OGH 12Os156/78

OGH12Os156/7812.10.1978

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Seidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl A wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6.Juni 1978, GZ. 1 b Vr 201/78-19, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2.September 1956 geborene, zur Tatzeit beschäftigungslose Karl A des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1

StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Nach den wesentlichen - kurz zusammengefaßt wiedergegebenen - Urteilsfeststellungen spielte der Angeklagte am 8.Juli 1977 in Wien 6., im Hinterzimmer des Cafe 'D' zusammen mit Erich B und Rudolf C ein Glücksspiel, bei dem er hoch verlor. Als Erich B nach Beendigung des Spiels telefonieren ging, ergriff der Angeklagte von dem von ihm verlorenen, noch auf dem Tisch liegenden Spieleinsatz plötzlich 800 S und lief davon. Er vermutete, daß falsch gespielt worden war und hielt sich daher für berechtigt, den seiner Meinung nach ungerechtfertigten Gewinn wieder an sich zu nehmen. Er wurde jedoch von C und B bis in den Hausflur seines Wohnhauses verfolgt. Dort bedrohte er beide mit einer Gaspistole, um seine weitere Verfolgung und die Rückforderung des Geldes zu verhindern. Die Genannten sahen sich daher genötigt, das Haus wieder zu verlassen.

Sie verständigten die Polizei, die den Angeklagten, noch im Hausflur seines Wohnhauses mit der Pistole in der Hand, antraf. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie im Strafausspruch mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdeführer allerdings insoweit, als er aus dem Umstand, daß er an dem im Spiel verlorenen Geld angeblich nie sein Eigentum verloren habe, abzuleiten versucht, er hätte nur in Ausübung seines Notwehrrechtes gehandelt. Denn abgesehen davon, daß das Erstgericht weder über die Art noch über den Verlauf des erwähnten Spiels derart genaue Feststellungen treffen konnte, wie sie zur Klärung der Eigentumsverhältnisse am Spielgewinn erforderlich wären, ist den erstgerichtlichen Feststellungen auch nicht das Vorliegen eines gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriffs auf die im Besitz des Beschwerdeführers befindlichen 800 S zu entnehmen.

Das Erstgericht hat lediglich festgestellt, daß der Beschwerdeführer vermutete, es sei falsch gespielt worden, und daß er sich deshalb für berechtigt hielt, den nach seiner Meinung ungerechtfertigten Gewinn wieder an sich zu nehmen. Die Frage, ob er sich auch für berechtigt hielt, den Geldbetrag von 800 S zu behalten und ihn gegen allfällige Angriffe zu verteidigen, blieb jedoch - wie der Beschwerdeführer zutreffend aufzeigt - offen. Der im Urteil enthaltenen (als rechtliche Folgerung zu verstehende) allgemeinen Aussage, es sei weder Notwehr noch Putativnotwehr vorgelegen (vgl. S. 98), entsprechen keine tatsachenmäßigen Konstatierungen, die eine solche rechtliche Annahme erlauben würden. Das angefochtene Urteil - das insoweit auch mit einem (vom Beschwerdeführer der Sache nach gleichfalls geltend gemachten) Begründungsmangel behaftet ist - hätte sich insbesondere mit der Verantwortung des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen, daß er B und C nur deshalb bedrohte, weil er dachte, sie seien stärker als er und wollten ihm das Geld (gewaltsam) wegnehmen (vgl. S. 71 und 81 d.A.).

Sollte der Beschwerdeführer nämlich im Sinne dieser - vom Erstgericht unerörterten - Verantwortung tatsächlich (wenn auch irrtümlich im Sinne des § 8 StGB) angenommen haben, es stehe ein unmittelbar drohender Angriff auf sein Vermögen, nämlich auf die - wenigstens seiner subjektiven Ansicht nach - ihm eigentümlich gehörigen 800 S bevor, dann wäre nicht auszuschließen, daß er zumindest in Putativnotwehr gehandelt hat.

Da somit eine Erneuerung des Verfahrens zur Klärung der Frage und zur Feststellung, ob ein unmittelbar drohender Angriff auf den im Besitz des Beschwerdeführers befindlichen Geldbetrag vorlag, ob der Beschwerdeführer allenfalls irrtümlich einen solchen drohenden Angriff annahm und ob er die ihm angelastete Drohung nur gebrauchte, um diesen Angriff auf sein (vermeintliches) Eigentum abzuwehren, unumgänglich notwendig ist, war gemäß § 285 e StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung mit Zustimmung der Generalprokuratur der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Folge zu geben, das Urteil aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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