OGH 9Os136/78

OGH9Os136/7814.11.1978

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr Racek sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Sailer als Schriftführer in der Strafsache gegen Wolfgang A u.a. wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach § 146, 147 Abs. 3, 148 und 15 StGB teils nach Anhörung und teils mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Wolfgang A gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 1. März 1978, GZ. 29 Vr 1301/75-107, den Beschluß gefaßt und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die rechtliche Unterstellung der dem Angeklagten zur Last liegenden betrügerischen Handlungen (auch) unter die Bestimmung des § 148 StGB sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (neben anderen Angeklagten) der am 23.9.1943 geborene Gastwirt Wolfgang A des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs. 3, 148 und 15 StGB schuldig erkannt, weil er in den Jahren 1972 und 1973, zumeist in Innsbruck, im Zusammenwirken mit wechselnden Beteiligten verschiedene Versicherungsgesellschaften durch Vortäuschen fingierter Verkehrsunfälle in acht vollendeten Fällen (Punkte 1./a) bis h) des Urteilssatzes) und einem versuchten Fall (Punkt 2./ a) des Urteilssatzes) betrügerisch zur Liquidierung angeblicher Versicherungsschäden in einer Gesamthöhe von mehr als 1 Million Schilling verleitete und zu verleiten suchte.

Wolfgang A bekämpft diesen Schuldspruch mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch Berechtigung nicht zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Nicht zielführend ist zunächst die Mängelrüge, in deren Ausführung der Beschwerdeführer behauptet, das Urteil enthalte keine Begründung dafür, warum das Erstgericht als erwiesen annehme, daß er die ihm im Schuldspruch angelasteten Straftaten begangen habe. Denn der erkennende Senat hat seine bezüglichen Feststellungen ersichtlich auf die (durch die Geständnisse der übrigen Angeklagten erhärtete) eigene Verantwortung des Beschwerdeführers gestützt, der - abgesehen von der Behauptung, unter Druck gesetzt worden zu sein - in der Hauptverhandlung voll geständig war (vgl. S. 72 ff/V). Soweit aber der Beschwerdeführer dem angefochtenen Urteil Unvollständigkeit und Aktenwidrigkeit bezüglich jener Urteilsfeststellungen vorwirft, die das Ausmaß der nachträglich erfolgten Schadensgutmachung betreffen und in denen er als spiritus rector der Betrügereien bezeichnet wird, führt er den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO nicht gesetzmäßig aus. Betreffen doch die bemängelten Urteilsannahmen - hinsichtlich der führenden Rolle des Beschwerdeführers wird im Urteil überdies lediglich der Verdacht geäußert, daß er der spiritus rector der Betrügereien war und diese Frage daher an sich offen gelassen (vgl. S. 137/V) - keine entscheidenden Tatsachen, als welche nur solche anzusehen sind, die entweder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz (also auf die rechtliche Beurteilung) oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluß haben, was hier nicht der Fall ist. Mit seiner Verfahrensrüge wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages auf Einvernahme der Zeugen Klara B und Horst C (S. 108/V). Er hatte die Anhörung dieser Zeugen zum Beweis dafür begehrt, daß sie ihn - durch die Drohung, die ganze Sache auffliegen zu lassen (vgl. S. 72/V) - von Fall zu Fall unter Druck gesetzt bzw. ihn ersucht hätten, ihnen noch ein letztes Mal bei einem Versicherungsbetrug behilflich zu sein und daß er nur ein einziges Mal aus dem Betrug etwas für sich behalten habe. Durch die Einvernahme der beantragten Zeugen hätte dem Erstgericht die überzeugung vermittelt werden können, daß er tatsächlich unter Druck gesetzt worden sei und daß er daher in einem entschuldigenden Notstand im Sinne des § 10 StGB gehandelt habe.

Hinsichtlich des Grundtatbestandes des Betruges nach § 146, 147 Abs. 3 StGB schlägt nun die Verfahrensrüge schon deshalb nicht durch, da der drohende Vollzug eines zu Recht bestehenden staatlichen Strafanspruches - will nicht die Rechtsordnung auf ihren eigenen Geltungsanspruch verzichten - eine Notstandssituation nicht zu begründen vermag, weil die noch ausstehende Sanktion für ein strafgesetzwidriges Verhalten grundsätzlich nicht als Motivation für einen neuerlichen Bruch der Rechtsordnung zwecks Hintanhaltung dieser Unrechtssanktion (rechtfertigend) anerkannt oder auch nur (entschuldigend) hingenommen werden kann und weil im übrigen ein mit den rechtlich geschützten Werten verbundener Mensch keine weitere strafbare Handlung und damit einen neuerlichen Bruch der Rechtsordnung begehen würde, um die aus einer früheren Straftat drohenden Unrechtsfolgen von sich abzuwenden (vgl. ÖJZ-LSK 1977/53, 189, EvBl. 1977/221).

Insoweit war daher die Verfahrensrüge und die auf die Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Mängelrüge des Angeklagten gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO als offenbar unbegründet schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Anders verhält es sich jedoch mit dem abgewiesenen Beweisantrag in bezug auf die Qualifikation der Tat nach § 148 StGB, also auf die vom Erstgericht angenommene Gewerbsmäßigkeit der vom Angeklagten gesetzten Betrügereien.

Denn angesichts dessen, daß gewerbsmäßige Begehung einer strafbaren Handlung nach der im § 70 StGB enthaltenen Legaldefinition die aus der Tat erkennbare Absicht des Täters erfordert, sich durch Wiederholung der strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, d.h.

eine für längere Zeit wirksame, der Sicherstellung zumindest eines Teiles des Unterhalts oder eines zusätzlichen Aufwandes bzw. überhaupt der Einkommensvermehrung dienende Einnahmsquelle in der Bedeutung eines wiederkehrenden Mittelzuflusses zu erschließen (vgl. EvBl. 1975/259

- ÖJZ-LSK 1975/92 u.a.), kann dem im abgewiesenen Beweisantrag angegebenen, mit der Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung übereinstimmenden Beweisthema, zur Tatwiederholung seitens des Angeklagten sei es allein auf Grund der von Klara B und Horst C in den jeweiligen Einzelfällen ihm gegenüber geäußerten Anzeigedrohungen gekommen, Relevanz nicht abgesprochen werden, weil dies mit der erstgerichtlichen Annahme einer aus gewerbsmäßiger Absicht entspringenden Vorgangsweise des Angeklagten nicht vereinbar ist. Es wurden sohin durch das gerügte Zwischenerkenntnis Verteidigungsrechte des Angeklagten im aufgezeigten Umfang verletzt. Dies verwirklicht den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 4 StPO, weshalb das Urteil im fraglichen Ausspruch (§ 148 StGB) - gemäß § 285 e StPO mit Zustimmung der Generalprokuratur - in teilweiser sofortiger Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde in nichtöffentlicher Beratung aufzuheben war, wodurch sich ein Eingehen auf die Rechtsrüge des Beschwerdeführers, mit der er gleichfalls nur die gewerbsmäßige Tatbegehung bekämpft, erübrigt.

Dieser Entscheidung steht nicht entgegen, daß in der schriftlichen Urteilsausfertigung im Urteilsspruch zwar angeführt ist, der Angeklagte verantworte in rechtlicher Beziehung das Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betruges, während im Schuldspruch bei der Bezeichnung der Tat (§ 260 Abs. 1 Z 1 StPO) ein ausdrücklicher Ausspruch, wonach der Beschwerdeführer die ihm zur Last fallenden Betrügereien in der im § 70 StGB genannten Absicht begangen hat, nicht enthalten ist. Denn aus den mit dem Urteilsspruch eine untrennbare Einheit bildenden Urteilsgründen und dem Beratungsprotokoll ergibt sich mit aller Deutlichkeit, daß das Erstgericht den Schuldspruch auch wegen gewerbsmäßiger Tatbegehung gefällt und verkündet hat, womit jedenfalls eine Angleichung der hievon abweichenden (nämlich unvollständigen) schriftlichen Urteilsausfertigung zulässig (und geboten) ist, zumal die Urteilsausfertigung noch nicht Gegenstand einer meritorischen Rechtsmittelentscheidung geworden ist (vgl. EvBl. 1977/94). Zu einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst dahin, daß der Ausspruch über die gewerbsmäßige Tatbegehung ohne vorherige Verfahrensergänzung sofort ausgeschaltet werde, bestand mithin nach Lage des Falles kein Anlaß (vgl. auch 9 Os 13/77 vom 15. Mäz 1977 und Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2, ENr. 17 /zweiter Satz/ zu § 260 StPO).

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