Spruch:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht erteilt. Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung werden zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Georg A (früher B: siehe ON. 48) wurde von einem Schöffensenat des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu 1 a Vr 7140/77 am 17.März 1978 wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146, 147 Abs. 2 StGB. verurteilt.
In einem mit 21.März 1978 datierten und am selben Tag zur Post gegebenen Schriftsatz meldete der bevollmächtigte Verteidiger des Angeklagten (ON. 21) Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON. 38). Gleichfalls am 21.März 1978 gab der in Haft befindliche Angeklagte im Gefangenenhaus des Landesgerichts für Strafsachen Wien die Anmeldung derselben Rechtsmittel zu Protokoll (ON. 36). Beide Anmeldungen sind verspätet, weil die Anmeldungsfrist am dritten Tag nach der Urteilsverkündung, daher am Montag den 20.März 1978 um 24 Uhr abgelaufen ist (§ 284 Abs. 1, 294 Abs. 1 StPO.). Zugleich mit der Anmeldung der beiden Rechtsmittel beantragte der in diesem Zeitpunkt ordnungsmäßig ausgewiesene Verteidiger (ON. 21) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Rechtmittel, weil seine Kanzleiangestellte Maria C, die als sehr gewissenhaft zu bezeichnen sei, es entgegen dem ihr erteilten Auftrag verabsäumt habe, die Anmeldung des Rechtsmittels (gemeint: der Rechtsmittel), wie auch sonst in derartigen Fällen, zu verfassen und ihm termingerecht zur Unterschrift vorzulegen (S. 200).
Maria C, die zur fraglichen Zeit 21 Jahre alt war, wurde hierüber einvernommen. Sie hat angegeben, seit dem 1.April 1977 bei dem Rechtsanwalt tätig zu sein.
Zu ihren Eigenschaften (gemeint: Aufgaben) gehöre es, Schriftsätze vorzubereiten, Termine vorzumerken und Schriftsätze rechtzeitig zur Post zu befördern. Der Rechtsanwalt habe ihr mitgeteilt, am Montag den 20.März 1978 einen Schriftsatz mit der Rechtsmittelanmeldung vorzubereiten und ihm vorzulegen; dies habe sie aus irgendwelchen Gründen übersehen, vielleicht sei gerade an diesem Tag ein besonders hektischer Betrieb gewesen, Genaueres wisse sie nicht. Schon einmal, nämlich im November 1977, sei es durch ihr Verschulden zum Verstreichen einer Rechtsmittelfrist gekommen (ON. 53).
Rechtliche Beurteilung
Nach der Judikatur zum § 364 StPO. ist das Versehen einer sonst verläßlichen Hilfskraft des Verteidigers ein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund (EvBl. 1968 Nr. 54 u.v.a.).
Von Verläßlichkeit kann aber in diesem Fall keine Rede sein. Der Rechtsanwalt verließ sich auf eine erst 21-jährige Angestellte, die noch nicht einmal ein volles Jahr bei ihm tätig war und die überdies schon vor gar nicht langer Zeit, nämlich bloß vier Monate zuvor, die Versäumung einer Rechtsmittelfrist verschuldet hatte. Angesichts des Zusammentreffens dieser drei entscheidend gegen eine Verläßlichkeit der beauftragten Kanzleikraft sprechenden Tatsachen kann nicht mit Grund gesagt werden, es sei dem Angeklagten durch unabwendbare Umstände ohne seines Vertreters Verschulden unmöglich gemacht worden, die Frist einzuhalten (§ 364 Abs. 1 Z. 1 StPO.).
Die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war darum zu verweigern.
Sonach waren beide Rechtsmittel (die übrigens später ausgeführt wurden: ON. 45) von dem gemäß § 285 Abs. 2, 296 Abs. 1 StPO. für die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde und über die Berufung zuständigen Obersten Gerichtshof (§ 364 Abs. 2 StPO.) als verspätet zurückzuweisen (EvBl. 1961 Nr. 285).
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