OGH 12Os146/78

OGH12Os146/7819.10.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Seidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter A und andere wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach § 15, 142 Abs. 1, 143 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten Peter A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 24. Mai 1978, GZ. 20 i Vr 8831/77-117, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieses Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Kubac, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen u.a. der am 8. Jänner 1953

geborene (gelernte) Fleischhauer Peter A zu Punkt I/ des Urteilssatzes des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den § 15, 142 Abs. 1, 143 (erster und zweiter Fall) StGB und zu Punkt V/ des Urteilssatzes des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 (zweiter Fall) StGB schuldig erkannt, weil er zu I/ am 10. April 1975 in Wien gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Eduard Heinz B in Gesellschaft als Beteiligten (§ 12 StGB) dadurch, daß sie in das Büro der (Möbel-)Firma C eindrangen, dort vier Angestellte mit zwei mit Gaspatronen geladenen Pistolen (der Marken Walther und FN, jeweils Kaliber 7,65 mm) in Schach hielten, das Büro nach Bargeld durchsuchten und dessen Herausgabe verlangten, unter Verwendung einer Waffe versuchte, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben anderen mindestens 200.000 S Bargeld mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

zu V/ am 23. Oktober 1975 in Wien und am 1. Dezember 1975 in Krems a.d.Donau Erwin D dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzte, daß er im Zuge seiner gerichtlichen Beschuldigtenvernehmung sowie in einer Eingabe im gegenständlichen Strafverfahren durch die Behauptung, er sei von D durch dessen gefährliche Drohung, er werde ihn (Peter A) und seine Lebensgefährtin Christine E in den Bauch schießen, zur Mitwirkung an der zu I/ näher bezeichneten Tat genötigt worden, der von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung der schweren Nötigung nach den § 105, 106 Abs. 1 Z 3 StGB beschuldigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch war.

Die Geschwornen haben die diesen Schuldsprüchen zugrundeliegenden Hauptfragen 1) und 14) bejaht, hingegen die zur Hauptfrage 1) in der Richtung entschuldigenden Notstandes im Sinne des § 10 Abs. 1 StGB gestellte Zusatzfrage 2) - ob Peter A die in der Hauptfrage 1) angeführte Tat begangen habe, um einen unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteil von sich oder Christine E abzuwenden, wobei der aus der Tat drohende Schaden nicht unverhältnismäßig schwerer wiegt als der Nachteil, den sie abwenden soll, und in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten war - verneint.

Wie der Niederschrift der für diese Fragebeantwortung maßgeblichen Erwägungen der (Mehrheit der) Geschwornen (§ 331 Abs. 3 StPO) zu entnehmen ist, haben die Geschwornen die Zusatzfrage 2) verneint, 'weil D diese Drohung nicht ausgesprochen hat', und die auf das Verbrechen der Verleumdung lautende Hauptfrage 14) bejaht, weil 'das Beweisverfahren erbrachte, daß D den A nicht bedroht hat. Die Begehung eines schweren Raubes mit einem Schaden von mindestens 200.000 S verletzt sowohl wichtige Interessen des Genötigten als auch des Raubopfers' (sh. Beilage D/ zu ON 116, P. 2) und 14)).

Mit einer ziffernmäßig allein auf den Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich Peter A 'gegen die Verneinung der Zusatzfrage zur ersten Hauptfrage sowie gegen die Bejahung der Hauptfrage 14) (Verbrechen der Verleumdung nach § 297 StGB)'; sachlich ficht er damit die Schuldsprüche zu Punkt I/ und V/ des Urteilssatzes wegen unrichtiger Rechtsbelehrung (§ 345 Abs. 1 Z 8 StPO), und den erstbezeichneten Schuldspruch außerdem aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO wegen mangelnder Individualisierung des im konkreten Fall in Betracht kommenden Strafausschließungsgrundes des entschuldigenden Notstandes nach dem § 10 Abs. 1 StGB an.

Rechtliche Beurteilung

Er ist mit keinem dieser Einwände im Recht:

Gemäß dem § 313 StPO ist u.a. eine Zusatzfrage zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, die - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die Strafbarkeit (der in einer Schuldfrage näher bezeichneten Tat) ausschließen würden. Vorliegend trug der Schwurgerichtshof - zutreffend - der Verantwortung des Angeklagten Peter A (sh. Bd. II, S. 351 ff d. A), er habe an dem im Schuldspruch zu Punkt I/ näher bezeichneten Raubversuch nicht freiwillig, sondern nur deshalb mitgewirkt, weil der Mitangeklagte Erwin D ihn (A) und seine Verlobte Christine E (mit einem Bauchschuß) bedroht habe, durch die eingangs wiedergegebene, auf das Vorliegen einer Notstandssituation des Angeklagten Peter A im Sinne des § 10 Abs. 1 StGB abgestellte Zusatzfrage 2) (zur Hauptfrage 1) Rechnung. Daß deren sachliches Substrat eben die von Peter A behauptete Bedrohung durch Erwin D bildete, ergibt sich hinreichend deutlich aus dem ersichtlichen Zusammenhang dieser Zusatzfrage 2) mit den Hauptfragen 1) und 14), in welch letzterer Frage die in Rede stehende (angebliche) Nötigung des Peter A zur Beteiligung am Raubversuch vom 10. April 1975 durch die von Erwin D (angeblich) geäußerte Drohung, (sonst) Peter A und Christine E in den Bauch zu schießen, genau bezeichnet wird. Außerdem befaßte sich schon die in der Hauptverhandlung gemäß der Anordnung des § 307 StPO verlesene (Bd. II, S. 347 d. A) Anklageschrift mit dieser in die Richtung eines 'unwiderstehlichen Zwanges' weisenden Verantwortung des Angeklagten Peter A (sh. ON 58, Bd. II, S. 13 d.A), und auch in der Hauptverhandlung wurde dieses Beweisthema ausführlich erörtert, zuletzt vom psychiatrischen Sachverständigen Prim. Dr. F (sh. Bd. II, S. 417-419 d. A). So gesehen kann daher keine Rede davon sein, daß - wie in der Nichtigkeitsbeschwerde behauptet wird - die Zusatzfrage 2) in ihrer Formulierung für die Geschwornen 'unverständlich und deswegen unvollständig' war, ganz abgesehen davon, daß die Verteidigung gegen diese Art der Frageformulierung in der Hauptverhandlung keine Einwendungen erhoben hat (Bd. II, S. 420 d. A). Der bereits zitierte Inhalt der Niederschrift der Geschwornen widerlegt außerdem eindeutig die Beschwerdebehauptung, den Geschwornen könnte in Ansehung der bezüglichen Fragestellung (oder Rechtsbelehrung) ein Mißverständnis unterlaufen sein (vgl. SSt 33/

25; 43/42).

Die vom Beschwerdeführer sachlich aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO erhobene Rüge der Fragestellung erweist sich mithin als unbegründet.

Aber auch der in der Nichtigkeitsbeschwerde mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO erhobene Vorwurf, die den Geschwornen zur Zusatzfrage 2) schriftlich erteilte Rechtsbelehrung (sh. Beilage B/ zu ON 116) sei wegen Fehlens der nach den Umständen des Falles erforderlichen Belehrung darüber, ob die Bedrohung A (und seiner Lebensgefährtin) von ersterem als so schwerwiegend empfunden wurde, daß er aus Angst bereit war, am Raub (versuch) laut Hauptfrage 1) teilzunehmen, mißverständlich und damit, da die Laienrichter über diesen für ihren Wahrspruch wesentlichen Umstand im Unklaren gelassen worden seien, unrichtig im Sinne des bezogenen Nichtigkeitsgrundes, entbehrt der Berechtigung:

Zunächst verkennt der Beschwerdeführer die Aufgabe und die Inhaltserfordernisse der schriftlichen Rechtsbelehrung (§ 321 Abs. 2 StPO), die sich auf die Erörterung rechtlicher, nicht aber auch der sich aus dem Beweisverfahren ergebenden tatsächlichen Umstände zu beschränken hat. Auf den konkreten Sachverhalt des zu beurteilenden Falles ist in der Rechtsbelehrung nicht einzugehen (SSt 36/56; RZ 1978/54 a.E.); dessen Behandlung kann nur den Gegenstand der in Anschluß an die Erteilung der Rechtsbelehrung vom Vorsitzenden mit den Geschwornen vorzunehmenden Besprechung (§ 323 Abs. 2 StPO) bilden, doch unterliegt diese keiner (zulässigen) Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde (13 Os 208/77).

Die vom Beschwerdeführer vermißte Erörterung der konkreten Wirkung der (angeblichen) Drohung D auf den Bedrohten (:Peter A) wurde daher - als tatsächlicher Umstand - in der Rechtsbelehrung zutreffend unterlassen;

der Zusatzfrage 2) liegt diese konkrete Wirkung ohnedies zugrunde. Im übrigen gilt - so wie für die Fragestellung -

auch für die Rechtsbelehrung, daß der Inhalt und Sinngehalt als Ganzes maßgeblich ist, und daher der (auch in der Nichtigkeitsbeschwerde unbestrittene) Zusammenhang der Hauptfragen

1) und 14) sowie der Zusatzfrage 2) und der Gesamtinhalt der zugehörigen Rechtsbelehrung bei der Beurteilung ihrer Richtigkeit und Vollständigkeit nicht außer Betracht bleiben darf (vgl. EvBl. 1978/82). Zur Hauptfrage 14) wurden nun die Geschwornen anläßlich der Erörterung der Tatbestandserfordernisse einer Nötigung im Sinne des § 105 Abs. 1 StGB durch gefährliche Drohung zureichend über deren Voraussetzungen belehrt (sh. S. 3 der Ausführungen der Rechtsbelehrung zur Hauptfrage 14); die Rechtsbelehrung zur Zusatzfrage 2) hinwiederum geht bei der Darlegung der (rechtlichen) Kriterien eines entschuldigenden Notstandes vom 'Bedrohten', mithin von einer durch Drohung bewirkten Zwangslage des Betroffenen aus.

Damit erweist sich aber auch der Vorwurf des Beschwerdeführers, den Geschwornen sei zur Zusatzfrage 2) zum Begriff der nötigenden Drohung eine unrichtige bzw. eine einer solchen gleichstehende, unvollständige Rechtsbelehrung erteilt worden, als unberechtigt, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter A zu verwerfen war.

Der Angeklagte Peter A wurde nach § 143 1. Strafsatz, 28 und 29 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 (sieben) Jahren verurteilt.

Bei der Strafbemessung nahm das Geschwornengericht als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall, das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die Wiederholung im Faktum II./

und Faktum IV./ des Urteilsspruches an, als mildernd hingegen, daß es im Faktum Raub beim Versuch geblieben ist, dar teilweise Geständnis, den Umstand, daß die übrige Verantwortung des Angeklagten wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat und die teilweise Zustandebringung der Diebsbeute.

Gegen das Strafausmaß richtet sich die Berufung des Angeklagten, der eine angemessene Herabsetzung der Freiheitsstrafe begehrt, sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft, mit welcher eine der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Schuld angemessene Erhöhung der Freiheitsstrafe beantragt wird.

Beide Berufungen sind nicht gerechtfertigt.

Das Erstgericht hat die Strafbemessungsgründe zutreffend und vollständig festgestellt und ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt. Die vom Erstgericht verhängte Strafe entspricht sowohl dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Straftaten des Angeklagten, als auch seiner Täterpersönlichkeit, sodaß kein Anlaß bestand, die vom Geschwornengericht ausgesprochene Strafe herabzusetzen oder zu erhöhen.

Beiden Berufungen war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte