OGH 9Os127/78

OGH9Os127/785.12.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Dezember 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Sailer als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut A und andere wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 sowie 3, 128 Abs. 1 Z 4 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Franz B, Wolfgang C und Kurt D gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 10.Mai 1978, GZ. 4 a Vr 1939/77-19, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung am 13.Oktober und 5.Dezember 1978 nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, und der Ausführungen des Verteidiger Dr. Fritsch, Dr. Arnold und Dr. Belloni, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch der Angeklagten Franz B, Wolfgang C und Kurt D von der Anklage wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB (Pkt. C des Urteilssatzes) sowie demzufolge auch in den sie betreffenden Strafaussprüchen aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Franz B, Wolfgang C und Kurt D sind ferner schuldig, sie haben im Frühjahr oder Sommer 1977 verfälschte Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis von Tatsachen, nämlich zum Nachweis von (in Wahrheit nicht erbrachten) Zahlungen gegenüber ihren Arbeitgebern, durch Vorweisung an diese gebraucht, wobei die mit Strafe bedrohte Handlung zu den nachfolgenden Punkten II und III in Beziehung auf eine inländische öffentliche Urkunde begangen wurde, und zwar:

I. Franz B und Wolfgang C in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB)

1) den Eingangsbeleg Nr. 26-000393 der Firma E nach Änderung des Rechnungsbetrages von S 61,50 auf S 161,50;

2) den Rechnungsbeleg Nr. 37-000392 der Firma E nach önderung des Rechnungsbetrages von S 61,20 auf S 161,20;

II. Franz B das Postaufgabebuch der Firma F nach önderung der Endsumme von Abrechnungen einmal von S 450,30 auf S 550,30 und ein weiteres Mal von S 458,10 auf S 558,10;

III. Kurt D (in der ersten Hälfte 1977) ebenfalls das Postaufgabebuch der Firma F nach önderung der Endsumme einer Abrechnung von S 209 auf S 309.

Es haben hiedurch begangen Franz B die Vergehen zu I. der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB und zu II. der Fälschung einer besonders geschützen Urkunde nach § 223 Abs. 2, 224 StGB, Wolfgang C zu I. das Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB sowie Kurt D zu III. das Vergehen der Fälschung einer besonders geschützten Urkunde nach § 223 Abs. 2, 224 StGB und werden hiefür sowie für die ihnen laut den aufrecht gebliebenen Schuldsprüchen des angefochtenen Urteils vom 10.Mai 1978 zur Last fallende strafbare Handlung (Vergehen des schweren Diebstahls nach § 127 Abs. 1

und Abs. 2 Z 1 sowie Z 3, 128 Abs. 1 Z 4 StGB) nach § 28, 128 StGB zu Freiheitsstrafen verurteilt und zwar:

Wolfgang C in der Dauer von 4 (vier) Monaten sowie ferner unter Anwendung des § 11 JGG Franz B in der Dauer von 3 (drei) Monaten und Kurt D in der Dauer von 2 1/2 (zweieinhalb) Monaten. Der Ausspruch über die bedingte Nachsicht dieser Strafen nach § 43 Abs. 1 StGB bei allen drei Angeklagten wird aus dem Ersturteil übernommen.

Gemäß § 390 a StPO fallen diesen Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 7.Mai 1960 geborene Großhandelskaufmannslehrling Helmut A, der am 17.April 1960 geobrene Bürokaufmannslehrling Franz B, der am 25.April 1954 geborene Büromaschinenmechaniker- und Radiotechnikergeselle Wolfgang C und der am 29.Mai 1959 geborene Großhandelskaufmann Kurt D des Vergehens des schweren Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 sowie 3, 128 Abs. 1 Z 4 StGB und Helmut A überdies des Vergehens der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z 2 StGB schuldig erkannt.

Franz B, Wolfgang C und Kurt D wurden u.a. schuldig gesprochen, in Wien (A.) fremde bewegliche Sachen unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihnen aufgetragene Arheit geschaffen worden war, ihrem Auftraggeber Fritz F mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern:

(I.) in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) .....

(2.) Franz B und Wolfgang C im Mai 1977 zweimal je

100 S Bargeld .....

(III.) Franz B .....

(3.) in der ersten Hälfte 1977 zweimal je S 100

.....

(V.) Kurt D (1.) in der ersten Hälfte 1977 S 100 Bargeld ..... Von weiteren Anklagepunkten, darunter von der Anschuldigung, außerdem auch das Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB, wobei von einer öffentlichen Urkunde und dem Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs. 2, 224 StGB in der Anklageschrift keine Rede war - auf die aus dem Spruch ersichtliche Weise - begangen zu haben, wurden Franz B, Wolfgang C und Kurt D hingegen gemäß § 259 Z 3

StPO freigesprochen.

Der bezügliche Freispruch wurde vom Erstgericht damit begründet, daß es sich bei dem inkriminierten Verhalten um eine straflose Nachtat gehandelt habe, die lediglich der Verdeckung der von den Angeklagten Franz B, Wolfgang C und Kurt D begangenen Gelddiebstähle dienen sollte und den Angeklagten nur dann gesondert zuzurechnen wäre, wenn sie dadurch auch noch ein weiteres Rechtsgut verletzt hätten; durch die Verfälschung der Eingangsbelege und die Fälschung im Postbuch - richtig: 'Postaufgabebuch' (s. § 110 Postordnung) - sei lediglich die übereinstimmung zwischen Belegen und Postaufgabebuch einerseits und dem Bargeldbestand der Firma anderseits hergestellt worden. Nur gegen den Freispruch der Angeklagten Franz B, Wolfgang C und Kurt D von diesem Anklagepunkt wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In materiellrechtlicher Hinsicht macht die Anklagebehörde unter dem Gesichtspunkt des letztgenannten Nichtigkeitsgrundes geltend, daß der Firmeninhaber Fritz F als Vollkaufmann zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und anderen Aufzeichnungen schon im Interesse der Abgabenerhebung verhalten sei und daß Eingangsbelege und Postaufgabebuch auch Gegenstand von Editionspflichten außerhalb des Abgabenrechtes sein können, woraus folge, daß die Zuverlässigkeit der Geschäftsbücher und der ihnen zugeordneten Urkunden ein besonderes rechtlich geschütztes Interesse darstelle und durch die Verfälschung bzw. nachfolgenden Gebrauch sohin ein neues - von dem durch den Diebstahl beeinträchtigten verschiedenes - Rechtsgut verletzt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge, welche den dem Erstgericht unterlaufenen Rechtsirrtum an sich richtig erkennt und insoferne zutreffend aufzeigt, ist - wenngleich im übrigen aus anderen als den in ihr angestellten (und namentlich weit näher liegenden) Erwägungen - begründet. Offenbar wird auch vom Erstgericht grundsätzlich nicht verkannt, daß von einer straflosen (weil 'vor-' oder 'mitbestraften') Nachtat (als Fall scheinbarer Realkonkurrenz) nach insoweit einhelliger Judikatur wie auch Lehre (vgl. insbes. SSt. 40/49, 24/60 sowie die bei Mayerhofer-Rieder, StGB, S 123 ff festgehaltenen Entscheidungen; Leukauf-Steininger, Kommentar, S 221; Nowakowsky, S 124, Rittler I2 S 345 f) bloß dann gesprochen werden kann, wenn der Täter der Vortat durch die Nachtat kein neues Rechtsgut verletzt, die aus der Nachtat (Deckungsoder Verwertungshandlung) resultierende Rechtsgutverletzung also nicht über die der vorangegangenen Tat entsprungene hinausgeht und solcherart die Nachtat in ihrem Unrechtsgehalt durch die Bestrafung allein wegen der Vortat miterfaßt wird; umgekehrt ausgedrückt, ist daher - auch diese Rechtsmeinung wurde vom Erstgericht (demgemäß) wohl zutreffend vertreten - dann, wenn sich die vorangehende und die ihr nachfolgende Tat gegen verschiedene Rechtsgüter (oder gegen ihrer Art nach gleiche Rechte verschiedener Personen) richten, weil der strafrechtliche Gesamtunwert des zur Beurteilung stehenden Sachverhalts durch die ausschließliche Unterstellung unter den zunächst verwirklichten Tatbestand nicht (mehr) zur Gänze erfaßt wird - was aber die Voraussetzung für die Annahme einer Subsidiarität (oder Konsumtion: Burgstaller in JBl. 1978 S 459) wäre - die erste wie die ihr nachgefolgte deliktische Handlung selbständig strafbar.

Was das Erstgericht jedoch nicht erkannt hat, ist die Verschiedenheit des einerseits im Wege der Diebstähle und des andererseits durch die zu ihrer Verschleierung unternommenen Urkundenfälschungen verletzten Rechtsgutes.

Schon die Judikatur zum Strafgesetz 1945 hat in Bezug auf § 320 StG echte Realkonkurrenz (und nicht eine straflose Nachtat) angenommen, wenn der Täter zunächst (zum Beispiel) ein Gut veruntreut und sodann zur Verschleierung der Tat einen Posterlagscheinabschnitt verfälscht hat (RZ 1973/136). Konkurrenz mit § 197, 199 lit. d bzw. 201 lit. a StG schied nur deshalb aus, weil es sich dabei nach der Konstruktion des StG um echte Betrugsfälle gehandelt hat. Nunmehr wurden aber alle Urkundendelikte aus dem Betrugstatbestand herausgelöst und als Delikte 'gegen die Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen' einem eigenen Abschnitt zugeordnet, der seinerseits wieder zur Gruppe von Delikten gehört, bei denen das geschützte Rechtsgut neben oder anstelle des Bezugs zu den Interessen einzelner einen besonders engen Bezug zur Gesellschaft und den gesellschaftlichen Wertvorstellungen aufweist (EBRV 1971 S 189 - linke Spalte). Die Strafdrohung gegen Urkundenfälschung schützt daher nicht (oder jedenfalls nicht allein) Individualinteressen (wie dies bei Vermögensdelikten der Fall ist), sondern Allgemeininteressen, weshalb sich das dadurch geschützte Rechtsgut von jenem der Vermögensdelikte unterscheidet und gegenüber diesem ein aliud darstellt. Der Unrechtsgehalt einer Urkundenfälschung wird daher durch den Unwertgehalt eines Vermögensdeliktes (sofern nicht, wie im Fall des § 147 Abs. 1 Z 1 StGB, eine zusätzliche Qualifikation normiert ist), in keiner Weise miterfaßt, sodaß Subsidiarität (bzw. Konsumtion) ausscheidet.

Schon die Vorlage der hinsichtlich des Fakturenbetrags verfälschten Rechnungen und der in Ansehung einzelner, sich aus der Addition von Einzelposten ergebenden Gesamtsummen verfälschten Post(aufgabe)bücher an den Dienstgeber stellt jedoch einen Gebrauch derselben im Rechtsverkehr dar, weil darunter jede mit Rücksicht auf den Inhalt der Urkunde rechtserhebliche Verwendung, also auch die Verwendung der Urkunde zum Nachweis der (erfolgten) Bezahlung des darauf ausgewiesenen Betrags (an einen Dritten), zu verstehen ist (vgl. ÖJZ-LSK 1978/204, 1976/333; Leukauf-Steininger, Kommentar, S 990). Der zur Erfüllung der inneren Tatseite erforderliche (zumindest bedingte) Vorsatz der Angeklagten wurde vom Jugendschöffengericht ebenfalls mit hinreichender Deutlichkeit festgestellt (S 229 d. A). Die Heranziehung sonstiger Momente und namentlich jener, mit denen die Staatsanwaltschaft argumentiert und welche so weit hergeholt sind, daß sie nach den Urteilsfeststellungen nicht als vom Vorsatz der Angeklagten umfaßt angesehen werden könnten, bedarf es demnach zum Nachweis der Tatbestandsmäßigkeit der Handlungsweise der drei genannten Angeklagten im Sinne des § 223 Abs. 2 StGB nicht. Ihr Verhalten verwirklicht vielmehr bereits aus den vorher dargelegten Gründen das Vergehen der Urkundenfälschung nach der zitierten Gesetzesstelle in subjektiver und objektiver Beziehung.

Soweit sich die Tathandlungen auf Postaufgabebücher beziehen, ist den Angeklagten allerdings - was auch die Staatsanwaltschaft übersieht, ohne daß dies jedoch eine rechtsrichtige Subsumtion durch den Obersten Gerichtshof hindern würde (vgl. § 262, 267 StPO) - die Verfälschung nicht bloß einer Privaturkunde sondern einer öffentlichen Urkunde anzulasten. Die gemäß § 110 der Postordnung über Verlangen der Postämter zu verwendenden Postaufgabebücher dienen hienach nämlich - gleich den sonstigen von den Postämtern ausgegebenen Aufgabebescheinigungen - der Bestätigung der Aufgabe bescheinigter Sendungen. Die Bestätigung geschieht unter Anführung der Aufgabennummer, des Empfängers, der Postleitzahl des Abgabepostamts, des Gewichts, der Beförderungsgebühr und sonstiger Gebühren der einzelnen Sendung mittels Poststempels und ist auch im vorliegenden Fall nach den - den Urteilsfeststellungen zugrundeliegenden - Ablichtungen aus den in Rede stehenden Postaufgabebüchern (S 95 bis 99) auf diese Weise erfolgt. Solcherart wurde - auch insoweit die Angaben zu den einzelnen Punkten allenfalls vom Absender stammen (s. § 109 PO) - von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form eine - deshalb - (im Sinne der zur Auslegung des Begriffs der öffentlichen Urkunde im strafrechtlichen Bereich gleichfalls herzuziehenden Begriffsbestimmung der § 292, 293

Abs. 1 ZPO - vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar, S 993) öffentliche Urkunde errichtet (hinsichtlich der dem Postaufgabebuch gleichstehenden Aufgabebescheinigung siehe auch Schaginger-Trpin, Postgesetz und Postordnung, S 387 sowie die dort bezogene Entscheidung SSt. I/89), welche seitens der Angeklagten Franz B und Kurt D durch die Abänderung von (durch die Post jedenfalls mitbescheinigten) Gebührenbetragssummen verfälscht wurden. Es war darum in Stattgebung der begründeten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft spruchgemäß zu erkennen.

Bei der erforderlichen Neubemessung der Strafe, die - entsprechend der nunmehr Platz greifenden Regelung des § 28 StGB - wiederum nach § 128 Abs. 1 StGB zu erfolgen hatte, konnte von den im angefochtenen Urteil im wesentlichen richtig festgehaltenen Strafzumessungsgründen (S 231) ausgegangen werden, die nur einer Modifizierung insoweit bedurften, als den Angeklagten B, C und D nunmehr die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art als erschwerend anzulasten ist. Trotzdem kann nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes bei C, dem nur zusätzlich die zweimalige Verfälschung einer Privaturkunde zur Last fällt, weiterhin mit einer Strafe im selben Ausmaß, wie sie im Ersturteil verhängt worden war, das Auslangen gefunden werden. Hingegen war bei B, der außerdem die Fälschung einer besonders geschützten Urkunde verantwortet, sowie bei D, welcher sich ebenfalls neben dem Diebstahl (zwar nicht nach § 223 Abs. 2 StGB, wohl aber) nach § 223 Abs. 4, 224 StGB strafbar gemacht hat, jeweils eine Erhöhung der Strafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß geboten. Diese neu festgesetzten Strafen tragen den im § 32 StGB umschriebenen allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung Rechnung und sind angemessen. Der Ausspruch über die bedingte Nachsicht dieser Strafen konnte aus dem Ersturteil übernommen werden.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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