Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. Dezember 1976, GZ. 7 c E Vr 8606/76-7, womit Beatrix A der Vergehen der versuchten Täuschung nach § 15, 108 Abs. 1 StGB, der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB und der Verleumdung nach § 297 Abs. 1
(1. Fall) StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der § 108 Abs. 1, 223 Abs. 2, 297 Abs. 1 StGB.
Dieses Urteil und alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen werden aufgehoben, und es wird gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Beatrix A wird von der Anklage, sie habe in Wien 1.) zumindest am 1. Juni 1976 versucht, der Gemeinde Wien in ihrem Recht auf Kontrolle der gebührenpflichtigen Abstellung von Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen dadurch absichtlich einen Schaden zuzufügen, daß sie Beamte der Straßenpolizei durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Anbringung eines bereits entwerteten Parkscheines, zur Unterlassung der Kontrolle und Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens zu verleiten suchte;
2.) im Mai und Juni 1976 den unter Punkt 1.) bezeichneten mehrfach angekreuzten Parkschein, sohin eine verfälschte Urkunde, im Rechtsverkehr zum Beweise einer Tatsache, nämlich des geleisteten Entgelts für das gebührenpflichtige Abstellen des Kraftfahrzeuges in einer Kurzparkzone mehrmals gebraucht;
3.) im Sommer 1976 Peter B dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß sie ihn vor Beamten des Polizeiwachzimmers Schmerlingplatz der unter den Punkten 1.) und 2.) angeführten Straftaten, sohin von Amts wegen zu verfolgender, mit Strafe bedrohter Handlungen, falsch verdächtigte, wobei sie wußte, daß die Verdächtigung falsch war, und hiedurch zu 1.) das Vergehen der versuchten Täuschung nach § 15, 108 Abs. 1 StGB, zu 2.) das Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB und zu 3.) das Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 (1. Fall) StGB, begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. Dezember 1976, GZ 7 c E Vr 8606/76-7, wurde die am 7. Juni 1956 geborene Studentin Beatrix A der Vergehen der versuchten Täuschung nach den § 15, 108 Abs. 1 StGB, der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 2 StGB und der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 (1. Fall) StGB schuldig erkannt, und zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie in Wien 1.) zumindest am 1. Juni 1976 versuchte, der Gemeinde Wien in ihrem Recht auf Kontrolle der gebührenpflichtigen Abstellung von Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen dadurch absichtlich einen Schaden zuzufügen, daß sie Beamte der Straßenpolizei durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Anbringung eines bereits entwerteten Parkscheines, zur Unterlassung der Kontrolle und Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens zu verleiten suchte, 2.) im Mai und Juni 1976 den unter Punkt 1.) bezeichneten mehrfach angekreuzten Parkschein, sohin eine verfälschte Urkunde, im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich des geleisteten Entgelts für das gebührenpflichtige Abstellen des Kraftfahrzeuges in einer Kurzparkzone mehrmals gebrauchte;
3.) im Sommer 1976 Peter B dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzte, daß sie ihn vor Beamten des Polizeiwachzimmers Schmerlingplatz der unter den Punkten 1.) und 2.) angeführten Straftaten, sohin von Amts wegen zu verfolgender, mit Strafe bedrohter Handlungen, falsch verdächtigte, wobei sie wußte, daß die Verdächtigung falsch war.
Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft.
Rechtliche Beurteilung
Das zitierte Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Parkscheine im Sinne des Wiener Parkometergesetzes, LGBl. für Wien Nr. 47/1974, sind keine Urkunden gemäß § 74 Z 7 StGB, sondern amtliche Wertzeichen, deren Mißbrauch im § 238 StGB pönalisiert ist. Gemäß § 238 Abs. 4 StGB ist aber eine Wiederverwendung und eine Entfernung der ursprünglichen Entwertungsmarkierung nicht gerichtlich strafbar. Das festgestellte Tatverhalten der Angeklagten begründet daher weder eine Urkundenfälschung noch eine der Wiener Polizei gegenüber versuchte Täuschung nach den § 15, 108 Abs. 1 StGB (vgl. JBl 1977, 654).
Daraus folgt aber ferner, daß der Angeklagten auch Verleumdung gemäß § 297 Abs. 1 StGB nicht angelastet werden kann. Denn Voraussetzung für diesen Tatbestand im Sinne des (hier allein in Betracht kommenden) ersten Anwendungsfalls ist u.a., daß der Täter einen anderen einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung wissentlich falsch verdächtigt; eine Falschbezichtigung in Ansehung einer bloßen Verwaltungsübertretung reicht nicht hin (vgl. Leukauf-Steininger, 1169; Mayerhofer-Rieder I, 676).
Auf Grund der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß zu erkennen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)