OGH 13Os119/78

OGH13Os119/7818.9.1978

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Kießwetter, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schrammel als Schriftführers in der Strafsache gegen Erwin A und andere wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Erwin A gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengerichtes vom 24. Mai 1978, GZ. 22 Vr 225/77-67, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen des Angeklagten Erwin A zu den Punkten A/I), A/II) und A/III) des Urteilstenors, sowie in dem betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Erwin A des Verbrechens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und 2 StGB (Punkte A/I/l bis 3 des Urteilssatzes), des Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 1 StGB (Punkte A/II/l bis 3 des Urteilssatzes), des Verbrechens des schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs. 3

StGB (Punkte A/III/l bis 3 des Urteilssatzes) und des Vergehens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB (Punkt A/IV des Urteilssatzes) schuldig erkannt, weil er zu A/I): in seiner Eigenschaft als Leiter der Filiale B der Raiffeisenkasse C die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich mißbrauchte und der Raiffeisenkasse C einen l00.000 S übersteigenden Vermögensnachteil zufügte, daß er l) vom 1. März bis Ende 1976 sein privates Konto über den bewilligten Kreditrahmen von l50.000 S hinaus auf 1,843.000 S überzog; 2) im Jahr 1976

der Firma 'X-GesmbH' entgegen der Weisung des Vorstandes einen Kredit von 895.826,94 S einräumte;3) in den Jahren 1972 bis 1976 in 31 Fällen von Konten verschiedener Kunden unberechtigt Beträge im Gesamtbetrag von 4,804.368,30 S abbuchte bzw. behob; zu A/II): am 3. Juli 1974, am 13. Juli 1975 und am 7. Dezember 1976 in (insgesamt) sieben Fällen Auszahlungsbelege, sohin (echte) Urkunden durch Einsetzen von Unterschriften der Kontoinhaber (ver-)fälschte, damit sie im Rechtsverkehr zum Beweis der Behebung und übernahme bestimmter Geldbeträge gebraucht werden; zu A/III): im Jahr 1976 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Professionisten durch die Vorgabe, die in Auftrag gegebenen Arbeiten und Bestellungen vereinbarungsgemäß zu bezahlen, demnach durch Täuschung über Tatsachen, zur Ausführung von Arbeiten und übergabe von Waren, sohin zu Handlungen verleitete, welche sie an ihrem Vermögen schädigten, und zwar l) die Firma Franz D zur Durchführung von Installationsarbeiten (Schaden 172.000 S); 2) Herbert E zur Durchführung von Tischlerarbeiten (Schaden 211.668 S);

3) die Firma Gerhard F zur Durchführung von Elektroinstallationen und Ausfolgung von Elektrogeräten (Schaden 156.965,54 S);

zu A/IV): am 20. April 1977 in Innsbruck Reinhard G dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzte, daß er vor dem Untersuchungsrichter behauptete, der Genannte dürfte den Rückzahlungsbeleg H mit der Unterschrift des Josef H gefälscht haben, sohin Reinhard G einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 1 StGB, falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch war.

Hingegen wurden Erwin A in zwei weiteren Fällen der Untreue und der Mitangeklagte Reinhard G vom Vorwurf in Gesellschaft des Erwin A begangener Untreuehandlungen zur Gänze gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Dieses - nur in seinem freisprechenden Teil und im Schuldspruchfaktum A/IV) unangefochten gebliebene - Urteil bekämpft der Angeklagte Erwin A in den Schuldspruchfakten A/I), A/II) und A/III) mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 9 lit. a, 9 lit. b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Zum Urteilsfaktum A/I/3):

Der Angeklagte A verantwortete sich u.a. dahin, daß er Abbuchungen von Sparkonten verschiedener Kunden der Raiffeisenkasse C-I-B vornahm bzw. vornehmen ließ, um Kassenfehlbestände abzudecken. Das Erstgericht schloß jedoch einerseits die - nach der Zeugenaussage des mit der Prüfung betraut gewesenen Revisors des Raiffeisenverbandes Tirol Elmar J an sich in Betracht kommende - Möglichkeit, daß der dem genannten Raiffeiseninstitut im gegebenen Zusammenhang erwachsene Schaden - zumindest teilweise - aus 'Schlamperei' entstanden sei, im Hinblick auf die Zielstrebigkeit des Vorgehens des Erwin A aus und nahm als erwiesen an, daß dieser Angeklagte 'mit Sicherheit' mit einem (auch tatsächlich eingetretenen) Schaden (im Vermögen der Raiffeisenkasse C-I-B) gerechnet habe (vgl. Band II, S. 399, 404 d. A). Anderseits war nach Auffassung des Schöffengerichtes aber nicht feststellbar, ob überhaupt und auf welche Konten das abgebuchte Geld überwiesen wurde, warum es letztlich zum Schaden gekommen und wohin das Geld geflossen sei (vgl. Band II, S. 399 f d. A).

Rechtliche Beurteilung

Mit Recht erblickt der Beschwerdeführer darin einen Widerspruch im Ausspruch des Gerichtes über entscheidende Tatsachen. Der Auffassung des Erstgerichtes zuwider ist nämlich entscheidungswesentlich, ob der Angeklagte - seiner Verantwortung entsprechend - mit seinen 'Manipulationsbuchungen' nur den Zweck verfolgte, Kassenfehlbestände abzudecken, oder ob Geldbeträge zu seinem oder eines Dritten Vorteil auf ein anderes Konto überwiesen oder bar ausbezahlt wurden. Im erstgenannten Fall wäre der Raiffeisenkasse C-I-B bereits durch die Kassenabgänge selbst ein Vermögensschaden erwachsen, der durch nachträgliche Falschbuchungen verschleiert worden wäre, ohne daß diese Falschbuchungen einen weiteren Schaden bewirkt hätten. In einem so gelagerten Fall könnte aber von einem als Untreue strafbaren Verhalten des Angeklagten A nur insoweit gesprochen werden, als seine Vortat allen Merkmalen dieses Tatbestandes entsprach, er also die Kassenabgänge selbst durch vorsätzliches Handeln zum Nachteil der Raiffeisenkasse - etwa durch unzulässige Kontenüberziehungen oder Kreditgewährungen zu Gunsten kreditunwürdiger Kunden (vgl. hiezu Band I, S. 59, 63 b, 63 d verso, 63 g verso, 427, Band II, S. 369 d. A) - herbeiführte. Hinlängliche Feststellungen über eine Tatbegehung in dieser oder jener Form traf das Erstgericht jedoch nicht.

Damit erweist sich sowohl der das Urteilsfaktum A/I/3) betreffende Ausspruch des Erstgerichtes, der Vorsatz des Angeklagten A sei auf eine Vermögensschädigung der Raiffeisenkasse gerichtet gewesen, als im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO mangelhaft begründet, als auch das Urteil zu diesem Schuldspruch in der rechtlichen Annahme eines solchen Schädigungsvorsatzes als mit Feststellungsmängeln im Sinn der Z 9 lit. a der zitierten Gesetzesstelle behaftet. Entsprechende Konstatierungen nahm das Erstgericht auch in der Richtung nicht vor, daß der Angeklagte A etwa die durch die in Rede stehenden Abbuchungen betroffenen Kontoinhaber an ihrem Vermögen schädigen wollte (vgl. hiezu Band II, S. 378 d. A), in welchem Fall er - vorausgesetzt, daß er mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung eines Angestellten des Geldinstitutes Barauszahlungen oder Zubuchungen auf andere Konten bewirkte -

unter Umständen Betrug (in der Erscheinungsform des Versuches) zu verantworten hätte.

Schon aus den dargelegten Erwägungen folgt, daß ferner auch der auf den Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Verfahrensrüge insofern Berechtigung zukommt, als sie sich gegen die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrages des Beschwerdeführers wendet, einen Sachbefund - gemeint: ein Sachverständigengutachten - zum Beweis dafür einzuholen, daß er die Umbuchungen - zum Großteil - vorgenommen habe, um Kassenfehlbestände oder Schadensbeträge auszugleichen (vgl. Band II, S. 379, 380 d. A), die ihm schon in anderem Zusammenhang als strafbare Handlung zur Last gelegt werden (vgl. das Urteilsfaktum A/I/2). Der Begründung des angefochtenen Zwischenerkenntnisses, es stehe auf Grund des widerspruchsfreien Revisionsberichtes des Raiffeisenverbandes Tirol fest, welche Schadensbeträge im einzelnen entstanden seien, ist entgegenzuhalten, daß sich dieser Bericht nur mit der Höhe der Schadenssumme, nicht aber mit der Schadensverursachung befaßt und der unmittelbare Zusammenhang, wofür die abgebuchten Beträge verwendet wurden, gar nicht Gegenstand der Prüfung war (vgl. Band II, S. 378 d. A). Daß eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes durch Einholung des Gutachtens eines Buchsachverständigen nicht zielführend wäre, läßt sich bei der derzeitigen Beweislage nicht von vornherein sagen, zumal der Angeklagte A in seiner Verantwortung zu einzelnen Buchungsvorgängen konkrete Angaben machte, die einer überprüfung - etwa durch einen datums- und betragsmäßigen Vergleich der Buchungsvorgänge auf den betreffenden Konten - durchaus zugänglich sind.

Zu den Urteilsfakten A/I/l) und 2):

Nach den Urteilsfeststellungen unterzeichnete der Angeklagte Erwin A - gemeinsam mit Alfred A und Ingeborg K, geborene A - bereits am 23. Dezember - richtig: 21. Dezember - 1976 eine 'Schuldund Pfandurkunde', in der er im Hinblick auf den von ihm verursachten Schaden erklärte, von der Raiffeisenkasse C-I-B ein 'Darlehen' von 3,5 Millionen Schilling erhalten zu haben, welches 'auf unbestimmte Zeit, längstens aber bis zum Abverkauf der zum Pfand unterstellten Liegenschaften gewährt' wird; die Darlehensnehmer verpflichteten sich, zur Tilgung des Darlehens die zum Pfand unterstellten Liegenschaften EZ 168

der Katastralgemeinde Dalaas und EZ 562 II der Katastralgemeinde Schönwies 'binnen drei Jahren ab Unterfertigung dieses Vertrages zu verkaufen und den Erlös der Darlehensgeberin bis zur vollkommenen Darlehenstilgung samt Zinsen und Kosten zur Verfügung zu stellen' (vgl. Band I, S. 13 ff. d. A). Eine weitere Schuld- und Pfandurkunde über ein 'Darlehen' von weiteren 2 Millionen Schilling auf fünf Jahre unterfertigte er am 30. Dezember 1976 (vgl. Band I, S. 97 ff d. A). Im Hinblick auf diese mit der Raiffeisenkasse C-I-B getroffenen Vereinbarungen macht nun der Beschwerdeführer aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO geltend, es komme ihm in Ansehung des ihm angelasteten Verbrechens der Untreue tätige Reue zustatten.

Auch in diesem Belang ist die Beschwerde im Ergebnis begründet. Das Erstgericht erkannte zwar zutreffend , daß die Schadenersatzverpflichtung vom 30. Dezember 1976

unter dem Gesichtspunkt der tätigen Reue nicht in Betracht kommt, weil die Staatsanwaltschaft bereits am 28. Dezember 1976 Erhebungsaufträge erteilt ((vgl. Band I, S. 5 samt der dazugehörigen (nichtjournalisierten) Beilage)), mithin am 30. Dezember 1976 vom Verschulden des Angeklagten schon erfahren hatte. Nach dem damaligen Stand der Prüfung des Raiffeisenverbandes Tirol lag schon in diesem Zeitpunkt - und nicht erst, wie der Beschwerdeführer vermeint, im Zeitpunkt des Einlangens der schriftlichen Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Tirol bei der Staatsanwaltschaft (am 4. Jänner 1977) -

gegen den Angeklagten A ein hinreichend konkretisierter Verdacht vor, der, mögen auch die Erhebungen noch nicht abgeschlossen gewesen sein, seine überführung wegen verschiedener Malversationen strafgesetzwidriger Art zum Nachteil der geschädigten Raiffeisenkasse erwarten ließ (vgl. SSt. 42/3); einer nachfolgenden Schadenersatzleistung oder Schadenersatzverpflichtung mangelt es daher an der Rechtzeitigkeit.

Hingegen kommt die Errichtung der Schuld- und Pfandurkunde vom 21. Dezember 1976 als eine rechtzeitige vertragliche Verpflichtung zu einer Schadensgutmachung im Sinn des § 167 Abs. 2 Z 2 StGB allenfalls in Betracht.

Verpflichtete sich der Angeklagte A doch damit, bezüglich eines Betrages von 3,5 Millionen Schilling (längstens) binnen der für den Abverkauf der zum Pfand unterstellten Liegenschaften bestimmten (mithin bezüglich ihres Endtermins kalendermäßig fixierten) Frist von drei Jahren ab Vertragsabschluß - ohne Rücksicht auf die Höhe der beim Verkauf der Liegenschaften erzielten, der Darlehensgeberin sofort zur Verfügung zu stellenden Erlöse - Schadenersatz zu leisten (vgl. LSK 1975/7 und LSK 1975/176 = SSt. 46/43).

Straflosigkeit bewirkt eine solche Schadenersatzvereinbarung - im Fall ihrer Freiwilligkeit (vgl. LSK 1976/58) - allerdings nur, wenn sie den ganzen aus der Tat entstandenen Schaden erfaßt. Ob diese Voraussetzungen vorliegend zutreffen, kann derzeit allein deshalb nicht entschieden werden, weil zufolge der Aufhebung des Schuldspruchs laut dem Punkt A/I/3) des Urteilssatzes die Höhe des dem Angeklagten anzulastenden Gesamtschadens, der aus dem Mißbrauch seiner Vertretungsmacht entstand, nicht feststeht. Da jedoch anderseits die zwischen ihm und der Raiffeisenkasse C-I-B getroffene - für den gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Fälligkeit enthaltende - Vereinbarung vom 21. Dezember 1976 jedenfalls jenen Schaden deckt, der dem genannten Geldinstitut aus der überziehung des privaten Kontos und aus der Kreditgewährung an die Firma 'X-GesmbH' erwuchs, erscheint eine Urteilsaufhebung auch in den Schuldspruchfakten A/I/l) und 2) unvermeidlich.

Bei einer Mehrzahl deliktischer Angriffe kommt es im übrigen darauf an, ob die einzelnen Angriffe als selbständig zu betrachten sind oder sich als eine einheitliche, aus demselben Willensentschluß entsprungene Tat darstellen. Liegt eine einheitliche Tat vor, so erfordert tätige Reue die (rechtzeitige und freiwillige) Wiedererstattung des gesamten, d. h. des aus sämtlichen Angriffen entstandenen Schadens bzw. die vertragliche Verpflichtung zu einer solchen. Beim Tatbestand der Untreue ist hiebei speziell zu beachten, daß der Mißbrauch der eingeräumten Befugnis im Sinn des § 153 StGB grundsätzlich nicht nur einzelne Akte rechtlicher Natur, sondern die gesamte Geschäftsführungstätigkeit des Machthabers umfaßt (vgl. SSt. 29/54, 38/4 u.a.). Mag daher auch die Strafbarkeit der Untreue nach dem § 153 StGB an sich durch tätige Reue aufgehoben werden können (§ 167 Abs. 1 StGB), so handelt es sich doch bei mehreren Sachverhalten, die einem Täter als Untreue durch ein und dieselbe Vertretungsmacht angelastet werden, in der Regel nicht um ebensoviele, jeweils gesondert zu betrachtende Straftaten, sondern um das fortgesetzte Delikt der Untreue, für das die wiederholte planmäßige Ausnützung derselben Verhältnisse geradezu typisch ist. Ob ein derartiger Zusammenhang, welcher die Annahme der objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines fortgesetzten Deliktes zuläßt, auch vorliegend bestand, kann allerdings mangels zulänglicher Tatsachenfeststellungen derzeit nicht verläßlich beurteilt werden.

Zu den Urteilsfakten A/III/l) bis 3):

In Bekämpfung seines Schuldspruches wegen des Verbrechens des schweren Betruges rügt der Beschwerdeführer unter Anrufung der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf zeugenschaftliche Vernehmung seines Steuerberaters Dr. E. M, durch dessen Aussage bewiesen werden sollte, daß ihm im Zeitpunkt der Vergabe von Aufträgen an die Firma Franz D, an Herbert E und an die Firma Gerhard F ein Steuerguthaben von 388.000 S zur Verfügung stand, das nur deshalb nicht zur Auszahlung gelangt sei, weil Dr. M trotz laufender Interventionen des Angeklagten A und seines Anwalts aus Arbeitsüberlastung nicht die notwendigen Anträge beim Finanzamt Landeck eingebracht habe (vgl. Band II, S. 379 d. A).

Die Rüge ist stichhältig.

Das Erstgericht begründete nämlich die Ablehnung der beantragten Beweisaufnahme im wesentlichen damit, daß einerseits das behauptete Steuerguthaben zu niedrig sei, um die durch Auftragserteilungen und Bestellungen eingegangenen Zahlungsverpflichtungen zu decken, und anderseits der Angeklagte eine Verzögerung der Auszahlung der Umsatzsteuerrückvergütung in Kauf nehmen 'mußte', welche wiederum eine Verzögerung seiner Gegenleistung zumindest in einem solchen Ausmaß bewirkt habe, daß die übliche Umlaufgeschwindigkeit der vom 'Verkäufer' eingesetzten Betriebsmittel beträchtlich unterschritten (offenbar gemeint: überschritten) wird (vgl. Band II, S. 380, 405 d. A).

Das Erstgericht geht demnach primär ersichtlich von der irrigen Auffassung aus, daß schon in der bloßen Verzögerung einer Bezahlung unter Nichteinhaltung der Zusicherung prompter, d. h. bei Fertigstellung der Arbeiten bzw. Lieferung der Geräte zu leistenden Zahlung, eine Vermögensschädigung (im Umfang der zu erbringenden Gegenleistung) zu erblicken sei. Eine solche ist jedoch grundsätzlich erst dann anzunehmen, wenn die vereinbarte vermögenswerte Leistung infolge Verzögerung für den Gläubiger wertlos wird und die bezügliche Forderung, weil etwa die Erbringung der Leistung in zeitlich unbestimmte Ferne gerückt erscheint, bei einer auf Wahrheit bedachten Buchführung als dubios abgesetzt werden müßte (vgl. SSt. 30/15, 46/8), wogegen die Inkaufnahme einer bloß - in Grenzen gehaltenen - Verschiebung der Rückzahlung für sich allein genommen nur allenfalls eine strafrechtliche Haftung für einen Verzögerungsschaden begründen könnte (vgl. SSt. 45/3). Im übrigen stellte das Erstgericht noch fest, daß der Schuldenstand des Angeklagten A zu Beginn des Jahres 1976 die Millionengrenze bei weitem überstiegen habe, sodaß er 'praktisch' zahlungsunfähig gewesen sei, die von den geschädigten Firmen in Rechnung gestellten Beträge bis zum Zeitpunkt der Urteilsfällung noch unberichtigt aushafteten und der Angeklagte in der Folge - in der Zeit vom 1. März bis Ende 1976 - sein Privatkonto bei der Raiffeisenkasse C-I-B ohne Bewilligung des Vorstandes um l,693.000 S überzog (vgl. Band II, S. 395 und 404 f d. A). Auch habe der Beschwerdeführer schon auf Grund seines Schuldenstandes mit der Zuzählung des von ihm in seiner Verantwortung erwähnten Bauspardarlehens in der Höhe von 600.000 S nicht rechnen können. All diese Umstände indizieren zwar, daß sein Vorsatz darauf gerichtet war, die über seine Zahlungsfähigkeit und - willigkeit getäuschten Firmen durch Nichtbezahlung der geleisteten Arbeiten und der gelieferten Geräte an ihrem Vermögen zu schädigen; die letztlich bloß auf einen Verzögerungsschaden abstellenden erstgerichtlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite - die auch die Vermögenslage des Beschwerdeführers in ihrer Gesamtheit (vgl. Band I, S. 25, 63 k verso, Beilagen zu ON 29 und 30, 421 f d. A) keiner näheren Erörterung unterziehen - reichen jedoch nicht aus, um die rechtliche Annahme eines Schädigungsvorsatzes im dargelegten Sinn voll zu decken.

Zudem blieb unberücksichtigt, daß der von A angeblich in absehbarer Zeit erwartete Betrag von 388.000 S immerhin ausgereicht hätte, zwei der drei in Rede stehenden Professionistenforderungen voll zu decken. Im gegebenen Zusammenhang hätte es überdies einer näheren Klärung der Frage bedurft, ob zur Tatzeit nicht etwa doch berechtigte Erwartungen auf Zuzählung eines Bauspardarlehens bestanden, weil nach der Aktenlage die bestehenden Bausparverträge zum Teil wegen Nichtfälligkeit, zum Teil aber nur wegen der später hervorgekommenen Verfehlungen - und nicht, wie das Erstgericht annahm, schon auf Grund des Schuldenstandes des Beschwerdeführers (vgl. Band II, S. 405 d. A) - nicht zur Auszahlung gelangten (vgl. Band I, S. 489 d. A).

So gesehen erscheint die begehrte zeugenschaftliche Vernehmung des Steuerberaters Dr. M für die Beurteilung des Schädigungsvorsatzes des Beschwerdeführers bei Begehung der ihm als Betrug zugerechneten Taten wesentlich; deren Ablehnung beeinträchtigte sohin dessen Verteidigungsrechte. Im übrigen ergibt sich aus dem Gesagten, daß dem Urteil in Ansehung des Schuldspruchs wegen schweren Betruges auch Feststellungsmängel im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO anhaften.

Zu den Urteilsfakten A/II/l) bis 3):

Zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO führt der Beschwerdeführer aus, das Erstgericht hätte die Tathandlungen, bei denen er die Auszahlungsbelege durch Ersetzen von Unterschriften der Kontoinhaber verfälschte, nicht den in Tateinheit begangenen Tatbeständen der Untreue (vgl. Punkte A/I/3 lit. a bis d, f, o und q des Urteilssatzes) und der Urkundenfälschung, sondern nur dem Tatbestand des Betruges nach den § 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB unterstellen dürfen.

Soweit sich die Beschwerde damit gegen den Schuldspruch wegen Urkundenfälschung gemäß dem § 223 Abs. 1

StGB wendet, kommt ihr im Ergebnis gleichfalls Berechtigung zu. Denn da einerseits, wie bereits ausgeführt wurde, dem Ausspruch des Erstgerichtes, wonach der Angeklagte A eine Schädigung seines Machtgebers in seinen Vorsatz aufgenommen habe, Begründungs- und Feststellungsmängel anhaften und anderseits im Urteil auch entsprechende Feststellungen über eine tätergewollte Schädigung der durch die 'Manipulationsbuchungen' betroffenen Konteninhaber fehlen, läßt sich derzeit nicht endgültig beurteilen, ob der Angeklagte durch die Verfälschung von Auszahlungsbelegen - für sich allein oder in Tateinheit mit dem Tatbestand der Untreue - das Vergehen der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 1 StGB zu verantworten hat oder ob seine Tathandlungen als (zum Nachteil der betreffenden Kontoinhaber begangener) Betrug unter Benützung einer falschen Urkunde (unter Ausschluß einer gesonderten rechtlichen Beurteilung als Urkundenfälschung) zu beurteilen ist (vgl. § 147 Abs. 1 Z 1 StGB).

Im Grundsätzlichen ist jedoch zu bemerken, daß beim Tatbestand der Untreue der Täter im Rahmen seiner Verfügungsgewalt über fremdes Vermögen seinen Machtgeber durch verpflichtende Rechtshandlungen schädigt, der Schade also aus dem Mißbrauch einer Vertretungsmacht entsteht, wogegen beim Betrug der Täter Täuschungshandlungen setzt und der Schaden erst durch die Irreführung eines Dritten aus dessen Handlungen erfließt (vgl. Estl in RZ 1960, 71; RZ 1964/214). Sofern der Angeklagte unter Mißbrauch seiner Vertretungsmacht handelte und dadurch seinem Machtgeber einen Schaden zufügte, steht der in der Beschwerde ins Treffen geführte Umstand, daß der Sparbuchinhaber von einer Abhebung oder Abbuchung von seinem Konto in Unkenntnis gelassen wurde, daher einer tateinheitlichen rechtlichen Beurteilung als Untreue und Urkundenfälschung nicht entgegen; denn für einen Betrug ist eben charakteristisch, daß der Täter beim Getäuschten einen Irrtum hervorruft, der diesen (sodann) zu einer Vermögensverfügung verleitet, die sein Vermögen oder das eines anderen schädigt.

Es war demnach in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten spruchgemäß zu entscheiden, ohne daß auf die weiter geltend gemachten Beschwerdepunkte eingegangen werden mußte. Im erneuerten Verfahren wird sich das Erstgericht zunächst unter Beiziehung eines Buchsachverständigen mit der Frage zu befassen haben, ob der Angeklagte Falschbuchungen nur vornahm, um einen bereits entstandenen Schaden der Raiffeisenkasse C-I-B abzudecken, oder ob er durch die Falschbuchungen zu seinem oder eines Dritten Vorteil diese, bzw. allenfalls die betroffenen Kontoinhaber an ihrem Vermögen schädigen wollte, und nach Maßgabe der Ergebnisse dieser Prüfung nähere Konstatierungen über die Art der Ausführung der einzelnen Tathandlungen treffen müssen.

Bei Beurteilung der Frage, ob durch die Tathandlungen des A (allenfalls nur) ein Schaden im Vermögen der durch die Abbuchungen betroffenen Konteninhaber eintreten sollte und bejahendenfalls auch eintrat, wird - unbeschadet dessen, daß die Raiffeisenkasse C-I-B grundsätzlich den durch die vorgenommenen Falschbuchungen geänderten Stand auf den betreffenden Kontenblättern für maßgebend erachtete (vgl. Band II, S. 378 d. A) - zu beachten sein, daß Manipulationen betreffend das Konto über eine Spareinlage im Hinblick darauf, daß diesem - anders als bei einem Girokonto -

nur die Bedeutung eines der wertmäßigen Erfassung von Geschäftsfällen, nicht aber unmittelbaren Zwecken des Zahlungsverkehrs und der Anlage dienenden Verrechnungsbehelfes zukommt (sh dazu Avancini, Das Sparbuch im österreichen Recht, 19 f), für sich allein (also solange es nicht zu Lasten des Betroffenen zu Barauszahlungen oder Geldüberweisungen kommt) nur fiktive, buchhalterisch bedeutsame Vermögensverschiebungen darstellen, die einen effektiven Verlust an Vermögenssubstanz, mithin den Eintritt eines Schadens im Sinn des § 146 StGB tatsächlich noch nicht bewirken (vgl. SSt. 46/36).

In Ansehung der Urteilsfakten A/I/l) und 2) wird im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs im Urteil auch schlüssig zu begründen sein, auf Grund welcher konkreter Tatumstände das Vorliegen eines auf Zufügung eines Vermögensschadens der genannten Raiffeisenkasse gerichteten Tätervorsatzes bei Begehung der Tathandlungen als erwiesen angenommen wird.

Soweit dem Angeklagten ein Vermögensschaden zum Nachteil des betroffenen Geldinstitutes über den von der 'Schuld- und Pfandurkunde' vom 21. Dezember 1976 erfaßten Schadenersatzbetrag von 3,5 Millionen Schilling hinaus nicht anzulasten ist, wird das Erstgericht ferner auf die Frage einzugehen haben, ob ihm tätige Reue zustatten kommt, wobei im Fall einer Urteilsfällung erst nach Fälligkeit der Schadenersatzverpflichtung (21. Dezember 1979) auf ein Wiederaufleben der Strafbarkeit bei Nichteinhaltung dieser Verpflichtung gemäß dem letzten Satz des § 167 Abs. 2 Z 2 StGB Bedacht zu nehmen wäre.

Hinsichtlich der Betrugsfakten werden im erneuerten Verfahren in bezug auf die subjektive Tatseite entsprechende, mängelfrei begründete Feststellungen darüber zu treffen sein, ob der Angeklagte ((unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Lage zum Zeitpunkt der Auftragserteilungen, seiner Erwerbsmöglichkeiten aus (Fremdenverkehrs-)Betrieben und allenfalls zu erwartender Geldzuflüsse)) durch die Nichtzahlung der von den Geschädigten in Rechnung gestellten Beträge einen Vermögensschaden herbeiführen wollte bzw. ob er den Eintritt eines solchen - durch Täuschung über seine Zahlungsfähigkeit und (oder) -willigkeit verursachten - Schadens ernstlich für möglich hielt und sich mit ihm innerlich abfand. Im Fall einer Verneinung dieser Frage wäre der Sachverhalt auch in Richtung des § 159 Abs. 1 Z 2 StGB zu prüfen.

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