerrechtlich erlangten' (da nach den Feststellungen /vgl. Band I/S. 402

in Verbindung mit Band I/S. 27, 49, 270, 362, 367 / vom Mitangeklagten Alois D gefundenen, jedoch nicht abgelieferten, sondern dem Angeklagten A übergebenen) Schlüsseln (§ 129 Z. 1 StGB.) nach Art der Auslagenschlüssel von Fensterputzern begangen wurden und überdies der Wert des gestohlenen Gutes bei vielen der Diebstähle je 5.000 S überschritt (§ 128 Abs. 1 Z. 4 StGB.) - des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch im Sinne des zweiten Deliktsfalles des § 130 StGB. schuldig erkannt. Auch der Rechtsrüge dieser Beschwerdeführerin konnte sohin kein Erfolg beschieden sein.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Erwin A und Brigitte B waren demnach zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte Erwin A und Brigitte B nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB., und zwar A zu drei und B zu zwei Jahren Freiheitsstrafe. über Michael C verhängte es nach § 129 StGB. ein Jahr Freiheitsstrafe. Das Erstgericht wertete als erschwerend bei Erwin A die Verleitung C' S und die führende Beteiligung an den Straftaten, bei Brigitte B keinen Umstand und bei Michael C die Vorverurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten sowie die Begehung mehrerer strafbaren Handlungen derselben Art. Als mildernd nahm es bei allen Angeklagten hingegen das Geständnis und die Verübung der Taten nach Vollendung des 18., aber vor Vollendung des 21. Lebensjahrs an, bei C außerdem die Einwirkung A auf ihn.

Mit ihren Berufungen streben alle Angeklagten eine Strafermäßigung

an.

Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Der vom Angeklagten Erwin A angeführte zusätzliche Milderungsgrund der vernachlässigten Erziehung kann nach wirkungslosen Verurteilungen und ebenso unwirksamer Bewährungshilfe nicht mehr angenommen werden. Auch von der behaupteten 'unverschuldeten' Notlage kann, weil er sie durch wiederholte Straffälligkeit verschuldet hatte, keine Rede sein. Aber selbst wenn man in den vorbezeichneten Momenten hinzutretende Milderungsgründe erblicken wollte, würden diese bei weitem von zwei in erster Instanz übersehenen erschwerenden Umständen aufgewogen, nämlich der Tatsache, daß die Schadenssumme (bei A und bei B) bis auf wenige hundert Schillinge an die höchste Wertgrenze (§ 128 Abs. 2 StGB.) heranreicht (99.613 S), und der mehrfachen Qualifikation der Diebstähle.

Bei der Angeklagten Brigitte B kann von einem durch A auf sie ausgeübten Druck, der bei der Strafzumessung als weiterer Milderungsgrund zu berücksichtigen gewesen wäre, nicht gesprochen werden; denn eine ins Gewicht fallende Veranlassung (Verleitung) der Berufungswerberin zu den Straftaten wurde vom Erstgericht auf Grund des Beweisverfahrens ausdrücklich verneint. über diese Sachverhaltsfeststellung kann sich die Angeklagte B auch nicht im Rahmen der Berufung hinwegsetzen. Ihr fallen - wie schon angedeutet - gleichermaßen die vom Schöffengericht übergangenen obigen Erschwerungsgründe zusätzlich zur Last.

Darnach besteht bei dieser Berufungswerberin ebenfalls kein Anlaß für eine Strafherabsetzung.

Auch dem Angeklagten Michael C kommt bei der Strafzumessung kein zusätzlicher Milderungsgrund zugute.

Es ist unrichtig, daß es sich bei ihm nur um eine entfernte (passive) Beteiligung an den Diebstählen handelte, weil der Berufungswerber zugegebenermaßen als einziger Diebsgenosse über ein Kraftfahrzeug verfügte (I. Band S. 436) und demnach mit dessen Einsatz als Transportmittel einen sehr wesentlichen Tatbeitrag leistete. Zudem räumt C in der Berufungsschrift selbst ein, daß das Gericht die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig aufgezählt hat. Sonach bleibt auch beim Angeklagten C für eine Strafherabsetzung kein Raum.

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