Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9.1.1961
geborene beschäftigungslose Walter A der Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs.1, 2 und 3 (1.Fall) StGB, der fahrlässigen Tötung (unter besonders gefährlichen Verhältnissen) nach den § 80, 81 Z 1 StGB (richtig bloß: § 81 Z 1 StGB), der fahrlässigen Körperverletzung nach den § 88 Abs.1 und Abs.4/81 Z 1 (gemeint: 2.Fall des Abs.4) und des Diebstahls nach dem § 127 Abs.1 StGB schuldig erkannt.
Mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4 und 9 lit.a des § 281 Abs.1 StPO (der Sache nach auch auf jenen der Z 10 dieser Gesetzesstelle) gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte die Schuldsprüche wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung (Urteilsfakten B I und II), jedoch nur insoweit, als das Erstgericht das Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse angenommen hat, sowie den Schuldspruch wegen Diebstahls (Urteilsfaktum C).
Aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs.1
StPO rügt der Angeklagte die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages auf Durchführung eines Lokalaugenscheines im Zusammenhang mit den ihm angelasteten Vergehen nach dem § 81 Z 1 und dem § 88 Abs.1 und Abs.4 (2.Fall) StGB
Rechtliche Beurteilung
Dem ist zu erwidern, daß dieser Verfahrensrüge zunächst schon deshalb kein Erfolg beschieden sein kann, weil der Angeklagte bei seiner Antragstellung kein Beweisthema bezeichnet hat (S.325), und dieses Thema sich auch nicht aus dem Zusammenhang ergibt. Daher kann gar nicht überprüft werden, ob damit an das Erstgericht ein solches Begehren um Beweisaufnahme herangetragen wurde, dessen Abweisung einen nachteiligen Einfluß auf die Verteidigung ausgeübt hat (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III2, Nr.4 a und 4 bb zu § 281 Z 4 StPO). Im übrigen hat das Erstgericht, das von sich aus alle erdenklichen Aspekte einer solchen Beweisaufnahme einer Prüfung unterzog und die Begründung seiner abweisenden Entscheidung zwar entgegen der Vorschrift des § 238 Abs.2 StPO nicht hinreichend ausführlich im Hauptverhandlungsprotokoll ersichtlich machte, jedoch in die Urteilsgründe (S.332) aufnahm (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III2, Nr.13 zu § 281 Z 4 StPO) in diesem Rahmen den in Rede stehenden Beweisantrag aber auch unter Berücksichtigung der Beschwerdeausführungen zu Recht als entscheidungsunwesentlich abgetan. Denn die Situation am Unfallsort zur Tatzeit - darunter insbesondere auch der wesentliche Umstand, daß der Angeklagte mit dem von ihm gelenkten LKW vor dem Zusammenprall mit zwei ihm entgegenkommenden Personenkraftwagen unter überfahren der doppelten Sperrlinie der Wiener Stadtautobahn auf die Gegenfahrbahn geraten war
- ist durch die beim Akt erliegende genaue Unfallskizze der Verkehrsabteilung der Bundespolizeidirektion Wien (S.43) und die darin eingezeichneten Spuren eindeutig geklärt. Zur überprüfung des vom Erstgericht auf Grund der Verantwortung des Angeklagten im Vorverfahren als erwiesen angenommenen Umstandes, daß der Angeklagte zur Unfallszeit zufolge übermüdung eingeschlafen und dies die unmittelbare Ursache für das Abkommen von der Fahrbahn war, könnte aber ein Ortsaugenschein von vornherein nichts beitragen, und an der Unfallstelle vorhandenen Beschilderungen hinsichtlich der zulässigen Höchstgeschwindigkeit - die sich im übrigen auch aus der Unfallskizze ergeben - kommt vorliegend keine weitere Bedeutung zu, da überhöhte Geschwindigkeit vom Erstgericht nicht als kausal für das Unfallsgeschehen angenommen wurde. Auch die Verantwortung des Angeklagten, das erste der Kollisionsfahrzeuge sei ihm auf seiner Fahrbahnhälfte entgegengekommen und er habe diesem nach links ausweichen wollen, ist durch einen Lokalaugenschein nicht überprüfbar. Der Sachverständige aus dem Verkehrsfach konnte sich aber in völlig ausreichender Weise hinsichtlich aller entscheidungswesentlichen Fragen auf die Unfallskizze stützen, zumal für die Entscheidung relevante Unklarheiten über die Lokalisierung der Kontaktstellen nicht bestehen. Der Beweisantrag verfiel daher zu Recht der Abweisung, ohne daß hiedurch Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt wurden, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist. Mit seiner ausdrücklich auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit.a (der Sache nach zum Teil auch schon hier jenen der Z 10) des § 281 Abs.1 StPO relevierenden Rechtsrüge wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs.1 StGB (Punkt C), der ihm anlastet, Anfang März 1978 fremde bewegliche Sachen, nämlich zwei PKWSchlüssel, Verfügungsberechtigten der Firma
B mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Hiebei vertritt er die Auffassung, daß die Annahme des Tatbestandserfordernisses der 'Bereicherungsabsicht' (gemeint: des Bereicherungsvorsatzes) und damit die Qualifikation der Tat als Vergehen des Diebstahls durch die getroffenen Feststellungen tatsächlicher Art nicht gedeckt sei. Das Erstgericht habe nämlich in seinen Feststellungen zum Ausdruck gebracht, daß er die Schlüssel wegnahm, um mit ihrer Hilfe die dazugehörigen Fahrzeuge vorübergehend unbefugt in Gebrauch zu nehmen und diese samt den Schlüsseln dann wieder den Berechtigten zurückzustellen. Der daraus erhellende Vorsatz, auch die Schlüssel - als Zubehör der betreffenden Fahrzeuge - nur zum vorübergehenden Gebrauch zu benutzen, lasse die Tat nur als Vorbereitungshandlung zu einem in Aussicht genommenen Vergehen nach dem § 136 StGB in bezug auf die Fahrzeuge, nicht jedoch als selbständig strafbare Tat erscheinen. Selbst wenn man ihm aber unterstellen wollte, beabsichtigt zu haben, die Schlüssel - nach diesem Gebrauch - überhaupt nicht an ihre rechtmäßigen Besitzer zurückgelangen zu lassen, könne seine Tat nur als Vergehen der dauernden Sachentziehung nach dem § 135 StGB beurteilt werden. In keinem der beiden Fälle könne hingegen bei diesem Sachverhalt in Ansehung der subjektiven Tatseite von einem Bereicherungsvorsatz im Sinne des § 127 Abs.1 StGB gesprochen werden. Dem ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer den Feststellungen des Jugendschöffengerichtes insoweit einen Sinngehalt unterlegt, der ihnen in Wahrheit ersichtlich nicht zukommt und sohin letztlich nicht von den Urteilsfeststellungen ausgeht, sondern einen urteilsfremden Sachverhalt mit dem Gesetz vergleicht. Das Erstgericht hat nämlich in bezug auf die beiden vom Angeklagten zum Nachteil der Firma B weggenommenen Autoschlüssel konstatiert, daß er sie 'in seinen Besitz bringen und behalten wollte, um sie in Zukunft zur Ingebrauchnahme von Fahrzeugen zu verwenden', wsich später noch der Hinweis schließt, der Angeklagte 'hätte ja Kraftfahrzeugschlüssel allenfalls auch redlich erwerben können .....'. Somit kann keine Rede von einer Feststellung sein, der Angeklagte habe die zu den Schlüsseln gehörenden Kraftfahrzeuge unbefugt in Gebrauch nehmen und die Schlüssel - sei es mit oder ohne nachfolgende Rückstellung derselben
- bloß zu einer solchen Tat verwenden und gar nicht länger behalten wollen. Vielmehr hat das Erstgericht damit klar erkennbar und entgegen der Meinung des Beschwerdeführers im Einklang mit der Erfahrungstatsache, daß Autoschlüssel in der Regel keineswegs nur den dazugehörigen Wagen sperren, sondern auch zur Nachsperre von anderen Fahrzeugen, insbesondere der gleichen Marke und Type, verwendbar sind, die Feststellung getroffen, daß der Angeklagte sich die dauernde Herrschaft über die Schlüssel angemaßt hat und sie irgendwann in der Zukunft zum Aufsperren fremder Fahrzeuge schlechthin verwenden wollte. Im Zusammenhang damit, daß die Schlüssel einen - wenn auch geringen - Vermögenswert repräsentieren, hat das Erstgericht aber - was unter diesen sachlichen Voraussetzungen auch vom Beschwerdeführer gar nicht bestritten wird - zu Recht ein Handeln des Angeklagten mit Bereicherungsvorsatz angenommen und die Tat sohin ohne Rechtsirrtum als Vergehen des Diebstahls nach dem § 127 Abs.1 StGB beurteilt. Schließlich ficht der Beschwerdeführer aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs.1 StPO die Annahme 'besonders gefährlicher Verhältnisse' im Sinne des § 81 Z 1 StGB in Ansehung des ihm angelasteten Verkehrsunfalles und somit die Beurteilung dieser Straftat als Vergehen nach dem § 81 Z 1 StGB und - damit idealkonkurrierend - als Vergehen nach dem § 88 Abs.1 und Abs.4 (2.Fall) StGB (anstatt bloß als Vergehen nach dem § 80 StGB sowie nach dem § 88 Abs.1 und Abs.4, 1.Fall, StGB) an. Auch diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu. 'Besonders gefährliche Verhältnisse' im Sinne des § 81 Z 1 StGB erfordern - anders als der Begriff der Gemeingefährdung (§ 177 StGB) - eine qualitativ verschärfte Gefahrenlage in dem Sinne, daß nach den gegebenen Umständen unter Zugrundelegung allgemeiner Erfahrungssätze die Wahrscheinlichkeit des Eintrittes eines schweren Schadens an Leib und Leben als besonders hoch veranschlagt werden muß, wobei die Größe des tatsächlich betroffenen Personenkreises nicht von wesentlicher Bedeutung ist und die so geartete konkrete Gefährdung schon einer einzigen Person ausreicht (vgl. 13 Os 20/77 = - ÖJZ-LSK 1977/175, 176 u. v.a.). Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht festgestellt, daß der Angeklagte ohne ausreichende Fahrpraxis in übermüdetem Zustand einen Lastkraftwagen - sohin ein zufolge seiner Größe in besonderem Maße zur Herbeiführung schwerer Unfallsfolgen geeignetes Fahrzeug - lenkte und dabei eine Geschwindigkeit von zumindest 81 km/h einhielt. Entgegen den Beschwerdeausführungen des Angeklagten, der teils Umstände zu entkräften versucht, die das Erstgericht gar nicht festgestellt hat ('dichter' Verkehr, doppelt so hohe Geschwindigkeit als zulässig), teils aber die oben aufgezeigten Komponenten der Gefahrenerhöhung jeweils isoliert zu betrachten und zu werten versucht, kann aber nicht ernstlich bezweifelt werden, daß das Zusammentreffen der erwähnten besonderen, über die mit dem Straßenverkehr im allgemeinen verbundenen Risken hinausgehenden gefahrenerhöhenden Umstände eine qualifizierte Gefahrensituation geschaffen hat, die - im Sinne der dargelegten Voraussetzungen des § 81 Z 1 StGB - mit besonders großer Wahrscheinlichkeit den Eintritt eines schweren Schadens an Leib und Leben anderer Personen erwarten ließ und auch tatsächlich schwerste Folgen (1 Toter, 1 Schwerverletzter) nach sich zog. Rechtsrichtig hat das Erstgericht daher diesen Sachverhaltskomplex als Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach dem § 81 Z 1 StGB in Idealkonkurrenz mit jenem der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs.1 und Abs.4 (2.Fall) StGB beurteilt. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen. Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB nach dem § 81 StGB unter Anwendung des § 11 JGG eine Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres und sprach zugleich gemäß dem § 21 Abs.2 StGB die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher aus. Die Berufung des Angeklagten richtet sich lediglich gegen den Ausspruch nach dem § 21 Abs.2 StGB Ihr kommt keine Berechtigung zu. Der Berufungswerber macht geltend, daß in der Befürchtung, er könne unter dem Einfluß seiner Abartigkeit höheren Grades neuerlich Vergehen nach dem § 136 StGB begehen, nicht die vom Gesetz vorausgesetzte Qualifizierung dieser Taten als solche mit schweren Folgen erblickt werden könne. Vielmehr seien dem § 136 StGB zu unterstellende Verstöße der sogenannten Kleinkriminalität zuzurechnen und nicht als typischerweise mit schweren Folgen verbundene Delikte anzusehen. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Zwar ist richtig, daß strafbare Handlungen nach dem § 136 StGB nicht schon ihrem Wesen nach schwere Folgen nach sich ziehen. Doch sind die schweren Folgen (im Sinne der § 21 bis 23 StGB) nicht (bloß) nach dem tatbildlichen Erfolg, sondern nach allen konkreten Auswirkungen der Tat in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu beurteilen, sohin nach Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile sowohl für den betroffenen einzelnen, als auch für die Gesellschaft im Ganzen, deren Gewicht durch die in der Sozietät bestehenden insofern normativen Wertvorstellungen rechtstreuer Menschen bestimmt wird (ÖJZ-LSK 1977/72). Unter diesem Apsekt kommt aber dem Umstand, daß sich die Prognose auf die Annahme bezieht, der Angeklagte werde - entsprechend seiner bisherigen Neigung - auch künftig unbefugt Lastkraftwagen, mithin Kraftfahrzeuge solcher Art unbefugt in Gebrauch nehmen, die im Falle (des weiteren) zu erwartender Unfallsereignisse (im Zuge des unbefugten Gebrauches) - wie auch im vorliegenden Fall - die Herbeiführung schwerer Schäden an Leib und Leben befürchten lassen, wesentliche Bedeutung zu. Die begründete Besorgnis, die künftige Delinquenz des Angeklagten werde wieder zu einer schweren körperlichen Verletzung oder gar zum Tode eines Menschen führen, schließt aber durchaus eine dem Erfordernis der schweren Folgen im Sinne des § 21 StGB entsprechende Auswirkung künftiger Taten ein. Da sohin das Erstgericht zu Recht die Voraussetzungen für die Anstaltsunterbringung nach dem § 21 Abs.2 StGB auch in der vom Angeklagten bekämpften Richtung für erfüllt ansah, konnte der Berufung kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.
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