Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch der Angeklagten Emmerich A und Kurt B wegen des Verbrechens der Erpressung nach dem § 144 Abs. 1 StGB (Punkt A des Urteilsspruches) und demgemäß auch im Strafausspruch bezüglich beider Angeklagter aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang dieser Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Emmerich A und Kurt B sind schuldig, sie haben Ende März - Anfang April 1978 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) mit den abgesondert verfolgten Erwachsenen Andreas C und Lambert D durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe, wobei Emmerich A ein Messer zückte und die Worte 'du bist gemacht' äußerte, einem unbekannten Suchtgifthändler fremde bewegliche Sachen, nämlich drei Platten Haschisch im Wert von ca. 1.500 S, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Sie haben hiedurch das Verbrechen des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 StGB begangen und werden hiefür sowie für die ihnen nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruches weiters zur Last fallenden Straftaten, nämlich bei beiden Angeklagten das Vergehen nach dem § 9 Abs. 1 Z 2 SuchtgiftG (Punkt E des Urteilssatzes) sowie bei Kurt B überdies das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1, und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1
und 15 StGB, teilweise durch sonstigen Tatbeitrag nach dem § 12 StGB (Punkte B, C und D des Urteilssatzes), nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB und unter Anwendung des § 11 JGG zu Freiheitsstrafen, und zwar Emmerich A in der Dauer von 10 (zehn) Monaten und Kurt B in der Dauer von 15 (fünfzehn) Monaten verurteilt.
Gemäß dem § 43 StGB (§ 11 Z 3 JGG) wird bei beiden Angeklagten die Strafe auf eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Der Ausspruch über die Vorhaftanrechnung wird aus dem Ersturteil mit der Ergänzung übernommen, daß dem Angeklagten Kurt B auch die Vorhaft vom 20.April 1978, 3 Uhr, bis zum 22.April 1978, 22 Uhr, auf die Strafe angerechnet wird.' Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Gemäß dem § 390 a StPO fallen den genannten Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 18.August 1960 geborene beschäftigungslose Emmerich A und der am 16.Februar 1961 geborene, ebenfalls beschäftigungslose Kurt B u.a. - abweichend von der insoweit auf das Verbrechen des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 StGB lautenden Anklage - des Verbrechens der Erpressung nach dem § 144 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Nach den Feststellungen des Erstgerichtes beschlossen der Angeklagte Emmerich A und die abgesondert verfolgten Erwachsenen Andreas C und Lambert D Ende März/Anfang April 1978 - die Art der Ausführung der Tat zunächst noch offen lassend - einen namentlich nicht bekannten Haschischhändern zu 'linken', d.h. ihm seine Ware auf rechtswidrige Art abzunehmen, und fuhren zu diesem Zweck im PKW des D zum Lokal 'E' im 7.Wiener Gemeindebezirk, wobei sie unterwegs auch den Angeklagten B, der mitgekommen war, in den Plan einweihten. Nach dem Zusteigen des Haschischhändlers, der im Fond zwischen A und B Platz nahm, während C neben dem Lenker D saß, forderte C den Händler auf, ihm die Ware zu zeigen und ein Proberauchen durchzuführen. Zu diesem Zweck fuhr man auf einen Parkplatz, wo der Händler drei in seinem Besitz befindliche Haschischplatten vorzeigte und sie C zur Besichtigung in die Hand gab und auch das Proberauchen stattfand; zum Schein - zumal die Angeklagten und ihre erwachsenen Mittäter nicht annähernd über einen derartigen Bargeldbetrag verfügten - wurde dem Dealer nun ein Kaufangebot unter Nennung eines Kaufpreises von 1.500 S gemacht und darüber verhandelt. Plötzlich jedoch stieg der Angeklagte A, während C die Haschischplatten noch in Händen hatte, aus dem Fahrzeug aus, öffnete sein rotes Schweizer Taschenmesser und sagte zu dem Haschischhändler die Worte 'du bist gemacht'. C hatte zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ein Messer (Küchenmesser) in der Hand, welches aber möglicherweise - das Erstgericht ließ dies ausdrücklich offen - nur zur Manipulation an den Haschischplatten dienen sollte. Durch das Verhalten des Angeklagten A, das von B dadurch unterstützt wurde, daß dieser auf Tuchfühlung neben dem Suchtgifthändler im Fond des Wagens saß und sich in keiner Weise vom Geschehen distanzierte (so daß der Bedrohte auch mit dessen jederzeitigem Eingreifen rechnen mußte), sollte dem Händler klargemacht werden, daß er nicht damit rechnen könne, das Haschisch zurückzubekommen. Der sich in diesem Sinne auch tatsächlich bedroht fühlende Händler war solcherart genötigt, die unentgeltliche Einbehaltung der Haschischplatten durch die Täter zu dulden und eine (energische) Rückforderung zu unterlassen. Nur auf sein Bitten wurde ihm später eine der Platten wieder zurückgegeben. Er wurde sodann wieder beim Lokal 'E' abgesetzt.
Ausgehend von diesem Sachverhalt nahm das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht an, daß die Angeklagten und ihre Mittäter schon vor der Drohung den Gewahrsam an den Haschischplatten erlangt hatten und die Drohung bloß - als 'flankierende Maßnahme' - dazu dienen sollte, den auf Rückforderung des Suchtgiftes gerichteten Willen des unbekannten Haschischhändlers zu brechen; es wertete die Tat demgemäß nicht als (schweren) Raub, sondern als Erpressung im Sinne des § 144 Abs. 1 StGB Eine Beurteilung des der Drohung vorangegangenen Tatverhaltens, welches zur übergabe der Haschischplatten führte, als Betrug lehnte das Erstgericht mit der Begründung ab, daß die unrechtmäßige Bereicherung der Täter nicht durch die Täuschungshandlung, sondern erst durch die Anwendung von 'Gewalt oder gefährlicher Drohung' (es ließ eine Beurteilung der Äußerung des Angeklagten A als 'Drohung', des Messerzückens hingen als 'Gewalt' durchblicken, ohne sich aber diesbezüglich endgültig festzulegen) vollendet worden sei. Gegen diesen Schuldspruch wendet sich in Ansehung beider Angeklagter die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Wenn die Beschwerdeführerin hiebei in Ausführung ihrer den erstgenannten Nichtigkeitsgrund anrufenden Mängelrüge die Feststellungen des Erstgerichtes insoweit als mit sich selbst im Widerspruch befindlich erachtet, als es einerseits feststelle, im Zeitpunkt, als C die Haschischplatten in der Hand hielt, sei an die Rückgabe keineswegs 'mehr' gedacht gewesen - was bedeute, daß bis dahin Rückgabeabsicht bestanden habe -, andererseits aber konstatiere, daß der Tatplan schon von Beginn der Autofahrt an auf die Abnahme der Haschischplatten auf irgendeine Art und Weise gerichtet gewesen sei, so kann darin allerdings im Ergebnis kein Begründungsmangel im Sinne des relevierten Nichtigkeitsgrundes erblickt werden. Das Erstgericht hat zwar das Wort 'mehr' (sogar wiederholt) im obenbezeichneten Zusammenhang (S 375 und 376) verwendet, doch ergibt sich aus der Gesamtbetrachtung der Urteilsbegründung, daß es sich hiebei bloß um eine sprachliche Fehlformulierung handelt und das Erstgericht der Sache nach eindeutig davon ausgegangen ist, daß die Täter von Anbeginn entschlossen waren, die Ware des Haschischhändlers auf unrechtmäßige Weise ohne Gegenleistung an sich zu bringen und zu behalten. Dies geht nicht nur aus den einleitenden Feststellungen im Rahmen der dieses Faktum betreffenden Sachverhaltsdarstellung (S 371 unten) hervor, die später nochmals wiederholt werden (S 375 oben), sondern auch aus der weiteren Feststellung, das Kaufinteresse sei nur vorgetäuscht gewesen und es habe in Wahrheit keiner der Täter über entsprechendes Bargeld verfügt (S 373).
Rechtliche Beurteilung
Soweit die Beschwerdeführerin aber - damit sachlich einen Feststellungsmangel im Sinne des materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO geltend machend - Feststellungen darüber vermißt, zu welchem Zweck das Taschenmesser (von A) und das Küchenmesser (von C) geführt wurden, welcher Umstand unter dem Gesichtspunkt des § 129 Z 4 StGB, bzw. des § 131 StGB relevant sei, so genügt es, ihr zu entgegnen, daß das Erstgericht den Zweck des Führens des Messers('Zücken') durch A mit 'Drohung oder Anwendung von Gewalt' ohnedies festgestellt hat und überdies - wie noch zur Rechtsrüge auszuführen sein wird - eine Beurteilung der Tat als Diebstahl und damit auch ihre allfällige Unterstellung unter eine der vorgenannten Gesetzesbestimmungen nach Lage des Falles nicht in Betracht kommt.
Hingegen ist die Rechtsrüge insoweit, als die Beschwerdeführerin hiemit die Beurteilung der Tat bloß als Verbrechen der Erpressung nach dem § 144 Abs. 1 StGB - anstatt anklagekonform als Verbrechen des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 StGB - bekämpft, berechtigt. Der Gewahrsam im strafrechtlichen Sinn bedeutet - wie das Erstgericht zutreffend ausführt - die Möglichkeit, über eine Sache tatsächlich zu verfügen, verbunden mit dem Willen, diese Möglichkeit aufrechtzuerhalten (RZ 1975/42, S 74 u. v.a. E.), wobei der Gewahrsam jedenfalls dann nicht aufgegeben wird, wenn die Sache von einem Dritten entsprechend den Weisungen und unter der unmittelbaren Kontrolle des Gewahrsamsinhabers benützt wird, der Dritte also durch die überlassung der Sache keinen Alleingewahrsam erhält (vgl. auch Nowakowski, 168). Eben diese Situation war aber vorliegend so lange gegeben, als der Mittäter C bei unmittelbarer Ortsanwesenheit des bisherigen Gewahrsamsträgers die Haschischplatten bloß mit dessen Zustimmung in Händen hielt und im Rahmen der von diesem erteilten Erlaubnis damit verfuhr, indem er sie betrachtete. Das bloße innere Vorhaben der Täter allein, den Gewahrsam des Händlers zu brechen und den eigenen Alleingewahrsam an der Ware zu begründen, vermochte daran mangels eines diese Absicht schlüssig zum Ausdruck bringenden Verhaltens entgegen der Meinung des Erstgerichtes nichts zu ändern. Erst durch die angewendete Drohung - von 'Gewalt' kann hier nicht die Rede sein - im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB trat der Wille der Täter in effizienter Weise in Erscheinung und hinderte den bisherigen Gewahrsamsträger, über die Sache gemäß seinen Vorstellungen zu verfügen, sodaß ab diesem Zeitpunkt die Haschischplatten nicht mehr seiner Kontrolle unterlagen und die Täter die alleinige faktische Verfügungsgewalt darüber erworben hatten. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes wurde dem Haschischhändler daher erst durch die mit Bereicherungsvorsatz erfolgte, seine weitere Willenseinwirkung ausschließende Drohung der Gewahrsam an seiner Ware entzogen und diese dem Alleingewahrsam der Täter überantwortet, sie ihm daher 'abgenötigt'. Dieses Verhalten verwirklicht aber das Tatbild des Raubes, und zwar - da sowohl in Gesellschaft von Beteiligten, als auch unter Verwendung einer Waffe (vgl. 9 Os 68/77, 9 Os 21/76) begangen - jenes des Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 StGB Die Beurteilung der Drohung bloß als Verbrechen der Erpressung nach dem § 144 Abs. 1 StGB (in bezug auf die Unterlassung von Rückforderungsansprüchen und die Duldung des weiteren ungestörten Besitzes der Täter an den Haschischplatten) beruht daher auf einem Rechtsirrtum.
Die Rechtsrüge der Staatsanwaltschaft erweist sich sohin als begründet, weshalb wie im Spruch zu erkennen war. Hiebei war unter Zugrundelegung und im Rahmen des angeklagten Sachverhaltes der Urteilsspruch gegenüber der Formulierung des Anklagesatzes - entsprechend den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen - zu ergänzen und zu präzisieren.
Im übrigen hat das Erstgericht dem Angeklagten Kurt B die Vorhaft nur vom 22.April 1978, 22 Uhr, bis zum 10.Juli 1978, 14 Uhr 20, gemäß dem § 38 StPO auf die Strafe angerechnet, obwohl er sich bereits seit 20.April 1978, 3 Uhr, in polizeilicher Verwahrungshaft befand (S 11). Da die richtige Anrechnung der Vorhaft nach Lage des Falles im Rahmen der Strafneubemessung möglich ist, erübrigt sich in Ansehung dieses von der Beschwerdeführerin zwar aufgezeigten, aber ausdrücklich nicht mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO zu Gunsten des Angeklagten geltend gemachten Umstandes ein Vorgehen nach dem § 290 Abs. 1 StPO Die Aufhebung des Urteils in einem Teil des Schuldspruches und demgemäß auch im Strafausspruch machte die Neubemessung der Strafen erforderlich. Dabei war als erschwerend in Ansehung beider Angeklagten das Zusammentreffen strafbarer Handlungen verschiedener Art, die zweifache Qualifikation des Raubes nach dem § 143 StGB, bei B überdies die in bezug auf die Eigentumsdelikte einschlägige Vorstrafe und die Wiederholung der Diebstaten sowie deren mehrfache Qualifikation zu werten. Als mildernd kam bei beiden Angeklagten das Geständnis, die mindergünstigen erzieherischen Verhältnisse, der Umstand, daß die Raubtat unter dem Einfluß eines erwachsenen Mittäters verübt wurde (siehe insbesondere S 94, 173 a, 177 a, 179 a, 352, 360 f des Aktes) und die teilweise Schadensgutmachung beim Raubfaktum durch Rückstellung einer Haschischplatte in Betracht.
Da bei beiden Angeklagten die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen (zumal auch bei B, abgesehen von dessen weniger intensiver Beteiligung am Raub, der Vorverurteilung nur eine einzelne, nicht sehr bedeutende Straftat zugrunde liegt) und begründete Aussicht besteht, daß die Angeklagten auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werden, konnten die Strafen unter Anwendung des § 41 StGB in der aus dem Spruch ersichtlichen Höhe - dem jeweiligen Unrechtsgehalt der Taten und der Schwere der Schuld der Täter entsprechend - bemessen werden.
Die Gewährung der bedingten Strafnachsicht erfolgte aus den schon im Urteil des Erstgerichtes dargelegten Erwägungen.
Die Anrechnung der Vorhaft gründet sich auf den § 38 StGB, der Ausspruch über den Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf die angeführte Gesetzesstelle. Mit ihrer durch die Strafneubemessung gegenstandslos gewordenen Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.
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