OGH 12Os180/78

OGH12Os180/7816.11.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schnattinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Herbert A wegen des Verbrechens der schweren körperlichen Beschädigung nach dem § 157 (zweiter Deliktsfall) StG. über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten vom 30. September 1974, GZ. 7 E Vr 1385/73-27, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten vom 30. September 1974, GZ. 7 E Vr 1385/73-27, womit die mit dem Urteil dieses Gerichtes vom 13. Dezember 1973 mit drei Jahren bestimmte Probezeit in Ansehung des Angeklagten Herbert A gemäß § 3 Abs. 1 Z. 4 BedVG. auf fünf Jahre, d.i. bis 13. Dezember 1978 verlängert wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 3 Abs. 2 letzter Satz BedVG.

Dieser Beschluß und alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen, insbesondere der Widerrufsbeschluß des Kreisgerichtes St. Pölten vom 5. Juli 1978, GZ. 7 E Vr 1385/73-35, und der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 16. August 1978, AZ. 12 Bs 382/78, werden aufgehoben, und es wird gemäß den § 292, 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Die mit dem Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 13. Dezember 1973, GZ. 7 E Vr 1385/73-15, über Herbert A verhängte bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten ist endgültig nachgesehen.

Text

Gründe:

Mit dem noch am gleichen Tag in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 13. Dezember 1973, GZ. 7 E Vr 1385/73- 15, wurde (u.a.) der am 2. Oktober 1945 geborene Hilfsarbeiter Herbert A des Verbrechens der schweren körperlichen Beschädigung nach § 157 (zweiter Deliktsfall) StG. schuldig erkannt und zu fünf Monaten Kerker verurteilt, wobei gemäß den § 1 und 2 BedVG. die Vollziehung dieser Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren vorläufig aufgeschoben wurde.

In der Folge wurde Herbert A (u.a.) mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Waidhofen an der Ybbs vom 19. August 1974, GZ. U 2857/73-29, der übertretung der vorsätzlichen leichten körperlichen Beschädigung nach § 411 StG. schuldig erkannt und - im Hinblick auf die Tatzeit 5. August 1973 -

unter Bedachtnahme auf das zitierte Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten gemäß dem § 265 StPO (a.F.) zu einer Arreststrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt, wobei gleichfalls gemäß den § 1 und 2 BedVG. die Vollziehung der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren vorläufig aufgeschoben wurde; dieses Urteil erwuchs am 19. August 1974 in Rechtskraft.

Hierauf verlängerte das Kreisgericht St. Pölten mit Beschluß vom 30. September 1974, GZ. 7 b E Vr 1385/73-27, die im Urteil vom 13. Dezember 1973 mit drei Jahren bestimmte Probezeit in Ansehung des Angeklagten Herbert A gemäß dem § 3 Abs. 1 Z. 4 BedVG. auf fünf Jahre, d.i. bis 13. Dezember 1978.

Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Waidhofen an der Ybbs vom 20. Februar 1978, GZ. U 1244/77-8, wurde Herbert A schließlich des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Dieses - seit dem 13. Oktober 1977

gerichtsanhängige - Verfahren betraf eine am 14. August 1977 gesetzte Tathandlung.

Auf Grund dieser neuerlichen Verurteilung widerrief das Kreisgericht St. Pölten mit Beschluß vom 5. Juli 1978, GZ. 7 E Vr 1385/73-35, die bedingte Strafnachsicht; der vom Verurteilten dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit Entscheidung vom 16. August 1978, AZ. 12

Bs 382/78, nicht Folge.

Der zitierte Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten vom 30. September 1974, mit dem die im Urteil dieses Gerichtes vom 13. Dezember 1973 bezüglich Herbert A bestimmte Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Ein 'Widerruf' gemäß § 3 Abs. 1 Z. 4 BedVG. hatte - wie auch nunmehr nach dem § 53 Abs. 1 StGB - zur Voraussetzung, daß eine neuerliche Verurteilung wegen einer während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung erfolgt. Nur in diesem Fall konnte eine Verlängerung der urteilsmäßig festgesetzten Probezeit auf fünf Jahre eintreten. Wurden dagegen - wie hier - wegen strafbarer Handlungen, die nach der Zeit ihrer Begehung in einem einheitlichen Verfahren (§ 56 StPO) hätten abgeurteilt werden können, in zwei (oder mehreren) Straferkenntnissen Strafen verhängt (§ 265 StPO aF), und wurde die Vollziehung aller (oder einzelner) Strafen vorläufig aufgeschoben, so galt, soweit der vorläufige Aufschub der Vollziehung nicht widerrufen wurde, nach § 3 Abs. 2 letzter Satz BedVG. (ähnlich wie nach dem nunmehr geltenden § 55 Abs. 3 StGB) für sämtliche unvollstreckten Urteile jene von mehreren Probezeiten, die zuletzt endete. Eine Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre auf Grund einer solchen neuerlichen Verurteilung war (und ist) im Gesetz nicht vorgesehen und mithin unzulässig.

Im vorliegenden Fall endete daher die Probezeit in den beiden im Verhältnis des § 265 StPO aF. (§ 31 StGB) zueinander stehenden Strafverfahren für Herbert A mit Ablauf des 19. August 1977. Einer ausdrücklichen Probezeitverlängerung bis zu diesem Endtermin hätte es hiebei gar nicht bedurft, weil eine solche Verlängerung gemäß dem § 3 Abs. 2 letzter Satz BedVG. schon ex lege eintrat; einer auf dieser Gesetzesstelle beruhenden Beschlußfassung kommt nur deklarative Bedeutung zu.

Die aufgezeigte Gesetzesverletzung gereicht dem Verurteilten zum Nachteil. Geht man nämlich von einer Probezeit bis 19. August 1977 aus, so war der erst am 5. Juli 1978 verfügte Widerruf der bedingten Strafnachsicht verspätet und daher unzulässig; dieser hätte innerhalb der am 19. Februar 1978 endenden (auch durch Zeiten behördlicher Anhaltung nicht gehemmten) Frist von sechs Monaten nach Ablauf der Probezeit erfolgen müssen.

Denn wenn auch die Tatzeit der der neuerlichen Verurteilung zugrundeliegenden Straftat - 14. August 1977 - innerhalb der gesetzmäßigen Probezeit lag, so kam ein Widerruf der bedingten Strafnachsicht auch innerhalb von sechs Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens AZ. U 1244/77 des Bezirksgerichtes Waidhofen an der Ybbs deshalb nicht in Betracht, weil dieses Verfahren bei Ablauf der Probezeit noch nicht gerichtsanhängig war (§ 56 StGB).

Auf Grund einer von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte