OGH 13Os80/78

OGH13Os80/7828.9.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.September 1978

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Friedrich, Dr. Walenta und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schrammel als Schriftführers in der Strafsache gegen Song-tau A und einen anderen wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs. 1, 129 Z. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die von dem Angeklagten Song-tau A gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengerichtes vom 15.März 1978, GZ. 29 Vr 3914/77- 34, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Weber und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die vom Erstgericht

verhängte Strafe auf 9 (neun) Monate herabgesetzt.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden u.a. der Bäckergeselle Helmut B und der Gastwirt Song-tau A der Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1, 129 Z. 1 StGB. und der Vorbereitung eines Verbrechens durch Sprengmittel nach dem § 175 Abs. 1 StGB., durch Erwerb von Sprengstoff in der dort bezeichneten Absicht, Songtau A jeweils als Beteiligter gemäß dem § 12 StGB. (3. Alternative) durch Unterbreitung eines Ausführungsplanes und Beistellung eines PKWs. schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt. Dieses Urteil wird lediglich vom Angeklagten Song-tau A mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung bekämpft, während es der Angeklagte B unangefochten ließ.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Angeklagte A klagte dem Helmut B, dem er seit Anfang November 1977 ein Zimmer vermietet hatte, bei einem Gespräch am 15.November 1977 über angeblich unmenschliche Vorkommnisse und die angebliche Unterdrückung des Volkes in seinem Heimatland Taiwan sowie darüber, daß sogar in Österreich von Agenten der regierenden Partei Taiwans Informationen über das Privatleben hier tätiger Nationalchinsen eingeholt und an die Auftraggeber weitergeleitet würden. A zeigte sich ferner darüber verärgert, daß es ihm seit einem Jahr nicht gelungen wäre, seinen Bruder (aus Taiwan) nach Österreich zu bringen. Wegen der angeblich untragbaren Verhältnisse in Taiwan kamen A und B überein, daß 'etwas unternommen' werden müsse. B äußerte, wenn er einmal nach Wien komme und erfahren sollte, wo sich eine 'nationalchinesische Institution' befinde, dann werde er einen Ziegel durch das Fenster werfen. A seinerseits erklärte, er würde 'am liebsten der Vertretung Taiwans in Wien die Fenster herausschießen oder sprengen'. B bot hierauf A an, Sprengstoff zu beschaffen. Er wußte nämlich von einer früheren Beschäftigung auf der Usseralpe im Gemeindegebiet von Tannheim, daß auf dem (ca. 1860 m hohen) 'Neunerköpfel' in einem Bunker Sprengstoff für Lawinensprengungen verwahrt war. Beide Angeklagten einigten sich, diesen Bunker aufzubrechen und sich daraus Sprengstoff zu 'besorgen', um die Verübung eines Sprengstoffanschlages auf eine ausländische Vertretungsbehörde oder Institution in Wien zu ermöglichen.

Zu diesem Zwecke beschaffte B Werkzeug (Hammer und Schraubenzieher) sowie die für die Besteigung des Berges erforderliche Winterausrüstung, während A den bei ihm beschäftigten (in den Plan der Angeklagten angeblich nicht eingeweihten) Kellner Gautam C stellte, der als Lenker des PKWs. seiner Gattin die Angeklagten von Innsbruck nach Tannheim an den Fuß des 'Neunerköpfels' bringen sollte.

Am 17.November 1977 gegen 2 Uhr früh brachen die Genannten mit dem PKW. von Innsbruck nach Tannheim auf, wo sie um etwa 5 Uhr morgens eintrafen, worauf die Angeklagten die Besteigung des 'Neunerköpfels' begannen.

Da der Angeklagte A wegen ergiebiger Schneefälle und mangelhafter Ausrüstung den Weg ab der Mittelstation des Sesselliftes nicht mehr fortsetzen konnte, blieb er dort allein zurück, während B weiter zur Bergstation des Liftes, in dessen Nähe sich der Sprengstoffbunker befindet, aufstieg und dort nach Aufbrechen der Türe des Bunkers 84 Donarit-Gelatine-Patronen an sich brachte.

Als um etwa 8 Uhr 30 der Bauer Eugen D mit dem Sessellift in der Mittelstation anlangte und dort den Angeklagten A ('aufgelöst und verwirrt') vorfand, war B noch nicht zurückgekehrt. A erklärte D, daß er sich 'um seinen Bergkameraden' Sorgen mache. D nahm an, daß sich der Begleiter A' S in Bergnot befinde, und stieg mit A zur Talstation ab, wo Liftangestellte die Gendarmerie verständigten, A seinen Kellner mit dem PKW. nach Innsbruck zurückschickte und weiter auf die Rückkehr B wartete.

Dieser kam etwa gleichzeitig mit dem Eintreffen der Gendarmerie zur Talstation, sodaß A keine Möglichkeit mehr hatte, B die 'Situation zu erklären'.

Wegen des verdächtigen Verhaltens B, der seinen Rucksack mit dem - beim noch unentdeckten Diebstahl - erbeuteten Sprengstoff zu verstecken trachtete, wurde der Rucksack von der Gendarmerie durchsucht und die Diebsbeute aufgefunden.

Die auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit. a und b des § 281 Abs. 1 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Songtau A ist nicht begründet.

Daß der Beschwerdeführer vor dem Gespräch vom 15.November 1977 mit B kaum Kontakt hatte und ihn erst 14 Tage kannte, wurde entgegen dem Beschwerdevorbringen zur Mängelrüge vom Erstgericht ohnedies festgestellt (S. 213, 214 d.A.). Diese relativ kurze Dauer der Bekanntschaft steht weder nach den Denkgesetzen noch nach allgemeiner Lebenserfahrung der Urteilsannahme des bei jenem offenbar längeren Gespräch gefaßten gemeinsamen Tatentschlusses entgegen (vgl. insbesondere S. 184 f., 189 bis 191). Mit dem sinngemäßen Vorbringen, das Erstgericht habe seine Verantwortung unberücksichtigt gelassen, wonach er die Äußerung, er würde 'am liebsten der Vertretung Taiwans in Wien die Fenster herausschießen oder sprengen', unbedacht und - auch vom Mitangeklagten B so aufgefaßt -

nicht im Ernst gemacht habe, versucht der Beschwerdeführer in unzulässiger und daher unbeachtlicher Weise die Beweiswürdigung des Schöffensenates zu bekämpfen, welcher diese Verantwortung mit zureichender, denkrichtiger und lebensnaher Begründung verworfen hat (S. 218 f.).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen bedurfte es ferner nicht der Feststellung, daß dem Beschwerdeführer das Wort 'Sprengstoff' erst bei der Vernehmung vor der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Tirol erklärt wurde (vgl. Zeugenaussage E S. 206), er daher erst dort diesen Begriff kennen lernte. Denn seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung zufolge hat der Beschwerdeführer zwar das von B gebrauchte Wort 'Sprengstoff' nicht verstanden, jedoch 'begriffen', was dieser meinte (S. 111 unten f., 204 oben). Deshalb gehen alle das Tatverhalten und den Vorsatz betreffenden Beschwerdeausführungen, welche sich auf mangelhafte Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers berufen, fehl. Daß dieser wegen mangelhafter Beherrschung der deutschen Sprache außerstande gewesen wäre, den Zeugen D nach dem Zusammentreffen an der Mittelstation und den Liftangestellten F nach der Rückkehr ins Tal vom tatsächlichen Vorhaben des Mitangeklagten B zu informieren, wurde vom Beschwerdeführer in erster Instanz nie behauptet.

Er hat hiezu vielmehr in der Hauptverhandlung ausdrücklich deponiert, 'nicht gesagt' zu haben, daß B 'etwas Ungesetzliches macht' (S. 192), und vor der Gendarmerie die Unterlassung der Mitteilung des wahren Sachverhaltes damit motiviert, daß er, 'im Falle B ohne Sprengstoff angetroffen worden wäre, nichts hätte beweisen können und als ' Schwein' dagestanden wäre' (S. 113). Im übrigen ist die erstgerichtliche Annahme über relativ ausreichende deutsche Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers auch durch die Aktenlage gedeckt (vgl. insbesondere die Aussagen der Zeugen D, S. 77, 193, G, S. 194, H, E, S. 205-207 sowie die Angaben des Beschwerführers vor der Gendarmerie S. 113).

Rechtliche Beurteilung

Ein formeller Begründungsmangel haftet dem Ersturteil demnach nicht an.

Aber auch die Rechtsrügen versagen.

Aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. bekämpft der Beschwerdeführer die Beurteilung seines Verhaltens als Beteiligung (§ 12 StGB.) an den Verbrechen des Diebstahls nach den § 127 Abs. 1, 129 Z. 1 StGB. und der Vorbereitung eines Verbrechens durch Sprengmittel nach dem § 175 Abs. 1 StGB. im wesentlichen mit der Behauptung, es fehle an dem für die Beteiligung im Sinne des § 12 StGB. (Bestimmung und sonstigen Tatbeitrag) erforderlichen Vorsatz. Mit diesem Einwand bringt die Beschwerde jedoch den herangezogenen materiellen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, weil sie vom Urteilssachverhalt abweicht. Das Erstgericht hat, wie erwähnt, dem Beschwerdevorbringen zuwider festgestellt, daß sich die Angeklagten in der Absicht, (sich selbst oder einem anderen) einen, wenn auch noch nicht näher bestimmten, Sprengstoffanschlag zu ermöglichen, geeinigt hatten, den Sprengstoffbunker aufzubrechen und sich Sprengstoff zu 'besorgen'. Damit treffen aber die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen sowohl des Diebstahls als auch der Vorbereitung eines Verbrechens durch Sprengmittel, begangen durch Erwerb von Sprengstoff, von denen ersterer Tatbestand Vorsatz nach dem § 5 Abs. 1 StGB., letzterer Absichtlichkeit im Sinne des § 5 Abs. 2 StGB. erfordert, zu. Diese Absicht muß sich nämlich nicht - wie auch das Erstgericht richtig erkannt hat - auf die Vorbereitung schon näher ins Auge gefaßter derartiger Straftaten beziehen; es genügt, wenn sie auch nur die Vorbereitung einzelner noch unbestimmter Taten dieser Art betrifft (Leukauf-Steininger 849; Foregger-Serini StGB.2 S. 313, Erl. II). Daß es sich bei einer solchen vorliegenden Falles von der Absicht des Beschwerdeführers erfaßten, unbestimmten Tat um eine nach dem § 173 Abs. 1 StGB. (vorsätzliche Gefährdung durch Sprengmittel) tatbildliche, nämlich Leib oder Leben eines anderen oder fremdes Eigentum in großem Ausmaß gefährdende Explosion eines Sprengstoffes als Sprengmittel handeln sollte, ist nach den erstgerichtlichen Annahmen klargestellt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß in einem unter Heraussprengen von Fenstern verübten Sprengstoffanschlag auf eine ausländische Vertretungsbehörde oder Institution, für den eine beträchtliche Sprengstoffmenge (3 Pakete = 84 Patronen = 15 kg Donarit-Gelatine /vgl. S. 47, 125 /) beschafft wurde, eine typische Gemeingefahr gemäß dem § 173 Abs. 1

StGB. liegt (vgl. auch ÖJZ-LSK. 1976/304).

Die Beschwerde wendet sich des weiteren gegen die Beurteilung der Bereitstellung des PKWs. für die Fahrt von Innsbruck nach Tannheim als sonstigen Tatbeitrag im Sinne des § 12 StGB. Dies allerdings zu Unrecht. Denn dieser sonstige Tatbeitrag nach der dritten Alternative des § 12 StGB. umfaßt alle Formen physischer und psychischer Unterstützung des Täters; jede Hilfe, welche die Tat fördert und bis zur Vollendung wirksam bleibt, ist ein ausreichend kausaler Beitrag (ÖJZ-LSK. 1976/206, 1977/87).

Daß die Bereitstellung eines PKWs. und eines Lenkers für die Fahrt zum und vom Tatort ein solcher Beitrag ist, kann aber nicht bezweifelt werden.

Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. versucht die Beschwerde schließlich das - vom Erstgericht verneinte - Vorliegen des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue nach dem § 175 Abs. 2 StGB.

darzutun.

Dieser Gesetzesstelle gemäß ist der Täter nicht zu bestrafen, wenn

er freiwillig, bevor die Behörde (§ 151 Abs. 3 StGB.) von seinem Verschulden erfahren hat, den Gegenstand (gemeint: das Deliktsobjekt; hier den Sprengstoff) der Behörde übergibt, es ihr ermöglicht, des Gegenstandes habhaft zu werden, oder sonst die Gefahr beseitigt, daß von dem Gegenstand zur Begehung einer nach dem (§ 171 oder) § 173 StGB. mit Strafe bedrohten Handlung Gebrauch gemacht wird.

Keine dieser Voraussetzungen trifft zu, weil der gestohlene Sprengstoff von der Gendarmerie lediglich auf Grund des verdächtigen Verhaltens seines Komplizen und ohne irgendein Zutun des Beschwerdeführers entdeckt wurde.

Soweit die Beschwerde das Unterbleiben der Feststellung der Unmöglichkeit einer rechtzeitigen Unterrichtung der Gendarmerie - sowohl in der Mängel- als auch in der Rechtsrüge, sachlich jedoch als Feststellungsmangel im Sinne der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. - geltend macht, übersieht sie, daß die Bestimmung über die tätige Reue nach dem § 175 Abs. 2 StGB. ausschließlich auf die tatsächliche Gefahrenbeseitigung abstellt und selbst ein freiwilliges und ernstliches Bemühen allein, die Gefahr zu beseitigen, für die Straflosigkeit nicht genügt. Die Frage, ob der Beschwerdeführer nach dem Eintreffen der Gendarmerie und vor Auffindung des Sprengstoffes in der Lage war, vom - strafgesetzwidrigen - Sachverhalt Mitteilung zu machen, ist daher ohne Bedeutung.

Aus den genannten Erwägungen war die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten A nach dem § 175 Abs. 1 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB.

eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollzug es gemäß dem § 43 StGB. unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren vorläufig aufschob.

Bei der Strafbemessung erachtete es als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen, als mildernd hingegen das Geständnis des Tatsächlichen und die bisherige Unbescholtenheit dieses Angeklagten.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte A eine Herabsetzung des Strafmaßes auf die Untergrenze des anzuwendenden Strafsatzes - allenfalls unter Anwendung des § 41 StGB. noch darunter - und die Verhängung einer Geldstrafe gemäß dem § 37 StGB. an. Die Berufung erweist sich teilweise als berechtigt. Denn die an sich atypischen Begleitumstände des vorliegenden Falles lassen Belange der General- und Spezialprävention zurücktreten. Es kann wohl angenommen werden, daß eine immerhin noch innerhalb des anzuwendenden Strafsatzes ausgemessene Freiheitsstrafe von neun Monaten dem (gemessen an vergleichbaren Straftaten) eher geringen Unrechtsgehalt der Taten und dem ähnlich geringfügigen Verschulden des Angeklagten A entspricht.

Zu einer Strafbemessung an der Untergrenze des Strafsatzes oder gar zu einer Anwendung des § 41 StGB. konnte sich der Oberste Gerichtshof angesichts des Zusammentreffens zweier Verbrechen allerdings nicht entschließen.

Damit fehlt es aber an der entscheidenden Voraussetzung des § 37 Abs. 1 StGB. für die begehrte Umwandlung der Freiheits- in eine Geldstrafe, sodaß insofern der Berufung ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 390 a StPO.

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